Im Leitartikel zum Fonds-Newsletters vom 10. Juni hatte ich auf das ausgeprägte Silodenken hingewiesen, das in der Fondsindustrie vorherrscht. Auch wenn Indexfonds künftig den aktiven – vor allem den semi-aktiven! – Fonds immer mehr Marktanteile abjagen dürften und insofern ein fester Bestandteil der Vermögensverwaltungsindustrie sind, werden im ETF-Universum vollkommen andere Themen diskutiert als in der Welt der aktiv verwalteten Fonds. Warum das so ist, dürfte an der Natur der Investoren liegen: Die ETF-Branche ist weitgehend institutionell geprägt, während sich in der Welt der aktiv verwalteten Publikumsfonds vorwiegend Privatanleger tummeln. Es wäre höchste Zeit, dass Privatinvestoren "institutioneller" werden!
Extreme Detailanalyse bei den Instis - Ignoranz bei den Privatiers
Die Natur der Debatte lässt sich so zusammenfassen: Extrem penible Due Diligence hüben, weitgehende Ignoranz drüben. Beispiele gibt es viele. „Was sind die Kontrahentenrisiken in ETFs?“, war etwa eine heiß geführte Debatte im Jahr 2011, die sogar im Wandel des Geschäftsmodells eines großen Indexfonds-Anbieters einmündete. Heute sind ETFs deutlich „sicherer“ als noch vor der Eskalation der Eurokrise im Sommer 2011. Den – institutionellen – Investor, der nunmehr jederzeit – und zwar tagesgenau – ermitteln kann, welche derivativen Risiken in seinen Indexfonds schlummern, freut´s!
Dass die identischen derivativen Risiken in aktiv verwalteten Publikumsfonds stecken, kümmerte damals wie heute indes kaum einen Privatinvestor. Kontrahenten-Risiken sind bei aktiven Fonds gewissermaßen ein Non-Event – ungeachtet der Tatsache, dass mit Bernard Madoff 2008 ein veritabler „Event“ stattfand, der Privatanlegern in Fonds hunderte Millionen Euro gekostet hat. Auch wenn man die Kirche im Dorf lassen sollte und die Counterparty-Risiken in aktiven Fonds nicht zur Bedrohung stilisieren sollte, fällt auf, dass dieses für Anleger höchst relevante Thema kaum diskutiert wurde.
In der ETF-Branche tobt die Preisschlacht
Ein anderes Stichwort in diesem Kontext lautet: Fondskosten. In der Indexfondsbranche tobt heute eine regelrechte Konsolidierungsschlacht. Die Anbieter von Exchange Traded Funds überbieten sich mit Preissenkungen. Was auch nur logisch ist: Bei ETFs handelt es sich um austauschbare Produkte. Die Branche zeichnet sich durch einen hohen Reifegrad aus, was sich in der insgesamt sehr effizienten Abbildung der Indizes manifestiert. Insofern bleibt – ceteris paribus - als Differenzierungsmerkmal der Preis. „ETFs – billiger als bei KIK!“, war nicht von ungefähr die Überschrift unserer ETF-Marktübersicht in der vergangenen Woche.
Der Preiskrieg bei ETFs hat uns neugierig gemacht, wie sich die Kosten von aktiv verwalteten Fonds entwickelt haben. Die Branche der aktiv verwalteten Fonds unterscheidet sich in einigen Punkten von ETFs, weist allerdings auch einige Gemeinsamkeiten auf – unter anderem dort, wo es viele Privatanleger nicht vermuten dürften: Viele Produkte sind ähnlich wie ETFs untereinander absolut austauschbar. Viele Fonds heben sich kaum voneinander ab und folgen darüber hinaus oft genug sklavisch ihrem Vergleichsindex. (Das dürfte wiederum ein wichtiger Grund dafür sein, dass in den meisten Fondskategorien der Durchschnitt der aktiv verwalteten Fonds deutlich hinter ETFs bleiben, die auch in diesen Segmenten aktiv sind. Wir haben auf die entlarvende Tatsache verwiesen, dass bei US- und globalen Aktienfondskategorien die meisten ETFs fünf Sterne im Morningstar Rating aufweisen, was bedeutet, dass diese ETFs rund 90% der aktiv verwalteten Fonds der Kategorie übertreffen.)
Die Kosten von 10.800 Aktienfonds unter die Lupe genommen
Wenn nun viele aktiv verwaltete Fonds bestenfalls semi-aktiv sind und nur die wenigsten genuine Alleinstellungsmerkmale besitzen, dann dürfte das ein guter Grund sein, die Gebühren zu senken. Oder doch nicht? Wir haben die Probe gemacht und haben alle aktiv verwalteten Fonds in unserer Datenbank Morningstar Direct ermittelt, die in Europa zum Vertrieb zugelassen sind. Wir haben dabei nur die ältesten Fondstranchen gezählt und sind auf 10.800 Produkte gekommen.
Im nächsten Schritt haben wir die Entwicklung der Gesamtkostenquoten von 2007 bis 2012 nachvollzogen. Da nicht alle Fondsanbieter ihre Fondsbilanzen für 2013 veröffentlicht haben, haben wir als Proxy für die Zeit nach 2012 die in den Fondsvertriebsdokumenten enthaltenen laufenden Kosten ermittelt. Auch die Management-Gebühr, die der wichtigste Bestandteil der Gesamtkosten sind, haben wir ermittelt. Die Tabelle unten führt die Kostenentwicklung auf.
Tabelle: Was kosten Aktienfonds gestern und heute?
Das wichtigste Fazit unserer Untersuchung: Die Kosten von Aktienfonds stagnieren auf hohem Niveau. Seit 2011 liegt die Gesamtkostenquote über alle Aktienfondskategorien hinweg im Schnitt bei durchschnittlich 1,85%. Das ergibt seit Beginn der Finanzkrise 2007 einen leichten Anstieg. Seinerzeit lag die durchschnittliche Gesamtkostenquote bei knapp 1,8%. Die Management-Vergütung macht dabei einen Großteil der jährlichen Kosten aus.
Dass die Kosten 2011 und 2012 indes deutlich niedriger als in den Jahren 2009 und 2010 ausfielen, muss relativiert werden. Da die von uns berechnete Gesamtkostenquote auch die variable Vergütung, auch Performance Fees genannt, enthält und die Jahre 2009 und 2010 sehr gute Aktienjahre waren, waren die Gesamtkosten 2009 und 2010 überdurchschnittlich hoch. Anders 2011 und auch 2012. Die Eurokrise, die Verschärfung der Krise der spanischen Banken und die nachfolgende EZB-Euro-Garantie im Sommer 2012 machten den Fondsmanagern offenbar so sehr zu schaffen, dass in diesen Jahren mehrheitlich keine Performance Fees erhoben wurden.
Satelliten kosten mehr
Insofern dürften die laufenden Kosten von durchschnittlich 1,86 Prozent, die wir für dieses Jahr ermittelt haben, ein realistisches Bild liefern: Die Kosten von Fonds stagnieren auf hohem Niveau. Dabei gilt die Faustregel: Fonds, die Satellitenthemen abbilden, kosten deutlich mehr als Fonds, die in Kernmärkten unterwegs sind.
So sind Schwellenländer-Aktienfonds – ein klassisches Satellitenthema - um einiges teurer als Fonds, die in die entwickelten Märkte Europa und USA investieren. Aktuell weisen Schwellenländer-Aktienfonds im Schnitt 2,01 Prozent an laufenden Kosten auf, von denen durchschnittlich 1,58 Prozent als Management-Vergütung anfallen. Dagegen kosten aktiv verwaltete Europa-Standardwertefonds im Schnitt 1,74 Prozent (Management-Fee: 1,31 Prozent), und USA-Standardwertefonds schlagen mit 1,72 Prozent (1,29 Prozent) zu Buche.
Neue Fonds weisen überdurchschnittlich hohe Gebühren auf
In einem zweiten Schritt haben wir uns die Kostenbilanz der seit 2007 aufgelegten aktiv verwalteten Aktienfonds angeschaut. Hintergrund: Bei ETFs sinken die Gebühren vor allem deshalb, weil neue, günstig gepreiste Produkte auf den Markt kommen. Wie sieht diesbezüglich die Praxis bei aktiv verwalteten Fonds aus? Dieser Kostenaspekt findet sich in der untersten Zeile der oberen Tabelle. Auf den ersten Blick fallen aktiv verwaltete Fonds, die seit 2007 auf den Markt gekommen sind, nicht aus dem Rahmen: Die laufenden Kosten bzw. die Management-Gebühren heben sich nicht von den Kosten aller am Markt befindlichen Aktienfonds ab.
Auf den zweiten Blick tun sie das allerdings doch: Die Gesamtkostenquoten, die auch die Performance Fee inkludieren, fallen bei den seit 2007 aufgelegten Fonds deutlich höher aus als die Kosten der betrachteten Fonds insgesamt. Besonders auffällig ist zum einen die Diskrepanz in den Jahren 2009 und 2010, als die Gesamtkostenquote der seit 2007 aufgelegten Fonds bei 2,29 bzw. 2,17 Prozent lag (gegenüber jeweils 1,96 Prozent bei der Gesamtgruppe).
Zum anderen fällt auf, dass die Kostenquote auch 2011 überdurchschnittlich hoch war - bei insgesamt moderaten Fixkosten. Dass die variable Vergütung also im Jahr 2011 bei neuen Fonds viel stärker zu Buche schlug als das bei der Gesamtgruppe der Aktienfonds der Fall war lässt zwei Schlüsse zu: Entweder wiesen die neu aufgelegten Fonds Qualitäten auf, die Bestandsfonds nicht besaßen und Anlegern eine Outperformance brachten. Alternative Deutung: Die zur Vereinnahmung der Performance-Gebühren verwendeten Benchmarks waren so optimiert, dass den Fonds die Performance Gebühren praktisch zuflogen.
Anleger und Berater sind in einem Boot
Egal, welcher der beiden Erklärungsansätze zutrifft: Dass Privatinvestoren bzw. die Berater von Privatkunden den Fondsgebühren offenbar so wenig Bedeutung beimessen, ist ein Jammer. Dabei befinden sich die Berater in einem Boot mit dem Anleger, auch jene, die nicht auf Honorarbasis arbeiten. Finanzdienstleister, die einen Teil der Management-Gebühren als Kickbacks vereinnahmen, sollten sich nicht indifferent gegenüber der Entwicklung der Performance Fees zeigen, da diese die Rendite, die beim Anleger ankommt, nachhaltig mindert. Auch wenn die Finanzaufsicht Bafin unfair gestaltete Gebühren bei deutschen Fonds in Teilen unmöglich gemacht hat, sind bei Auslandsfonds unfaire Performance Fees unverändert möglich und auch gängige Praxis. Fondsgebühren sind für die Anlegerrendite in höchstem Maße relevant. Sie sollten nicht nur bei ETFs diskutiert werden!
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