Auf den ersten Blick kann sich die europäische Fondsbranche über ein Rekordjahr freuen. Publikumsfonds inklusive ETFs verbuchten 2014 so hohe Nettomittelzuflüsse wie in keinem anderen Kalenderjahr zuvor. Dabei verzeichneten Langfristanlagen, also alle Fondskategorien außer Geldmarktfonds, Nettomittelzuflüsse in Höhe von gut 407,873 Milliarden Euro, wie aus den Morningstar Absatzschätzungen hervorgeht. Inklusive Geldmarktfonds beliefen sich die Nettoneuzugänge auf 444,561 Milliarden Euro. Das Fondsvermögen inklusive ETFs stieg Europaweit auf 7.012 Billionen Euro, wie aus der unteren Tabelle hervorgeht.
Tabelle: Das europäische Fondsuniversum inklusive ETF: Vermögen und Zuflüsse
Kommen wir nun zu Investmentfonds ohne ETFs, der in erster Linie aktiv verwaltete Fonds umfasst, aber auch nicht-börsennotierte Indexfonds (die Detailbilanz zu ETFs finden Sie hier). Langfristanlagen sammelten netto 364,36 Milliarden Euro ein, hinzu kommen Zuflüsse in Geldmarktfonds in Höhe von 36,76 Milliarden Euro. Um Doppelzählungen zu vermeiden, sind Dachfonds nicht in dieser Rechnung enthalten.
Hinter den spektakulär anmutenden Schlagzeilen verbergen sich auch recht spektakuläre Ungleichgewichte. Getragen wurden die Zuflüsse in erster Linie vom Verkauf von Mischfonds. Fonds, die in Aktien und Renten (und Cash) investieren, verzeichneten Zuflüsse in Höhe von 136,19 Milliarden Euro; mehr als jede andere Großgruppe unter den Langfristkategorien. Auch Rentenfonds waren ein Stabilitätsanker des Fondsvertriebs. Sie sammelten netto 123,52 Milliarden Euro ein, so viel wie seit 2012 nicht.
Alternative Fonds verbuchten Zuflüsse von 43,49 Milliarden Euro, was angesichts der deutlich geringeren Größe dieses Marktsegments beachtlich ist.
Tabelle: Das europäische Fondsuniversum ex ETFs: Vermögen und Zuflüsse
Setzen wir nur die Zuflüsse der jeweiligen Asset-Klassen ins Verhältnis zum Fondsvermögen, dann zeigt sich, dass alternative Fonds, die hedgefondsähnliche Strategien verfolgen, 2014 die stärkste Wachstumsdynamik aufwiesen. Die organische Wachstumsrate, die das Volumenwachstum aufgrund der Zuflüsse misst und marktbedingte Veränderungen ausschließt, belief sich 2014 bei alternativen Fonds auf 23,9%. 2013 betrug das organische Wachstum der Alternative-Fonds sogar 26,8%.
Mischfonds waren die am zweitstärksten wachsende Produktgruppe. Das organische Wachstum belief sich hier auf 20,49%. Gegenüber 2013 war dies noch einmal eine Steigerung um gut 3%. Der Zuwachs bei Rentenfonds war mit 7,66% ordentlich, zumal dies eine deutliche Steigerung gegenüber der 2013 erzielten Wachstumsrate von mageren 3,8% bedeutet.
Bei Aktienfonds ist Schmalhans Küchenmeister
Dagegen brach der Vertrieb von Aktienfonds deutlich ein. Sie brachten es 2014 auf eine Nettovertriebsleistung von nur 44,77 Milliarden Euro, weniger als die Hälfte des Vorjahresabsatzes. Auch das organische Wachstum von 2,2% spiegelt die Krise der größten Fondskategorie im Privatkundenvertrieb wider, die zugleich die größte Ertragsquelle der Fondsbranche ist.
Dass das Gesamtvolumen von Aktienfonds mit Fondsdomizil Europa performance-bedingt um 8,6% seit Ende 2013 gestiegen ist, dürfte von dieser Vertriebsschwäche kaum ablenken. Zum Vergleich: Aktien-ETFs verbuchten 2014 ein organisches Wachstum von über 12%.
Auch nichtbörsennotierte Indexfonds wachsen stark
Doch es kommt für die Anbieter aktiv verwalteter Aktienfonds noch dicker: Rechnet man aus den Aktienfondszuflüssen den Absatz in nichtbörsennotierten Indexfonds von 18,79 Milliarden heraus, dann verbleiben für aktiv verwaltete Aktienfonds 25,98 Milliarden Euro, was einem organischen Wachstum von nur noch 1,28% entspricht. Indexfonds ex ETF wuchsen um 10,45%, was dem Aktien-ETF-Wachstum sehr nahekommt.
Verschärft hat sich die Vertriebsflaute bei aktiv verwalteten Aktienfonds übrigens noch einmal im vierten Quartal 2014. Zwischen Oktober und Dezember mussten aktiv verwaltete Aktienfonds europaweit Abflüsse von 13,46 Milliarden Euro hinnehmen, während nicht-börsennotierte Aktien-Indexfonds Zuflüsse von 8,91 Milliarden Euro verbuchten und Aktien-ETFs 24,47 Milliarden Euro netto einsammelten.
Auch Renten-Indexfonds wuchsen in Europa 2014 mit einem Plus von 22,4%. Das verwundert nicht, da das Niedrigzinsumfeld Kunden immer preissensitiver bei Bond-Produkten machen dürfte: Hier haben Indexfonds, die nur einen Bruchteil der Kosten von aktiv verwalteten Bond-Fonds verlangen, einen natürlichen Vorteil. Dieser Trend manifestiert sich auch bei Bond-ETFs, wo die Wachstumsraten deutlich die von Aktien-ETFs übersteigen. Allerdings können sich aktiv verwaltete Rentenfonds nach wie von im Vertrieb einigermaßen behaupten. Auch wenn sie weniger dynamisch wachsen, lag die organische Wachstumsrate 2014 bei 7,2% und damit über dem Niveau von 2013.
Insgesamt hat sich 2014 ein langjähriger Trend fortgesetzt: Analog zu den kontinuierlichen Mittelzuflüssen in ETFs gewinnen auch nicht-börsennotierte Indexfonds im Vertrieb in Europa immer mehr an Bedeutung -- nicht nur bei Aktienfonds. Indexfonds (ex ETFs) sind insgesamt die großen Gewinner des abgelaufenen Jahres. Ihnen flossen über alle Asset-Klassen hinweg 35,2 Milliarden Euro zu. Das ist zwar auf den ersten Blick wenig im Vergleich zu den Zuflüssen von 366,59 Milliarden Euro in Nicht-Indexfonds. Aber relativ zum Fondsvermögen sind die Wachstumsraten bei Indexfonds hoch. Sie wuchsen 2014 mit 13,43%, doppelt so stark wie aktiv verwaltete Fonds, die ein organisches Wachstum von 6,76% erzielten.
Regulierung forciert Wachstum von ETFs
Manifestiert sich hier eine Krise des aktiven Fondsmanagements? In gewisser Weise schon, aber man muss auch hier Differenzieren. Sofern dies eindeutig zuzuordnen ist, scheint sich das Wachstum der Indexfonds vor allem auf solche Märkte zu konzentrieren, die einen Strukturwandel im Vertrieb zu verzeichnen haben. Die Schweiz und Großbritannien sind die beiden Märkte, in denen das Wachstum der Indexfonds besonders stark ist. Index-Publikumsfonds, die nur in Großbritannien vertrieben werden, sammelten netto 13,02 Milliarden Euro ein. Dies entspricht einem Wachstum von 16,88%. Seit Anfang 2013 gilt in Großbritannien das Provisionsverbot. Das bedeutet, dass Berater dort nicht mehr vom Produktanbieter über Kickbacks aus der Management-Gebühr von Fonds bezahlt werden, sondern Anlegern ein Honorar für die Beratung in Rechnung stellen.
Der zweitgrößte Absatz von Indexfonds erfolgte in der Schweiz. Indexfonds, die nur in der Schweiz vertrieben werden, konnten 2014 Nettomittelzuflüsse in Höhe von 9,97 Milliarden Euro verbuchen, was einem organischen Wachstum von 17,83% entspricht. Auch bei den Eidgenossen steht das langjährige Kickback-basierte Geschäftsmodell im Finanzvertrieb seit dem Urteil des Bundesgerichts vom 30. Oktober 2012 in Frage (streng genommen sogar seit dem Bundesgerichts-Urteil vom März 2006). Demnach haben Anleger mit einem Vermögensverwaltungsmandat nicht nur Anspruch auf die Erstattung von Retrozession, welche die Bank von konzernfremden Produktanbietern vereinnahmt hat, sondern auch die Retrozessionen aus hauseigenen Produkten. Auch wenn dies nicht direkt alle Formen von Kickbacks betreffen muss, lässt die aktuelle Debatte (bzw. die Konsequenzen aus dieser) darauf schließen, dass die Vereinnahmung von Kommissionen auch bei Anlagefonds im Rückzug begriffen ist.
Die Anbieter von aktiv verwalteten Aktienfonds in Deutschland und Österreich können also vorerst aufatmen. Auch wenn ETFs und andere Indexfonds bei Privatanlegern hierzulande immer beliebter werden, handelt es sich eher um einen schleichenden Prozess und beileibe nicht um ein Erdbeben. Allerdings ist Entwarnung fehl am Platze – da sich Anleger bei Aktienfonds zurückhalten, wird ein künftiger Rücksetzer an den Märkten gleich doppelt wirken: Zum einen werden die Zuflüsse bei Aktienfonds fehlen (sofern sie nicht bei einem Kursrückgang auf breiter Front sogar in Abflüsse umschlagen), und zum anderen wird das Vermögen in Aktienfonds auch absolut gesehen abnehmen, was die Gewinne der Unternehmen umgehend negativ beeinträchtigen würde.
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