Strategic Beta in Europa: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Wie wichtig sind ETFs, die alternative Indizes abbilden, in Europa wirklich? Eine Übersicht über die Fakten: Vermögen, Mittelflüsse, Wachstumsdynamik.

Ali Masarwah 27.11.2015
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Das Thema Strategic Beta ist in aller Munde. Die Frage, ob ETFs Anlegern nicht nur einen einfachen, transparenten und günstigen Zugang zum Kapitalmarkt verschaffen, sondern auch aktiven Managern mit entsprechend sophistizierten Ansätzen das Leben schwer machen können, treibt Anleger, Berater und auch die Vermögensverwaltungsindustrie um. Strategic Beta Produkte versprechen, ein besseres Rendite- bzw. Risikoprofil zu erzielen als herkömmliche, marktkapitalisierungsgewichetete Indizes oder aber Defizite traditioneller Benchmarks zu eliminieren, so etwa der Fall bei rolloptimierten Rohstoff-Indiizes (mehr zur Systematisierung von Strategic Beta Produkten finden Sie hier). 

Fangen wir mit einer Übersicht über die Fakten an, die den Markt für Strategic Beta ETFs in Europa ausmachen.   

Viele neue Produkte, wenig Vermögen

Zunächst zur Auflagebilanz. Der Zuwachs an neuen Produkten spiegelt den Hype um Strategic Beta tatsächlich wider: Kamen in Europa 2012 nur 13 und 2013 elf neue Strategic Beta Produkte auf den Markt,  waren es 2014 schon 36, und in diesem Jahr wurden bis Mitte Oktober sogar 54 Strategic Beta ETFs aufgelegt. Inzwischen haben wir in Europa 197 ETFs gezählt, die Merkmale von Strategic Beta-Produkten zuordnen. Die Anzahl der Produkte wächst also rasant. Allerdings ist das Volumenwachstum bei den meisten Produkten bisher noch bescheiden. In den 54 neuen, 2015 aufgelegten Produkten stecken gerade einmal 1,87 Milliarden Euro. Das sind im Schnitt 35,2 Millionen Euro. Die 36 Produkte, die 2014 auf den Markt gekommen sind, bringen es immerhin auf 3,99 Milliarden Euro, was einem durchschnittlichen Vermögen von gut 110 Millionen Euro entspricht. 

Insgesamt waren per Ende Oktober 29,82 Milliarden Euro in den 197 europäischen Strategic Beta Produkten investiert. Dies entspricht einem Anteil von 6,4 Prozent am gesamten europäischen ETF-Markt. Dabei steckt das Gros der Mittel --- nämlich 22,9 Milliarden Euro --- in Strategic Beta Strategien, die das Ziel haben, eine bessere Rendite zu erzielen als vergleichbare, marktkapitalisierungsgewichtete Indizes. Strategien, die ein günstigeres Risikoprofil anstreben,  weisen ein Vermögen von 3,9 Milliarden Euro auf, „sonstige“ Strategic Beta Strategien brachten es per Ende Oktober auf 2,6 Milliarden Euro.

Ein Blick auf die Strategien im Einzelnen zeigt, dass in Europa Dividenden-ETFs den Strategic Beta Markt dominieren. Sie machen rund 60% des Vermögens der alternativen Indextrackern aus. Diese Produkte ordnen wir den Rendite-orientierten Produkten zu. Auffällig ist dabei, dass Dividenden-ETFs in den USA eine viel geringere Bedeutung für Anleger haben als in Europa, wie aus der unteren Grafik hervorgeht. In den USA sind eher Growth- und Value-Strategien im Fokus der Anleger, was angesichts der langen Tradition dieser Investmentstile jenseits des Atlantik nicht verwundert. 

In Europa haben auch Minimum Variance bzw. Minimum Volatility ETFs ein größeres Gewicht als in den USA. Alternativ gewichtete Rohstoff- sowie Quality-(Aktien-)ETFs machen in Europa ebenfalls einen größeren Anteil am Strategic Beta Markt aus als das in den USA der Fall ist.

Graphik: Das Gewicht der verschiedenen Strategic Beta Strategien im Vergleich 

 

Mittelflüsse sind überdurchschnittlich

Setzen wir nun die Mittelflüsse in Strategic Beta Produkten ins Verhältnis zum Gesamtmarkt. Im laufenden Jahr gingen diesen Produkten netto 5,87 Milliarden Euro zu. Das entspricht einem Anteil von 9,8 Prozent an den Zuflüssen in alle europäischen ETFs. Nun sind 9,8% mehr als der Anteil am verwalteten Vermögen (wir erinnern uns: es sind 6,4 Prozent), überbordend ist der Vertriebserfolg freilich nicht. 

An dieser Stelle bietet sich der Vergleich zu den USA an. Dort sind Strategic Beta tatsächlich ein substanzieller Wachstumsfaktor der ETF-Branche. In den USA entfielen per Ende Oktober 21,5 Prozent des in ETFs verwalteten Vermögens auf Strategic Beta ETFs. Deutlich dynamischer fallen auch die Zuflüsse in den USA aus, wo in diesem Jahr bisher 28,5% der ETF-Nettomittelzuflüsse auf diese Produkte entfielen. 

Um ein wenig mehr die Entwicklung der Dynamik der Zuflüsse nachzuvollziehen, kommen wir nun zur organischen Wachstumsrate. Sie besagt, vereinfacht gesagt, den Anteil der Mittelflüsse am verwalteten Vermögen in einem definierten Zeitraum. Damit werden also die Markteinflüsse als Wachstumsfaktoren außen vor gelassen. 

Setzen wir nun die Wachstumsdynamic der drei Strategic Beta Kategorien ins Verhältnis zum Wachstum der klassischen, marktkapitalisierungsgewichteten ETFs. Wie aus der unteren Tabelle hervorgeht, wachsen alle drei Strategic Beta Kategorien stärker als herkömmliche ETFs. Das verwundert nicht, da die Dynamik des Wachstums den Gesetzen der großen Zahlen folgen: Je größer eine Fondskategorie ist, desto träger fällt das Wachstum aus. Interessant ist eher die Tatsache, dass der Abstand zwischen klassischen ETFs und zwei von drei Strategic Beta ETFs Kategorien recht gering ist: Rendite-orientierte Strategien und „sonstige“ Strategic Beta Produkte wuchsen zuletzt nicht sehr viel dynamischer als die „Klassiker“. 

Risiko-orientierte Produkte sind dagegen die Dynamiker mit deutlich höheren Wachstumsraten. Allerdings wurden dieser Produktgruppe vor allem in diesem Jahr gehörig die Flügel gestutzt. Zudem nimmt die Wachstumsdynamik bei dieser Gruppe kontinuierlich ab, so dass 2015 nicht unbedingt als Ausreißer nach unten bezeichnet werden muss.

Grafik: Wachstumsdynamik der drei Strategic Beta Gruppen

Wachstum in %, Daten per 31.10.2015, Quelle: Morningstar Direct

 

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich