Im Mittelalter hatten viele Städte einen Burggraben. Er bot Schutz vor Angreifern und garantierte somit den Einwohnern eine gewisse Sicherheit. Im abstrakten Sinne weisen erfolgreiche Unternehmen heute eine ähnliche Eigenschaft auf: Sie verfügen über einen „ökonomischen Burggraben“ (Englisch: economic moat). Geprägt hat diesen Begriff der legendäre Investor Warren Buffett. Morningstar hat diesen Begriff mit dem Moat Rating für Investoren operationalisiert.
Wir verstehen unter Economic Moat einen Wettbewerbsvorteil, durch den ein Unternehmen über längere Zeiträume seine Wettbewerber auf Distanz halten kann. Die Stärke des Geschäftsmodelles fungiert gewissermaßen als Burggraben; es schützt so die Cash-flows der Zukunft. Die Identifizierung und qualifizierte Analyse dieser „Moats“ ist wiederum für Anleger hilfreich, um viel versprechende Langfristinvestments auszumachen.
Ein großartiges Management, die Unternehmensgröße, dominierende Marktanteile, oder angesagte Produkte sind sicher Vorteile gegenüber Wettbewerbern. Sie sind aber nicht zwangsläufig auch als strukturelle Vorteile anzusehen, wenn es darum geht, hohe Erträge über einen langen Zeitraum zu liefern und die Wettbewerber auf Abstand zu halten. Es kommt vielmehr auch auf den Markt selbst an und wie sich ein Unternehmen darin etabliert hat.
Bei der Einschätzung der Qualität von diesen ökonomischen Burggräben gehen wir zunächst quantitativ vor: Sind die Einnahmen größer als die Kapitalkosten, und wie profitabel ein Unternehmen insgesamt? Wichtig ist für uns dabei auch, wie hoch die Gewinne aus dem investierten Kapital sind. Auf qualitativer Ebene haben wir fünf wesentliche Quellen für einen wirtschaftlichen Burggraben identifiziert:
Immaterielle Vermögenswerte
Hierzu gehören Werte, die nicht physisch messbar und nur schwer quantifizierbar sind. Hierzu zählen beispielsweise der Wert besonders qualifizierter Mitarbeiter, Marken- oder Imagewerte. Sie bewegen Kunden dazu, einen vergleichsweise höheren Preis für die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens zu zahlen.
Hohe Wechselkosten
Der Wechsel von einem Hersteller zu seinem Konkurrenten ist grundsätzlich mit Kosten verbunden. Denken Sie beispielsweise an Ihr Betriebssystem: Wenn sie von Windows auf Apple wechseln möchten, müssen Sie wahrscheinlich einen neuen Computer kaufen und sich in das Betriebssystem des Konkurrenten einarbeiten. Gegebenenfalls müssen Sie auch den Rest Ihrer IT-Infrastruktur anpassen. Ganz ähnlich kann es bei Autoherstellern sein, die mitten im Lebenszyklus eines Modells einzelne Teile austauschen müssen. Es ist also ein Wettbewerbsvorteil, wenn ein Zulieferer ein Produkt herstellt, das für den Autohersteller mit hohen Umstiegskosten verbunden ist.
Netzwerkeffekt
Wenn Unternehmen eine große Menge von Käufern und Verkäufern – oder allgemein Nachfrager und Anbieter – zusammenbringen, liegt ein starker Netzwerk-Effekt vor. Beispiele sind Ebay und Amazon in den USA, große Einzelhandelsketten oder auch der jüngst an der NYSE gelistete chinesische Internetriese Alibaba. Für (neue) Wettbewerber wird es dann schwierig, auf demselben Markt Fuß zu fassen und die Nutzer auf ihre Plattform zu ziehen.
Kostenvorteile
Wer qualitativ werthaltige Produkte oder Dienstleistungen günstiger anbieten kann als Wettbewerber, besitzt einen wichtigen Vorteil. Bisweilen wird auch von niedrigen Lebenszykluskosten gesprochen. Erreicht werden kann das durch interne Prozessoptimierung, Effizienz durch Größenvorteil (z.B. als Massenabnehmer) oder auch die Wahl des Standortes. Bekannte Beispiele sind Aldi oder Walmart, die Waren in große Mengen kaufen, dadurch auf die Zulieferer Druck ausüben und entsprechend günstige Einkaufkonditionen erhalten.
Effizientes Marktverhalten
Wenn in einem gut organisierten Markt mit effizienten Unternehmen ein neuer Mitspieler auftritt, kann es sein, dass er das gewachsene Geflecht stört und die Kapitalrendite auf dem gesamten Markt unter Druck setzt. Letztlich wäre das für alle mit Einbußen verbunden und würde das Gesamtgefüge stören. Das heißt aber nicht, dass Größe und Effizienz positiv miteinander korrelieren. Sind also in einem bestimmten Markt die agierenden Unternehmen besonders wirtschaftlich, ist dieser für neue Konkurrenz eher unattraktiv.
Bei unserem Moat-Rating geht es darum, eine grundsätzliche Vorstellung von der langfristigen Perspektive eines Unternehmens zu gewinnen. Wir gehen damit der Frage nach, ob es einen breiten oder schmalen Abstand zum Wettbewerb hat, so dass aktuelle Renditen nicht so schnell wieder dahinschmelzen. Gesucht ist eine langfristig überdurchschnittliche Kapitalrendite.
Es gibt verschiedene Typen von Burggräben
Wir unterscheiden bei unserem Moat-Rating zwischen drei unterschiedlich starken Ausprägungen:
1) Von Unternehmen mit einem großen Wettbewerbsvorteil erwarten wir überdurchschnittliche Renditen über die nächsten 20 Jahre.
2) Wer einen kleinen Wettbewerbsvorteil hat, dürfte nach unserer Einschätzung in den kommenden zehn Jahren überdurchschnittliche Renditen erzielen.
3) Ein Großteil der Unternehmen hat keinen economic moat; wir erwarten längerfristig keine überdurchschnittlichen Renditen.
Zugegeben: Nur die wenigsten Unternehmen haben über die Jahre hinweg einen wirklich großen Wettbewerbsvorteil aufgebaut. In unserem Morningstar Wide Moat Focus Index haben wir 20 Titel aufgelistet, die nach unserem Ranking aber genau das geschafft haben (lesen Sie hier mehr).
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Die Methodologie zur Einschätzung von economic moats haben die Morningstar Analystinnen Heather Brilliant und Elizabeth Collins in ihrem Buch Why Moats Matter: The Morningstar Approach to Stock Investing festgehalten. In dem Standardwerk geben sie Anlegern Checklisten an die Hand, um die „Burggräben“ für jede der fünf Moat-Kategorien selbst zu analysieren. Zudem finden sich Details darüber, wie entsprechende Trends festgestellt werden können um nachzuvollziehen, welche Wettbewerbsfaktoren für ein Unternehmen positiv oder negativ wirken. Zuletzt wird auch beschrieben, wie man Wettbewerbsvorteile in jedem Sektor bewerten kann, damit Anleger das Moat-Framework für ihr eigenes Research nutzen können.
Und: Mit etwas Glück können Sie, liebe Leser, das neue Buch von Heather und Elizabeth Why Moats Matter gewinnen. Wir verlosen zehn Exemplare von Why Moats Matter: The Morningstar Approach to Stock Investing. Schicken Sie mir einfach eine Email an ali.masarwah@morningstar.com mit dem Betreff „Economic Moats“. Einsendeschluss ist Freitag, der 10. Oktober 2014 um 12:00 Uhr. Viel Erfolg und allzeit robuste Investments!
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* Mitarbeit: Michael Haker
Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.