Die Eurokrise brachte Bewegung in den europäischen ETF-Markt. Anleger verkauften in großem Stil derivate-basierte ETFs, die zur Indexabbildung Tauschgeschäfte (Swaps) mit Investmentbanken eingehen. Im Gegenzug standen die Anbieter, die Indizes physisch abbilden, vor allem Marktführer iShares, als Profiteure da.
Das hatte Konsequenzen. Seit Ende 2012 haben sich db X-Trackers und Lyxor, die beiden Anbieter, die bis dato ausschließlich auf Swap-ETFs gesetzt hatten, in Richtung physisch replizierende Produkte bewegt. Besonders forsch ging dabei die Tochter der Deutschen Bank zu Werke, die in großem Stil Produkte von derivativer Indexabbildung hin zur Abbildung mit den tatsächlichen Indexbestandteilen umstellte.
Unsere umfassende Übersicht, die den europäischen ETF-Markt auch mit Blick auf die bevorzugte Index-Replizierung untersucht hat, zeigt, dass der Trend hin zu physischen ETFs weiter Bestand hat. Wie unsere untere Grafik zeigt, ist in diesem Jahr der Marktanteil der physisch replizierenden ETFs auf über 70% gestiegen, während der Marktanteil der Swap-ETFs (nach Volumen) spiegelbildlich gefallen ist.
Grafik: Marktanteil nach Replizierungstechnik per Ende September 2014
Das gilt auch für die Erfolgsbilanz der Deutschen Bank, die sich bei den meisten Produktareten klar in Richtung physische Replikation bewegt. Der Erfolg scheint der Deutsche-Bank-Tochter auf den ersten Blick Recht zu geben: Per Ende September zählte db X-trackers zu den Gewinnern in diesem Jahr. Gut 3,3 Milliarden Euro sammelte die Deutsche Bank netto in diesem Jahr in ihren ETFs ein. Die meisten Zuflüsse gingen auf das Konto der physisch replizierenden ETFs.
Auch Lyxor und - vor allem - die UBS, die ebenfalls verstärkt auf physisch replizierende ETFs setzen, konnten hohe Zuflüsse verbuchen. (Sie lagen dabei alle deutlich hinter iShares und auch Vanguard.)
Werden Ursache und Wirkung miteinander verwechselt?
Ein zweiter Blick zeigt, dass hinter der vermeintlich gradlinigen Erfolgsstory der physischen ETFs möglicherweise auch andere Faktoren stehen. Offenkundig wollten die Verantwortlichen bei der Deutschen Bank bei der Umstellung auf physische ETFs „auf Nummer sicher gehen“ – bei den neuaufgelegten physischen ETFs wurden die Kosten vorsorglich gesenkt.
In einigen Fällen, in denen neue physisch replizierende Produkte auf den Markt gebracht wurden, hat die Deutsche Bank die Kosten deutlich tiefer gestaltet als bei den bestehenden Swap-ETFs auf die identischen Indizes. Zu nennen ist hier das Beispiel des ETFs auf den MSCI USA. Während der 2007 aufgelegte Swap-basierte ETF noch immer 0,30% an jährlichen Kosten aufweist, sind es beim neuen physisch replizierenden USA-ETF nur ganze 0,07% an Jahresgebühren.
De facto hat die Deutsche Bank also mit der Umstellung weiter Teile ihrer Produktpalette eine neue Runde im Konkurrenzkampf mit iShares und Co. eingeleitet. Wer den Erfolg der Deutschen Bank in diesem Jahr in der Umstellung von Swap- auf physische ETFs verortet, könnte Ursache und Wirkung verwechseln.
Beide Replikationstechniken haben ihre Berechtigung
Übrigens: Der Geschäftsverlauf der Société-Générale-Tochter Lyxor ist nicht so eindeutig. Die Franzosen, die weitaus weniger Produkte mit physischer Replikation aufweisen, konnten in diesem Jahr (per Ende September) höhere Zuflüsse als die Deutsche Bank verbuchen - ungeachtet des nach wie vor bestehenden Übergewichts von Swap-ETFs in ihrer Produktpalette.
Wir bei Morningstar vertreten die Meinung, dass beide Replikationstechniken ihre Berechtigung haben und dass Anleger nicht zwangsläufig die eine Replikationsart der anderen vorziehen sollten. In weniger liquiden Märkten wie Schwellenländern haben Swap-basierte Produkte in der Regel Vorteile beim Tracking, in hochliquiden Märkten wie beim DAX, SMI oder Euro STOXX, herrscht dagegen weitgehend Waffengleichheit.
Auch wenn die physische Abbildung von Indizes intuitiv einfacher zu verstehen ist, ist verständlicher nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit „sicherer“. Schließlich setzen die Manager aktiv verwalteter Fonds ebenfalls in großem Stil Swap-Geschäfte in den von ihnen verantworteten Fonds ein, was offenbar keinem Investor schlaflose Nächte verursacht.
Dass die Anbieter von ETFs die von ihnen angewendete Replikationstechnik wie eine Monstranz vor sich hertragen, ist in erster Linie eine Funktion des Wettbewerbs in der Branche, und der ist intensiv. Vor allem seit dem Markteintritt von Vanguard hat die Konkurrenz an Schärfe zugenommen, und der vermeintlich ideologische Streit zwischen den Verfechtern von Swap-ETFs und physisch replizierenden ETFs war ebenfalls nichts mehr als der Positionierungsversuch von Produktanbietern, die um die Gunst der Investoren buhlen.
Eine interessante Fußnote: Unter den großen ETF-Anbietern in Europa haben sich nur State Street und Vanguard eindeutig positioniert: nur sie verfolgen ausschließlich die physische Replikationstechnik, alle anderen Anbieter verfolgen eine ambivalente Linie und halten sich ihre Optionen offen.
Hier gelangen Sie zu unserer breit angelegten ETF-Untersuchung auf Englisch, die in dieser Woche erschienen ist.
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