Erst kürzlich war ich zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Smart Beta eingeladen und wurde gefragt, wie „smart“ ein Index sein kann. Knapp ausgedrückt: Es gibt keinen „smarten“ Index. Der Begriff „Smart“ suggeriert, dass der Index mehr "weiß" als der Markt. Das ist Unfug. Die Grundlage für die meisten dieser Strategien existiert bereits seit Jahrzehnten. Auch ist Methodologie der Indizes bekannt. Da der Index also auf allgemeinem Marktwissen basiert, kann er per Definition nicht „Smart“ sein. Aber vermutlich lässt sich ein „smarter“ Index bzw. ETF besser verkaufen?
Marketing-Slogans wie Smart Beta führen Privatinvestoren in die Irre, denn sie verleiten zur Annahme, dass anders gestrickte Indizes bessere Renditen abliefern als nach Marktkapitalisierung gewichtete. Wer aufgrund dieser Prämisse investiert, wundert sich am Ende, wenn der Schuss nach hinten losgeht! Ich würde deshalb eher von „alternativen“ Indizes bzw. „Strategieindizes“ sprechen.
Marketing-Slogans wie Smart Beta führen Privatinvestoren in die Irre, denn sie verleiten zur Annahme, dass alternative Indexprodukte bessere Renditen abliefern als nach Marktkapitalisierung gewichtete.
In der Smart-Beta-Debatte ist es wichtig zu verstehen, dass jede Strategie Marktphasen hat, in denen sie gut funktioniert und andere, in denen sie weniger gut funktioniert - je nach Machart und Marktphase. Deshalb sollten die meisten Strategien eher als langfristige Portfoliobeimischung eingesetzt werden - wenn überhaupt. Morningstar-Autor John Rekenthaler vertritt dazu eine sehr dezidierte Meinung (lesen Sie hier seinen Kommentar).
Man sollte in jedem Fall die Rückrechnungen der Index- und ETF-Anbieter kritisch analysieren und hinterfragen, warum ein bestimmter Ansatz in diesem Zeitraum funktioniert hat und, viel wichtiger, ob er auch zukünftig Sinn macht bzw. unter welchen Umständen er eben nicht das halten kann, was er verspricht.
Der Markt im Überblick
In dem Artikel „Minimum Varianz erfordert maximale Sorgfalt“ haben ich bereits drei Low-Volatility- bzw. Minimum-Variance-Ansätze miteinander verglichen und festgestellt, dass es trotz vermeintlich gleicher Zielsetzung, nämlich die Risikoreduzierung des Referenzwertes, erkennbare Unterschiede gibt. Es gibt aber weitaus mehr alternative Strategien in Europa.
Wie groß ist der Markt alternativer ETFs? Per Ende September betrug das in ETFs investierte Vermögen nach unseren Daten in Europa insgesamt 287,9 Milliarden Euro, verteilt auf über 1.748 ETFs und ETCs. Dagegen gibt es nur 123 Strategie-ETFs mit einem Gesamtvolumen von 11,1 Milliarden Euro. Das entspricht 2,9% des Markts. Relativ gesehen ist das sicherlich marginal, absolut gesehen wächst der Markt jedoch sehr stark. In den letzten drei Jahren hat sich das verwaltete Vermögen in diesen Produkten verachtfacht und der Marktanteil am gesamten ETF-Markt in Europe verdreifacht, wie die untere Grafik zeigt.
Grafik: Das Wachstum der alternativen Indexkonzepte
Quelle aller Grafiken: Morningstar Direct
Sieht man einmal von den Dividenden-Strategien ab, dann hat PowerShares als erster alternative ETFs im Jahr 2007 auf den Markt gebracht und eine Reihe an RAFI-Strategieindizes aufgesetzt. Das RAFI-Konzept gewichtet Unternehmen anhand von Fundamentaldaten – auch diese Strategie ist seit langem bekannt. Der Ansatz konnte sich in Europe aber nie wirklich durchsetzen. Mit einer Ausnahme, dem PowerShares FTSE RAFI UK 100 Fund, verwalten alle Fonds weit weniger als 70 Millionen Euro. Der PowerShares FTSE RAFI Italy 30 Fund verwaltet sogar weniger als eine Millionen Euro.
Gemessen am verwalteten Vermögen sind Dividenden-Strategien das meistgefragte Konzept. Zahlenmäßig sind dagegen Rohstoff-Produkte in der Überzahl. Sie basieren auf der Enhanced-Futures-Strategie und verfolgen zumeist das Ziel, mittels Rolloptimierung den Contango-Effekt zu minimieren. Mehr zur Rollproblematik bei Rohstoff-Indizes finden Sie hier. Die untere Grafik zeigt alternative Strategien nach Vermögen gewichtet.
Grafik: Der DivDAX und seine Enkel dominieren noch immer den Markt
Gleiche Strategie, unterschiedliche Performance
Ich habe bereits eingangs erwähnt, dass jede Strategie bestimmte Marktphasen hat, in der sie funktioniert. Jedoch gibt es auch innerhalb der einzelnen Strategien erhebliche Performanceunterschiede. Im Folgenden vergleichen wir die Performance seit Jahresbeginn von jeweils drei Strategien auf den US-Markt bzw. dem Europäischen Aktienmarkt – mit interessanten Erkenntnissen.
Gleichgewichtete ETFs auf den US- und den europäischen Aktienmarkt sind in diesem Jahr mit am besten gelaufen. Es gibt diverse Studien, die hierfür unterschiedliche Begründungen liefern. Fama-French-Anhänger schreiben diese Outperformance dem Small-Cap-Effekt zu, da diese relativ zum Referenzwert übergewichtet sind. Andere behaupten, dass die bessere Performance bei gleichgewichteten Indizes darauf zurückzuführen ist, dass diese Indizes Mega-Caps geringer gewichten.
Unabhängig davon ist Fakt, dass Standardwerte dieses Jahr Small-Caps underperformt haben. Auf der anderen Seite ist die Spanne zwischen Mega-Caps und Small-Caps in den USA wesentlich größer als in Europa. Und in der Tat hat der gleichgewichtete Index in den USA den Referenzwert wesentlich stärker outperformt als der Index auf europäische Aktien; der Mega-Cap-Effekt dürfte also in den USA größer gewesen sein. Wahrscheinlich profitieren die Indizes letztendlich von beiden. Smart ist der Ansatz jedoch nicht, da die Risikoprämie bekannt ist.
Interessant ist zudem der Vergleich von iShares und Ossiam. Beide verfolgen den Minimum-Varianz-Ansatz, jedoch mit unterschiedlichen Restriktionen. iShares orientiert sich sehr stark an der Gewichtung des S&P Index, während Ossiam dies anders handhabt. Genaueres können Sie in dem oben genannten Artikel nachlesen.
Tabelle: Die Performance ausgewählte Strategie-ETFs
Das Produkt von iShares schlägt nicht nur den S&P 500 Index, sondern erwirtschaftete dieses Jahr über die doppelte Rendite des Ossiam ETFs. In Europa schaut das Bild schon etwas ausgeglichener aus. Hier schlägt keiner der ETFs seinen Referenzwert, wobei Ossiam das Konkurrenzprodukt von iShares um fast 3% schlägt. Hierbei ist aber anzumerken, dass es sich um zwei unterschiedliche Referenzwerte handelt - im Gegensatz zum US-Markt.
Interessant ist zudem ein Blick auf die Volatilität, da dieser Ansatz verspricht, das Risiko zu reduzieren - mit einer besseren Performance quasi als Nebeneffekt. Die bessere Performance ist jedoch darauf zurück zu führen, dass diese Produkte Abwärtsbewegungen weniger stark mitmachen. Generell kommt nämlich eine höhere Rendite zumeist auch mit einem höheren Risiko einher. Während in den USA iShares den Referenzwert dieses Jahr outperformt und Ossiam underperformt, weist lediglich der iShares eine geringere Volatilität auf.
In Europa hinken beide ETFs ihren Referenzwerten zwar etwas hinterher, jedoch weisen beide eine niedrigere Volatilität auf als ihr Referenzwert. Die Zielsetzungen, den Referenzwert mit einer geringeren Volatilität abzubilden, ist also meist aufgegangen. Die Underperformance zum Referenzwert liegt daran, dass wir dieses Jahr insgesamt steigende Märkte hatten, in denen dieser Ansatz auf Grund des niedrigen Betas dem Markt eher hinter hinkt. Mehr zum Thema Low-Beta-Strategien können Sie hier nachlesen.
Die Diskrepanz zwischen den theoretischen Eigenschaften und den Live-Ergebnissen bei diesen Strategien steht stellvertretend für viele alternative bzw Strategieindizes. Es funktioniert eben nicht immer zu jeder Zeit. Zudem lassen sich die Renditequellen meist relativ einfach herleiten, es handelt sich keinesfalls um Hexerei!
Die Renditequellen von alternativen ETFs lassen sich zumeist relativ einfach herleiten, es handelt sich keinesfalls um Hexerei!
Es kann also kritisch hinterfragt werden, ob viele dieser Strategieindizes ihr Versprechen halten oder eher aus dem Moment heraus durch die Marketingabteilung an die Investoren verkauft werden. Oft lässt sich die Performance ökonomisch erklären. Zudem sollte berücksichtig werden, dass diese Prämien auch schnell wieder verschwinden können, wenn in diese von der breiten Investorenmasse investiert wird.
Es ist zwar nicht alles Gold was glänzt, aber auch nicht jeder Strategie-Index sollte kategorisch ausgeschlossen werden. Es kommt immer auf die Motivation, die Haltedauer und die Asset-Allokation an, ob und welches Produkt Sinn macht.
Noch ein Wort zur Asset Allokation. Alle Strategie-Indizes weisen, im Vergleich zum Referenzwert, eine abweichende Korrelation zu traditionellen Anlagen auf. Daher sollte dieses abweichende Verhalten bei der Portfoliokonstruktion berücksichtigt werden.
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