Gastbeitrag: Kundenorientierung und Geschäftserfolg - (k)ein Widerspruch

Friedrich von Metzler beeindruckte die Zuhörer der Morningstar Investment Konferenz in Frankfurt am Main mit einer beeindruckenden Rede über Werte in der Finanzbranche, die universelle Gültigkeit besitzen - auch und gerade in der heutigen Zeit. 

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Friedrich von Metzler beeindruckte die Zuhörer der Morningstar Investment Konferenz 2014 am 12. November in Frankfurt (lesen Sie hier mehr) mit einer Rede über Werte in der Finanzbranche, die universelle Gültigkeit besitzen - auch und gerade in der heutigen Zeit. Wir geben diese Rede geringfügig gekürzt wider. 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Geld ist ein spannendes Thema. Wir alle brauchen es, und genug davon gibt es eigentlich nie. Der österreichische Dichter Johann Nestroy hat das gut auf den Punkt gebracht: “Die Phönizier haben das Geld erfunden – aber warum so wenig?“ Geld bewegt die Welt, und die Finanzbranche beschäftigt es naturgemäß ganz besonders. Wie spannend die Fragen rund um das Geld und die Geldanlage sind, haben die interessanten Vorträge und Diskussionsrunden heute einmal mehr gezeigt.

Dass jeder Mensch Geld braucht, ist sozusagen die Daseinsberechtigung für uns Bankiers und Anlagespezialisten. Und ich will es gleich vorwegnehmen: Trotz der immensen Umbrüche, die sich zurzeit in der Finanzbranche vollziehen, bin ich der Überzeugung, dass Finanzdienstleistungen auch in der Zukunft gefragt sein werden, und zwar als Leistung, die von Menschen für Menschen erbracht wird. Die große Herausforderung der Branche, wir haben es heute schon mehrfach gehört, ergibt sich aus dem geänderten Kundenverhalten: Der Kunde war zwar immer König, aber der König Kunde ist heute mächtiger denn je. Mit der digitalen Revolution öffnet sich dem Kunden eine große Bandbreite an Möglichkeiten. Wenige Mausklicks genügen, und schon hat er eine Vielzahl von Angeboten auf seinem digitalen Schreibtisch. Alltägliche Bankgeschäfte werden immer mehr über das Internet oder mobil über das Smartphone erledigt, auch hierbei hat der Kunde die Wahl unter zig verschiedenen Anbietern. Damit entsteht eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle, und alte werden in Frage gestellt.

Kurzfristige Gewinne sind oft ebenso schnell wieder verschwunden, wie sie erzielt worden sind – die vielen Crashs der Vergangenheit haben das hinreichend gezeigt.

Wie soll die Branche auf diese Herausforderungen reagieren? Banken haben einen bestimmten Zweck, und auf den sollten sie sich immer wieder besinnen. Es ist die originäre Aufgabe der Banken, Menschen und Unternehmen dabei zu unterstützen, sinnvoll mit Geld umzugehen. Sie helfen beim Aufbau eines Vermögens, sie helfen Unternehmen, zu wachsen, und sie haben immer einen Blick auf mögliche Gefährdungen des Vermögens. Jeder Vermögensaufbau, jedes Wachstum aber braucht Zeit. Kurzfristige Gewinne sind oft ebenso schnell wieder verschwunden, wie sie erzielt worden sind – die vielen Crashs der Vergangenheit haben das hinreichend gezeigt. Dabei wurde viel Vertrauen verspielt, und Vertrauen ist die Grundlage für alle Dienstleistungen rund um das Geld. Für die Finanzbranche ist Glaubwürdigkeit das A und O. Was eine Bank bietet, lässt sich weder in die Hand nehmen noch anschauen. Wer eine Finanzdienstleistung kauft, gibt dem Verkäufer einen großen Vertrauensvorschuss. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als zu glauben, dass sich sein Vertrauen eines Tages auszahlt. Denn ob eine Finanzdienstleistung etwas taugt, kann sich letztlich erst zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt erweisen.

Gestatten Sie mir nach den nicht einfachen Wirtschaftsthemen dieses Tages einen Ausflug in die Literatur: Welche Kraft ein solches Stück Papier hat, das sich Geld nennt, und was dieses Geld an Gutem wie an Schlechtem bewirken kann, das hat Johann Wolfgang von Goethe in seiner Faust-Dichtung sehr beeindruckend nachgezeichnet. Schon vor ungefähr 200 Jahren hat Goethe sehr wohl gewusst, was geschehen kann, wenn langfristige Folgen beim Umgang mit Geld nicht bedacht werden. Er war ja nicht nur Dichter, sondern auch Finanzpolitiker: Über zehn Jahre wirkte er als Wirtschafts- und Finanzminister am Weimarer Hof – und ich schätze ihn als Dichter mit ökonomischem Background sehr.
Aufschlussreich ist der Anfang des zweiten Teils der Faust-Tragödie. Da war der Kunde nicht König, sondern sogar Kaiser. Goethe lässt Faust und Mephisto auf das finanziell abgewirtschaftete Reich des Kaisers treffen, das hochverschuldet und quasi handlungsunfähig ist. Mephisto analysiert die Situation ebenso lapidar wie treffend: „Wo fehlt’s nicht irgendwie auf dieser Welt? Dem dies, dem das, hier aber fehlt’s an Geld“. Dem Kaiser kommt der teuflische Geselle wie gerufen, und er akzeptiert auch gleich das Angebot, für Abhilfe zu sorgen: „Es fehlt an Geld. Nun gut, so schaff es denn,“ so lautet sein Befehl.

Das lässt sich Mephisto nicht zwei Mal sagen. Er schafft Geld aus dem Nichts, nämlich das Papiergeld. Hierzu hat er sich die Unterschrift des Kaisers erschlichen, denn eines braucht er dringend, damit wertloses Papier als wertvolles Geld akzeptiert wird: Das Vertrauen der Konsumenten. Mit seiner Unterschrift steht der Kaiser, also die personifizierte Staatsmacht, für den aufgedruckten Wert gerade. Die Schöpfung des Papiergeldes wirkt Wunder: Der Staat ist wieder handlungsfähig, und der Konsum kommt mächtig in Schwung. Genauso, wie Goethe das fiktiv durchspielte, wird es heute gemacht: Jeder Euro-Schein trägt den Schriftzug des Präsidenten der Europäischen Zentralbank. Goethe war in vielfacher Hinsicht verblüffend vorausschauend.

Er sah jedoch nicht nur die nützliche Kraft des Geldes, sondern auch die Kehrseite: Im weiteren Verlauf artet das Treiben in Inflation aus, und der Wert des schönen Papiers schmilzt dahin. Im zweiten Teil des Faust wird ein Gedanke durchgespielt, der verblüffend weitsichtig ist: Geld muss in einem stimmigen Verhältnis zum realen Wirtschaftswachstum stehen, sonst besteht die Gefahr einer Inflation.

Bei einer etwas freieren Deutung der Faust-Tragödie kann man also sagen: Mephisto mag zwar mit der Geldschöpfung aus dem Nichts magische Kräfte entfaltet haben, als Kundenbetreuer hat er allerdings ziemlich versagt. Er hat seinen kaiserlichen Kunden in eine finanzielle Katastrophe hineinschlittern lassen.

Mephisto mag zwar mit der Geldschöpfung aus dem Nichts magische Kräfte entfaltet haben, als Kundenbetreuer hat er allerdings ziemlich versagt.

Ein guter Kundenbetreuer agiert mit Weitsicht. Denn es reicht nicht, einen Kunden nur zu begleiten. Ein guter Kundenbetreuer ist seinem Kunden immer einen Schritt voraus. Er muss schon im Blick haben, was im Interesse des Kunden sein könnte und entsprechende Vorschläge machen. Insofern ist ein guter Kundenbetreuer weit eher Partner des Kunden als nur Verkäufer.

Und natürlich hat ein guter Kundenbetreuer mögliche Krisen im Blick. Diese Krisen, sehr geehrte Damen und Herren, wird es wahrscheinlich aller Regularien zum Trotz auch in der Zukunft immer wieder geben. Der Mensch ist eben kein Homo oeconomicus, und es stecken vermutlich weit mehr Anteile eines Mephisto in ihm, als uns lieb sein könnte. Der Anleger denkt und handelt nicht durchweg rational. Gier und Angst werden sich immer wieder Bahn brechen, und welch verheerende Folgen das für den Einzelnen haben kann, aber auch für ganze Volkswirtschaften, das haben wir in der Vergangenheit oft genug erfahrenVor dem Hintergrund der Annahme, dass auch künftig Vermögen von Krisen bedroht sein können, gehört zu einer effektiven Vermögensplanung nach wie vor die Diversifikation sowie der Verzicht auf Produkte mit intransparenten Strukturen und begrenzter Handelbarkeit. Sie können den Kunden in sehr unerwünschte Situationen bringen. Das bestätigt mich in meiner Auffassung, dass traditionelle Anlageformen wie Aktien, Renten und Bankguthaben nach wie vor das Fundament einer erfolgreichen Vermögensplanung sind.

In steter Regelmäßigkeit beklagen die Medien, wie gering das Finanzwissen der Deutschen ist. Daran hat auch die digitale Revolution nichts geändert. Die übliche Schulbildung vertut meiner Meinung nach große Chancen, wenn sie die Schüler, also die mündigen Bürger von morgen, nur sehr unzureichend oder im schlimmsten Fall überhaupt nicht über Zusammenhänge und Mechanismen in der Wirtschaft informiert. Der Bundespräsident Dr. Joachim Gauck sprach auf dem diesjährigen Bankentag genau dieses Thema an und stellte die kluge Frage, ob das Wissen über ökonomische Zusammenhänge den gleichen Rang habe wie die Ökonomie für unser Leben und Wirtschaften. Eine rhetorische Frage, deren Antwort auf der Hand liegt. Was kann die Finanzbranche dagegensetzen? Das nachzuholen, was die Bildungssysteme versäumt haben, kann sicher niemand erwarten. Aber ein Kundenbetreuer sollte bei der Vermögensanlage eines Kunden mögliche Szenarien einer Wirtschaftsentwicklung immer im Hinterkopf haben.

Intransparente Produkte können Kunden in sehr unerwünschte Situationen bringen. Traditionelle Anlageformen wie Aktien, Renten und Bankguthaben sind nach wie vor das Fundament einer erfolgreichen Vermögensplanung

Ich sage das vor allem im Hinblick auf die demographische Entwicklung unserer westlichen Gesellschaft. Die deutsche Bevölkerung altert, und das in doppelter Hinsicht: Zum einen sinkt die Geburtenrate, zum anderen steigt die durchschnittliche Lebenserwartung. Noch liegt das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Leistungsempfängern in der gesetzlichen Rentenversicherung bei ungefähr drei zu eins. Bis zum Jahr 2050 wird es sich vermutlich nahezu halbieren. Dass es ohne private Vorsorge nicht geht, ist bei vielen Menschen längst angekommen. Die hohe Staatsverschuldung gibt dem Thema zusätzliche Sprengkraft. Zwar lässt sich heute noch nicht konkret sagen, wie sie sich in Zukunft auswirken wird – sicher ist aber, dass sie nicht nur die jüngere Generation, sondern auch die künftigen Ruheständler stark belasten wird. Wer im Alter seinen Lebensstandard beibehalten möchte, muss also zusätzlich zu den umlagefinanzierten Sicherungssystemen eine eigene Vorsorge aufbauen.

Dazu, meine sehr geehrten Damen und Herren, gehören zwingend Aktien. Lassen Sie mich anhand einiger Zahlen verdeutlichen, dass langfristig gesehen Aktien unbedingt zum Vermögensaufbau gehören. Im Februar 2009 erreichte der deutsche Aktienindex mit 3.900 Punkten einen Tiefstand. Schon vier Jahre später, im März 2013, hatte er 8.000 Punkte erreicht und sich somit mehr als verdoppelt. Seit dem großen Crash nach der Jahrtausendwende bis zum Höchststand im Juli dieses Jahres hat sich der Index sogar vervierfacht Trotz dieser vorzeigbaren Rendite stoßen Aktien in Deutschland auf wenig Gegenliebe: 2013 besaßen laut Deutschem Aktieninstitut knapp 14 Prozent der Deutschen Aktien oder Aktienfonds. In den USA, wo die private Vorsorge noch einen ganz anderen Stellenwert hat als hierzulande, besitzt jeder zweite Aktien. Das Problem in Deutschland scheint zu sein: Die Deutschen setzen zu sehr auf vermeintliche Sicherheit und verkaufen zu früh. Sie werden ängstlich, realisieren Verluste und meiden schließlich die Aktie. Aktuell lässt sich diese Sicherheit allerdings nur teuer erkaufen, wie wir längst wissen – mit Zinsprodukten, mit denen man unterm Strich Geld verliert. Man kauft also mit Sicherheit Verluste. Und das in einer Zeit, in der die gesetzliche Alterssicherung auf mehr als wackligen Beinen steht und die Deutschen mit einer lohnenderen Geldanlage besser fahren würden. Ich würde mir daher sehr wünschen, dass die Banken mehr Aufklärungsarbeit in Sachen Aktie leisteten. Das täte der Aktienkultur in Deutschland gut – und damit auf lange Sicht der Vermögenssituation des Anlegers. Und ein Anleger, dessen Anlagesumme sich vermehrt, wird ein zufriedener Kunde sein und wenig Anlass haben, seinen Dienstleister zu wechseln.

Kundenbindung ist das A und O bei Geschäften jeglicher Art – das gilt für die Betreuung in sensiblen Finanzfragen natürlich besonders. Wer verlässlich, klar und nachvollziehbar handelt, hat die besten Voraussetzungen, den Kunden dauerhaft an sich zu binden. Der Kunde muss das Gefühl haben, dass er fair betreut wird, nur so kann er wieder Vertrauen in die Integrität des Finanzsektors aufbauen.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch ein kniffliges Thema ansprechen – die leistungsorientierte Vergütung. Aus meiner Sicht muss es für den Kunden nachvollziehbar und transparent sein, warum zum Beispiel eine Betreuung in Kapitalmarktfragen Geld kostet und kosten muss. Der Kundenbetreuer bringt schließlich nicht nur seine Zeit ein, sondern auch eine fachspezifische Ausbildung – sein Know-how und seine Erfahrung. Umso mehr wir es schaffen, dem Kunden den Mehrwert einer bestimmten Dienstleistung zu erklären, desto größer wird seine Bereitschaft sein, dafür einen adäquaten Preis zu zahlen. Meiner Meinung nach werden auch im Zeitalter der digitalen Medien Kunden mit spezifischen Ansprüchen auf lange Sicht Fach-Know-how, Seriosität und Erfahrung zu schätzen wissen. Und gerade diese Kunden könnten Banken über intensive persönliche Kontakte eng an sich binden – vor allem in Bezug auf Themen, die individuelle Beratung und intensive Betreuung erfordern – darunter das Wertpapiergeschäft und das hochkomplexe Thema der privaten Altersvorsorge.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin überzeugt davon, dass eine kompetente, persönliche und auf Dauer ausgerichtete Kundenbetreuung der beste Garant für den Geschäftserfolg ist. Am schönsten wäre es natürlich, wenn der Kunde dank der Beratung nicht mehr darüber zu klagen brauchte, warum die Phönizier von dem schönen Geld nur so wenig erfunden haben!

Ich danke Ihnen sehr fürs Zuhören und wünsche Ihnen noch einen unterhaltsamen Abend.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Friedrich von Metzler  Friedrich von Metzler ist Partner und persönlich haftender Gesellschafter, B. Metzler seel. Sohn &Co.