Der Würfel ist gefallen, (Super-)Mario Draghi flutet die Märkte mit Geld und bringt die Europäische Zentralbank auf denselben Kurs, den bereits zuvor die US-Notenbank und die Bank of England eingeschlagen hatten, als sie im großen Stil Staatsanleihen, Treasuries und Gilts auf die eigene Bilanz nahmen: Der EZB-Präsident hat also die Euro-Notenbank endgültig von der Kette gelassen: so lassen sich die ersten euphorischen Reaktionen der Aktieninvestoren interpretieren, die seit vergangener Woche in Kauflaune sind.
Doch ganz so eindeutig ist das Bild nicht. Zum einen inkludieren die am Donnerstag beschlossenen monatlichen Anleihekäufe von 60 Milliarden Euro die bereits laufenden Kaufprogramme von ABS-Papieren durch die EZB. Zum anderen übernimmt die EZB eben nicht die Haftungsrisiken für alle Staatsanleihen, die sie auf die Bilanz nimmt, sondern nur für 20%. Das Gros der Anleihen wird von den nationalen Notenbanken übernommen. Der Schritt der EZB impliziert also nicht die Vergemeinschaftlichung der Schulden der Euroländer. Die Deutsche Bundesbank haftet in erster Linie für die Bundesschulden. Die EZB sagt also nach wie vor nein zu Eurobonds.
Interessant ist auch, dass die meisten Beobachter nicht erwähnen, was die Zentralbanker in Frankfurt auch betont haben (so, wie sie es seit Jahren tun): EZB-Direktor Yves Mersch rief im Vorfeld der EZB-Entscheidung zur Einhaltung des Stabilitätspaktes auf. EZB-Chef Draghi wiederum hob in einem Gastbeitrag für die „Wirtschaftswoche“ letzte Woche hervor, dass jeder EU-Staat in der Lage sein müsse, „komparative Vorteile im Binnenmarkt zu nutzen, Kapital anzuziehen und Arbeitsplätze zu schaffen". Dafür seien Strukturreformen, der Abbau von Bürokratie und die Anpassung der Arbeitsmärkte nötig. Finanzminister Wolfgang Schäuble hätte die deutsche Haltung nicht besser formulieren können.
Die Entscheidung der EZB, bis Ende September 2016 Anleihen im Wert von 1.100 Milliarden Euro zu kaufen, sollte natürlich nicht unterschätzt werden, zumal die Notenbank die Käufe ausdrücklich in den Zusammenhang zur Inflationsentwicklung stellte. Mit anderen Worten: Steigt die Teuerung in der Eurozone bis dahin nicht in die Nähe ihres Ziels von rund 2% wird die Notenbank weiter an der Erfüllung ihres originären Ziels arbeiten. Notfalls auch mit QE 4. Insofern haben Kritiker, die unken, Draghi habe am 22. Januar 2015 sein letztes Pulver verschossen, eindeutig das Mandat der EZB missverstanden. Sie MUSS die Inflation in die Nähe der 2-Prozent-Marke bringen.
Übrigens wird man auch bei einer wirtschaftlichen Erholung der Eurozone in den kommenden 18 Monaten vermutlich nie den wirklichen Vater des Erfolgs verorten können: Die stark gefallenen Energiepreise werden Unternehmen und Verbrauchern viel Spielraum für Investitionen und Konsumausgaben eröffnen und vermutlich mehr bringen als die Minizinsen der EZB. Auch der sehr schwache Euro wird über die Ankurbelung der Exporte helfen. Aber egal: Springt die Konjunktur an und beendet die Eurozone ihren Flirt mit der Deflation wird man dennoch Mario Draghi ein Denkmal errichten.
Wir wollen nun unserer Chronistenpflicht nachgehen. Wir haben viele Stimmen aus der Finanz- und Fondswelt gesammelt und loten nun aus, ob die Finanzprofis hinter dem Schritt der EZB einen „game changer“ sehen - und welche sich aus der Deckung hervorwagen und gegebenenfalls Änderungen in ihren Portfolios vornehmen werden.
Hier gelangen Sie zur Übersicht der Argumente der Optimisten. Vorweg verrate ich Ihnen gerne, dass sich die meisten Angelsachsen in diesem Lager befinden – britischen und amerikanischen Vermögensverwaltern war die deutsche Ausprägung der Debatte über die „richtige Strategie“ der Notenbanken in der Eurokrise schon immer fremd – ebenso wie das Phänomen der „Schwäbischen Hausfrau“.
Hier gelangen Sie zum Lager der Pessimisten und Skeptiker. Hier finden Sie – kein Wunder – häufig deutsche Stimmen. Allerdings befinden sich auch prinzipielle Befürworter der EZB-QE-Offensive, die aus ganz anderen Gründen Bedenken anmelden.
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