Fondsanleger gehen europaweit in Deckung: Sie halten sich bei Aktienprodukten derzeit zurück – ungeachtet der extrem niedrigen Zinsen und der stützenden Rolle der Notenbanken, die mit mehr (die FED in den USA und erst Recht die BoJ in Tokio) oder weniger (die EZB) Interventionen und Aktionismus die Konjunktur zu stützen versuchen. Zu groß ist offenbar die Risikoaversion und die Angst vor extremen Rückschlägen, wie sie in den Jahren 2008/09 und 2011 zu beobachten waren.
Doch ganz ohne Risiko geht es nun einmal im Zinsumfeld von heute auch nicht. Die Folge: Neben Hochzinsfonds sind Mischfonds heute gesucht wie lange nicht. Die Absatzstatistik für Fonds, die Morningstar seit 2007 monatlich erhebt, zeigt, dass europaweit alleine in den ersten vier Monaten dieses Jahres 38,5 Milliarden Euro netto in Mischfonds investiert wurden, in den vergangenen 12 Monaten flossen dieser Produktgruppe 60,5 Milliarden Euro zu - so viel wie noch nie in einem Zwölfmonatszeitraum. Grund genug, diese Produkte etwas genauer in Augenschein zu nehmen.
Tabelle: Seid umschlungen, defensive Mischfonds: Wohin das Anlegergeld fließt
Unser Blick auf die Details zeigt, dass in diesem Jahr vor allem defensive Mischfonds bei Anlegern im Fokus standen. Sie zeichnen sich durch niedrige Aktien- und hohen Rentenquoten aus.
Wer früher auf konservative Mischfonds setzte, konnte mit einiger Berechtigung davon ausgehen, an den Chancen des Aktienmarkts partizipieren zu können, ohne die Folgen eines Aktien-Crashs befürchten zu müssen.
Üblicherweise pendelt sich das Verhältnis auf 30:70 ein. Wer auf einen derartigen Mischfonds setzte, konnte mit einiger Berechtigung davon ausgehen, an den Chancen des Aktienmarkts partizipieren zu können, ohne die Folgen eines Aktien-Crashs befürchten zu müssen. Zumindest in der Vergangenheit.
Flexible Mischfonds haben per saldo enttäuscht
Konservative Anleger sind mit defensiven Mischfonds in den vergangenen Jahren deutlich besser gefahren als Anleger in Mischfonds, die keinerlei Restriktionen bei der Asset Allocation unterliegen. Bei dieser Fondskategorie offenbart sich, wie tückisch das Market Timing auch für die Profis ist. Obwohl hinter flexiblen Mischfonds eine gleichermaßen bestechende wie einfache Idee steht, ist die Umsetzung oft nicht gelungen. Die Fähigkeiten der meisten Fondsmanager, den Markt immer so zu timen, dass der Fonds in turbulenten Marktphasen aus Risiko-Assets aussteigt und rechtzeitig in sichere Anlagen umschichtet, lassen zu wünschen übrig. In der Summe zeichnen sich flexible Mischfonds durch ein wenig befriedigendes Rendite-Risiko-Profil aus.
Das untere Schaubild verdeutlicht das oben Gesagte. Die vier bunten Punkte stehen für die 4 Morningstar-Fondskategorien, die in Aktien und Renten mit Schwerpunkt Euro anlegen: defensive, ausgewogene, flexible und aggressive Mischfonds. Auf der X-Achse ist der Grad der Partizipation an der Aufwärtsbewegung des europäischen Aktienmarkts (Referenzpunkt ist der MSCI Europe NR Index). Auf der Y-Achse ist der Grad der Partizipation der Fonds an der Abwärtsbewegung des Aktienmarkts festgehalten. Wir sehen, dass konservative Mischfonds in den vergangenen 3 Jahren das gehalten haben, was man erwarten konnte: Auch wenn die Partizipation an der Aktienmarkt-Performance relativ bescheiden war, hielten sich die Verluste ebenfalls in engen Grenzen.
Besonders überzeugen konnte diese Produktkategorie mit Blick auf die Performance, die im Vergleich zu anderen Mischfonds sehr gut ausfiel. Mit einer jährlichen Rendite von gut 2,5% pro Jahr konnten konservative Mischfonds in den vergangenen fünf Jahren deutlich besser abschneiden als alle anderen Mischfondskategorien. Auch Risiko-adjustiert lagen diese Produkte in den vergangenen fünf Jahren vorn.
Grafik: Wie stark Mischfonds am Auf und Ab des Aktienmarkts hängen
Ganz anders das Bild bei flexiblen Mischfonds: Die vermeintlichen Alleskönner, die eine Aktienquote von 0-100 % fahren können, konnten wenig überzeugen und wiesen sogar ein schlechteres Rendite-Risiko-Profil auf als ausgewogene Fonds, die hälftig in Aktien und Renten investieren und somit auf eine starre Asset Allocation fixiert sind. Aggressive Mischfonds kommen wiederum einem Aktien-Investment sehr nahe – vor allem mit Blick auf die Abwärtsgefahren!
Selbstbeschränkung der Fonds bringt Anlegern Vorteile ...
Und die Moral der Geschichte? Sollten Anleger also alles auf defensive Karte bzw. konservative Mischfonds setzen, gerade vor dem Hintergrund, dass die Aktienmärkte in den vergangenen Jahre häufig abrupte Abwärtsphasen aufwiesen? Hier muss die Antwort leider etwas stärker abwägend ausfallen, als es vielen Anlegern vermutlich lieb sein dürfte, die einfache Lösungen für schwierige Probleme suchen.
Kommen wir zunächst zu eher prinzipiellen Überlegungen, die für defensive Mischfonds sprechen. Defensive Fonds, die starre Aktien-Renten-Quoten fahren, haben zumindest in der Vergangenheit flexiblen Mischfonds den Schneid abgekauft. Bei letzteren muss man konstatieren, dass die Manager grosso modo nicht allzu viel mit ihrer grenzenlosen Freiheit anfangen konnten. Ihr Rendite-Risiko-Profil fällt bescheiden aus. Und es ist nicht ersichtlich, warum sich das ändern sollte.
Fonds mit eher starren Bandbreiten haben zudem den Vorteil, dass sie ihren Aktien-Renten-Mix regelmäßig auf das Ausgangsniveau zurückführen müssen. Das stellt nicht nur sicher, dass das Rendite-Risiko-Profil des Anlegerportfolios erhalten bleibt, sondern hat zudem den Charme, dass - zumindest idealtypisch - gut gelaufene Assets regelmäßig reduziert und die weniger erfolgreichen Investments aufgestockt werden. Diese Vorgehensweise ist nichts anderes als ein antizyklisches Rebalancing, das wir bei Morningstar für eine langfristig erfolgversprechende Strategie halten.
... Aber dieses Mal ist wirklich sehr vieles anders
Doch je konkreter wir uns nun dem Gegenstand der Betrachtung nähern, desto klarer werden die Warnhinweise sichtbar, die Anleger berücksichtigen sollten. Die schlechte Nachricht: Die Renditen der Vergangenheit werden aller Voraussicht nach künftig nicht mit vergleichbaren Risiken erzielt werden können. Wir erinnern uns: Seit den 1980er Jahren profitieren Bond-Investoren von sinkenden Anleihe-Renditen. Und da konservative Mischfonds vor allem am Rentenmarkt investieren, stammt ein großer Teil der Vergangenheits-Performance aus Kurssteigerungen bei Anleihen. Dafür mussten nicht einmal überdurchschnittlich riskante Strategien gefahren werden. Die Mini-Zinsen, die bei Bundesanleihen heute herausspringen, zeigen, dass viele Performance-Bringer der Vergangenheit heute allenfalls zum – nominalen! – Kapitalschutz taugen. Als Renditetreiber fallen sichere Anleihen jedenfalls aus.
Fondsmanager konservativer Mischfonds stehen heute also vor der Frage, ob sie den Ausfall einer entscheidenden Performance-Quelle hinnehmen werden, oder ob sie sich daran machen, riskantere Papiere in ihre Fonds zu kaufen. Die Antwort liegt auf der Hand, schon angesichts der relativ hohen Fondskosten – Gesamtkostenquoten von 1,5% sind bei konservativen Mischfonds die Regel - dürften die Vermögensverwalter das Risiko in ihren Fonds erhöhen: Ob Nachranganleihen, Peripherie- und andere Hochzinspapiere oder ein Fokus auf längere Laufzeiten: Das Repertoire der Fondsmanager ist vielseitig wie riskant.
Natürlich kann die Erhöhung des Risikos im Sinne einiger Anleger sein, die nicht auf üppige Renditen verzichten möchten. Da die meisten Investoren in konservativen Mischfonds jedoch vor allem risikoscheu sein dürften, überwiegen eher die Fragezeichen hinter dieser Vorgehensweise. Das Tückische dabei ist, dass die Risiken von so manchen Investments nicht auf den ersten Blick zu durchschauen sind. Nachranganleihen etwa können sich durch sehr stabile - und erfreuliche - Renditen auszeichnen. Die Folgen können allerdings äußerst unangenehm sein – man erinnere sich nur an die Liquiditätsschocks im Zuge der Lehman-Pleite, die so manchem bis dato scheinbar risikoarmen ABS-Portfolio zum Verhängnis wurde. Für Anleger und Berater, die auf der Suche nach einem vermeintlich langweilig-berechenbaren Mischfonds sind, bedeutet das: Holzauge sei wachsam!
* Dieser Artikel ist die Langfassung eines Gastbeitrags, der in der Online-Publikation DIA Quarterly, 2/2013, erschienen ist.
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