Die Zeitschrift „Economist“ hat jüngst eine wertvolle Handlungsanweisung für Investoren mit viel britischer Ironie auf den Punkt gebracht: „Stehe einfach herum, tu nichts!“. Sie haben es natürlich gemerkt: Die Economist-Texter haben in einer Artikel-Überschrift die bekannte Redewendung „Stehe nicht einfach herum, tu was!“ in ihr Gegenteil verkehrt. Sie zielt darauf ab, dass Menschen in Krisenzeiten oder Gefahrensituationen es gewohnt sind, schnell reagieren zu müssen.
Doch was im Angesicht eines, sagen wir, Säbelzahntigers oder einer Brandsituation angemessen sein mag, ist an der Börse in den allermeisten Situationen ein schlechter Ratgeber. Aktionismus schadet zumeist mehr, als er Nutzen stiftet. Um die Illusion der Kontrolle aufrecht zu erhalten, erliegen Anleger in Zeiten außerordentlicher Ereignisse (stark fallende Aktienkurse, Ausbruch einer politischen Krise, eine Naturkatastrophe, schlechte Wirtschaftsnachrichten usw.) der Illusion, dass es sinnvoll ist, ihre Portfolios aktiv umzuschichten.
Buy and hold ist nicht tot - heute schon gar nicht
In den allermeisten Fällen bringt Hektik allerdings suboptimale Ergebnisse. Das ist durchaus bekannt – „hin und her macht Tasche leer“, ist eine bekannte Börsenweisheit, die mehr als nur ein Körnchen Wahrheit enthält. Doch spätestens bei der nächsten Krise werden derartige Ratschläge über Bord geworfen, und dann wird das Portfolio wieder gedreht, was das Zeug hält.
Menschen neigen dazu, in Krisenzeiten schnell zu reagieren. Doch was im Angesicht eines Säbelzahntigers angemessen sein mag, ist an der Börse in den allermeisten Situationen ein schlechter Ratgeber.
Strategisch aufgestellte Portfolios, die wenig umgeschichtet werden, erzielen dagegen bessere Renditen. Wir behaupten: Auch in den turbulenten vergangenen fünf Jahren waren stabile Portfolios gegenüber Trading-Ansätzen, mit denen Anleger versuchten, die Märkte zu timen, im Vorteil. Unsere These: Buy-and-Hold ist nicht tot, die Lehman-Krise hat insofern keine neue Realität geschaffen, die „neuartige“, aktionistische Handlungsstrategien erfordert.
Kommen wir zur Beweisführung. Mit Blick auf Fonds lässt sich unsere These relativ leicht überprüfen. Man nehme statt der zeitgewichteten Rendite, die den üblichen Performance-Rechnungen zugrunde liegt, die geldgewichtete Rendite. Der Morningstar Investor Return bringt die Mittelzu- und -Abflüsse als Teil der Gleichung ins Spiel. Gewichtet man die Rendite unter Berücksichtigung der Veränderungen des Fondsvermögens, kommt das der Erfahrung eines durchschnittlichen Anlegers relativ nah.
Möglichst viel Langmut beim Investieren ist Trumpf
Um das Phänomen der geldgewichteten Rendite zu illustrieren, hier ein einfaches Beispiel: Ein Anleger investiert zu Jahresanfang 10.000 Euro in einen Fonds. Am Ende des Jahres hat der Fonds um fünf Prozent zugelegt. In unserem Fall gab es unterjährig allerdings kräftige Schwankungen. Nach einem ordentlichen Performance-Plus von 15 Prozent von Januar bis Ende September finden im vierten Quartal kräftige Preisabschläge in Höhe von zehn Prozentpunkten an.
Hätte nun ein zweiter Anleger – angelockt von der guten Fondsperformance in den ersten neun Monaten – Anfang Oktober 10.000 Euro investiert, hätte er eine ganz andere Erfahrung gemacht als der Buy-and-Hold- Investor. Während der erste Anleger in den Genuss einer Rendite von fünf Prozent kam, musste der zweite Investor einen satten Verlust hinnehmen. Indem man die Folgen des Kauf- und Verkaufsverhaltens berechnet, gelangt man dem klassischen Durchschnittsinvestor (der nicht verwechselt werden sollte mit einer real existierenden Person) auf die Spur.
Die vergangenen fünf Jahre seit der Lehman-Pleite sind bestens geeignet, den Erfolg taktischer Ansätze gegenüber strategischen Buy-and-Hold-Konzepten (die heute oft auch despektierlich als „statisch“ bezeichnet werden) zu messen. Wir haben die Reaktion der Anleger auf die Volatilität der Märkte seit dem Herbst 2008 gemessen und den durchschnittlichen Morningstar Investor Return zehn großer Wertpapierfondskategorien für drei und fünf Jahre kalkuliert. Den Investor Return haben wir dann mit der zeitgewichteten Performance, dem Total Return, verglichen. Während der Investor Return also den taktischen Investor widerspiegelt, entspricht der Total Return dem Verhalten eines Buy-and-Hold-Anlegers. Die untere Tabelle zeigt die Ergebnisse unserer Untersuchung auf einen Blick.
Tabelle: Zeitgewichtete Rendite schlägt fast immer geldgewichtete Rendite
Sie lesen die Tabelle auf der gegenüberliegenden Seite so. In der linken Zahlenspalte finden Sie die Rendite der jeweiligen Morningstar Fonds-Kategorie in den vergangenen fünf Jahren pro Jahr, rechts daneben den Morningstar Investor Return in dieser Periode. Übertrifft der Morningstar Investor Return die Fondsrendite, weist das Feld “Differenz” einen positiven Wert aus und ist grün unterlegt. Ist der Wert dagegen negativ und das Feld rot unterlegt, ist die Anlegerrendite schlechter ausgefallen als der Total Return.
Zunächst das Bild aus der Vogelperspektive. Sowohl in den vergangenen drei als auch fünf Jahren war die Anlegerrendite in nahezu allen Kategorien unterdurchschnittlich. Seit 2008 war die Anlegerrendite in neun von zehn Kategorien schlechter als die eigentliche Fondsrendite. Seit 2010 fiel sie sogar in allen zehn Kategorien schlechter aus. Das Fazit: Durch ihr aktives Handeln haben Anleger nicht so viel heraus-geholt, wie es bei einer Buy-and-Hold-Strategie möglich gewesen wäre.
Stetige Zuflüsse bei globalen Aktienfonds
Nur bei globalen Aktienfonds für Standardwerte fiel die (geldgewichtete) Anlegerrendite in den vergangenen fünf Jahren etwas besser aus als die (zeitgewichtete) Fondsrendite. Pro Jahr betrug die Morningstar Investor Rendite in dieser Kategorie seit Herbst 10,41 Prozent gegenüber einer Fonds-Performance von 10,17 Prozent. In den vergangenen drei Jahren fiel freilich auch bei globalen Aktienfonds die Anlegerrendite suboptimal aus. Hier war die zeitgewichtete Rendite dieser Kategorie pro Jahr 85 Basispunkte höher als die Anlegerrendite. Das verwundert nicht, da die Fonds dieser Kategorie von Anfang 2009 bis März 2011 stetige Zuflüsse verbuchten.
Ab dem Sommer 2011 bis weit ins Jahr 2012 wurden die Geldflüsse volatiler. Anleger verschoben ihre Gelder in die Fonds im Gleichklang mit dem Auf und Ab an den Börsen. Sie verkauften in Abwärtsphasen hinein und kauften in Erholungsphasen. Und da ihr Handlungsmuster ein reaktives war, kamen sie überwiegend zu spät.
Das bringt uns zum weiteren Fazit: Die höchsten Abweichungen zwischen Investor- und Fondsrenditen stellt man bei den Kategorien mit der volatilsten Performance und den schwankungsintensivsten Geldflüssen fest. Während die Zuflüsse in Renten- und Mischfonds überwiegend stetig (und positiv) verliefen und die zugrunde liegenden Asset-Klassen nicht so volatile Performance-Musterzeigen wie Aktien, fiel der Abstand zur zeitgewichteten Rendite relativ gering aus.
Anleger in Deutschland-Fonds vernichten besonders viele Rendite
Anders das Bild bei Kategorien wie deutsche Aktien, globale Hochzinsanleihen und Schwellenländer-Bonds. Die Kurse waren hier relativ volatil, und zugleich verliefen die Zuflüsse ebenfalls häufig sprunghaft. Beispiel deutsche Aktienfonds. Hier befinden sich Anleger seit Juli 2011 mehr oder weniger konstant auf der Verkäuferseite – sie verpassten damit den phantastischen Höhenflug deutscher Standardwerte.
Genau anders herum verlief es bei globalen Hochzinspapieren und Schwellenländer-Bonds, die hohe Mittelzuflüsse verbuchten. Hier jagten die Anleger systematisch der Vergangenheits-Performance nach, verkauften jedoch wiederholt in Schwächephasen hinein.
Da die durchschnittliche Performance von Fonds systematisch unter der Performance ihrer Benchmarks liegt, entgeht den Anlegern auf einer zweiten Ebene ebenfalls viel Rendite.
Die Beispiele oben zeigen, wie viel Schaden die Market-Timing-Versuche der Anleger anrichten. Und es gibt noch schlechtere Nachrichten. Die obere Tabelle liefert nicht das gesamte Bild. Da die durchschnittliche Performance der Fondskategorien systematisch unter der Performance ihrer Benchmarks liegt, entgeht den Anlegern viel mehr Rendite, als es der Morningstar Investor Return auf den ersten Blick vermuten lässt.
Neben ihrer eigenen Underperformance haben Anleger damit zu kämpfen, dass aktive Fondsmanager per Saldo deutlich schlechtere Renditen liefern als ihre Indizes. Denn Fondsmanager leiden unter denselben Affekten wie Anleger: Sie kaufen zu hoch und verkaufen zu tief. Das illustriert auch die oben zitierte Überschrift des Economist-Artikels. Sie bezog sich auf aktuelle wissenschaftliche Studie, die sich mit den schädlichen Folgen des Trading-Verhaltens beschäftigt. Von Fondsmanagern, nicht von Privatanlegern, wohlgemerkt. Es ist an der Zeit, über eine neue Investment-Agenda nachzudenken!
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