Chinesische Festlandsaktien dürften in den kommenden Monaten für viele Schwellenländer-Investoren eine deutlich größere Bedeutung bekommen als bisher. Die Ankündigung von MSCI Anfang dieser Woche, wonach die sogenannten A-Aktien auch außerhalb der jährlichen Indexklassifizierungs-Runden Eingang in globale und chinesische MSCI Indizes finden könnten, hat entsprechende Erwartungen geweckt. In der jüngsten Index-Klassifizierungsrunde Ende Mai wurden China-A-Aktien erwartungsgemäß nicht aufgenommen. Der Indexanbieter und die chinesische Aufsichtsbehörde (CSRC) werden zunächst eine Arbeitsgruppe bilden, um ausstehende Fragen, die vor allem die weitere Liberalisierung des chinesischen Kapitalmarkts betreffen, zu klären.
Aus einer Billion Dollar mach 2,4 Billionen
Damit ist absehbar, dass dieses Mammutsegment sukzessive in die globalen Finanzmärkte integriert wird. Aktuell beläuft sich die Marktkapitalisierung der frei handelbaren A-Aktien auf etwa 1,4 Billionen US-Dollar. Hinzu kommen 1,0 Billionen Dollar, die Hongkong-Aktien auf die Waage bringen. Gemessen am US-Aktienmarkt, der eine Markkapitalisierung von rund 20 Billionen Dollar aufweist, ist das wenig, aber im Vergleich zu den anderen Schwellenländer-Märkten ist das sehr viel.
Bereits jetzt liegt ein Fahrplan vor, der eine Inklusion von zunächst 5% des A-Aktiensegments, das die in Shanghai und Shenzhen gelisteten Aktien umfasst, in den MSCI Emerging Markets Index vorsieht. Eine entsprechende Simulation von MSCI sieht demnach vor, dass der Anteil von A-Aktien im ersten Schritt 1,3% des MSCI Emerging Markets und 4,2% des MSCI China -- per Schlusskursen vom 29. Mai. -- ausmachen wird. In beiden Indizes sind A-Shares derzeit nicht enthalten.
Milliardenzuflüsse in A-Shares sind absehbar
Es ist vollkommen klar, dass bereits in den kommenden Monaten substanzielle Zuflüsse in dieses aufstrebende Aktiensegment zu erwarten sind. Angesichts der Tatsache, dass weltweit nach unseren Schätzungen 716 Milliarden US-Dollar in diversifizierten Schwellenländer-Aktienfonds investiert sind -- davon stecken bereits 181 Milliarden Dollar in Indexfonds --, werden die Umschichtungen sehr hohe Zuflüsse zur Folge haben.
Nach unseren Berechnungen stecken weltweit 452 Milliarden Dollar in aktiven Fonds, ETFs und nicht-börsennotierten Indexfonds, die den MSCI Emerging Markets als Benchmark haben. Eine hypothetische Gewichtung der A-Aktien von 1,3% im Index würde also per Stand heute einen Zufluss von rund sechs Milliarden Dollar in diese Fonds bewirken und einen erneuten Run auf das schon heute hoch bewertete Aktiensegment auslösen. (A-Aktien haben in den vergangenen 12 Monaten bereits um rund 200% zugelegt!) Aktien aus dem A-Segment weisen inzwischen satte Prämien gegenüber Aktien desselben Unternehmens auf, die in Hongkong gelistet sind. Ein Aktien-Segment, das schon heiß gelaufen ist, verspricht also noch heißer zu werden!
Die MSCI Road Map sieht den möglichen A-Shares Anteil im MSCI Emerging Markets in zwei weiteren Schritten auf bis zu 20,5 Prozent wachsen. Dies setzt allerdings eine vollständige Beseitigung des derzeitigen Quotensystems vor, das den Zugang ausländischer Investoren zu Festlandsaktien begrenzt sowie die Abschaffung von Kapitalverkehrskontrollen und eine vollständige Implementierung internationaler Standards. Das zeigt, dass der letzte Schritt der MSCI Road Map Zukunftsmusik ist.
Das Gewicht von China-Aktien in Schwellenländer-Indizes wird steigen
Dennoch sollten Anleger das steigende Gewicht Chinas im MSCI Emerging Markets im Auge behalten. Allein der erste Schritt auf dem Weg zur vollen Inklusion des A-Aktiensegments in den MSCI Emerging Markets Index, der bereits vor Juni 2016 vollzogen werden könnte, würde den Anteil chinesischer Aktien im breiten Schwellenländer-Index von derzeit 25,3% auf rund 30% erhöhen. Die noch weit in der Zukunft liegende vollständige Integration des A-Aktien-Segments würde -- ceteris paribus -- den China-Anteil im MSCI Emerging Markets per Stand heute auf gut 43% katapultieren!
Dabei sind die Umschichtungen der MSCI Indizes nur ein Teil des Bildes. So hat beispielsweise der Indexfondsanbieter Vanguard, der sich am Indexanbieter FTSE orientiert, angekündigt, bis Ende dieses Jahres A-Aktien in seinen Emerging-Markets-Portfolios zu berücksichtigen. Der 67 Milliarden Dollar schwere (in den USA domizilierte) Vanguard Emerging Markets Stock Index Fund wird per Jahresende zu rund 6% aus A-Aktien bestehen.
Es stellt sich die Frage, wie die verschiedenen Indexfonds- und ETF-Anbieter diesen Übergang bewerkstelligen werden. Vanguard wird eine sukzessive Umschichtung vornehmen, um einen möglichst reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Vorexerziert haben es die Amerikaner am Beispiel von Südkorea-Aktien. Diese machten bis vor wenigen Jahren 13% des Vanguard Emerging Markets Stock Index Fund aus und wurden in einem sechsmonatigen Zeitraum sukzessive abgebaut, da Südkorea nicht länger als Schwellenland definiert wurde (in MSCI Schwellenländerindizes ist Südkorea dagegen nach wie vor enthalten).
Ausländische Anleger haben ihre Quoten nur hälftig ausgeschöpft
Auch MSCI hat bereits angekündigt, dass die Umstellung der Indizes schrittweise und damit möglichst marktschonend von statten gehen wird. Diese Entwicklung wird sich nicht nur auf Indexfonds beschränken. Auch die Manager aktiv verwalteter Fonds haben in der Regel ihren Vergleichsindex im Blick. Sie werden ebenfalls mehr oder weniger stark in A-Aktien investieren, sobald „ihr“ Index ihnen es vormacht. Ungeachtet der Hausse bei A-Aktien geben die offiziellen Quoten noch einiges her. Gemäß einer Aufstellung von MSCI haben ausländische Investoren im Rahmen der drei ihnen offenstehenden Wege (QFII, RQFII und Stock Connect) nur zwischen 42% und 50% ihrer Quoten ausgeschöpft. Der Run ausländischer Investoren auf China-A-Aktien kann also weitergehen.
Mitarbeit: Patricia Oey
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