Bei Investoren weckt das Thema China in diesen Tagen eher ungute Assoziationen. Seien es Meldungen zur chinesischen Wirtschaft (schwächelt auf hohem Niveau), zum Renminbi (Abwertung setzt sich unverändert fort), negative Kapitalflüsse aus China (chinesische Investoren sehen sich zunehmend im Ausland nach Investments um) oder die Börsen in China selbst (lokale Märkte haben gut 40% in zwölf Monaten verloren): China befindet sich derzeit im Strudel eines höchst negativen Newsflows.
Inmitten von so viel Tristesse schien die Aussicht, dass der Indexanbieter MSCI chinesische Festlandsaktien, so genannte A-Shares, in seine globalen und regionalen Emerging Markets Benchmarks aufnehmen könnte, das Zeug zu haben, China-Investments aus dem Tal der Tränen zu holen. Die mögliche Aufnahme von A-Shares in Indizes wie den MSCI Emerging Markets oder MSCI Asia ex Japan wurde im Vorfeld Heiß debattiert und dabei vielfach als bedeutsames Ereignis hervorgehoben. Aktuell sind chinesische A-Shares nicht in diesen Barometern enthalten. Das hätte sich schrittweise geändert.
Inklusive A-Shares würden China-Aktien den MSCI Emerging Markets dominieren
Laut MSCI-Szenario hätten zunächst 5% des Festlandsegments Aufnahme im MSCI Emerging Markets, der wichtigsten Schwellenländer-Aktienbenchmark, gefunden. Nach heutigem Stand wären diese 5% auf eine A-Shares-Quote von 1,1% in der Benchmark hinausgelaufen. Per Ende April wies der Index eine Marktkapitalisierung von 3,65 Billionen US-Dollar auf. Bei voller Berücksichtigung aller A-Shares würde die Quote demnach auf 18,2% des MSCI Emerging Markets Index steigen. Das entspräche einer gesamten China-Quote von knapp 40%, machen doch Hongkong-Aktien und andere chinesischen Listings weltweit bereits 25% der Benchmark aus.
In der regionalen Benchmark Asien ex Japan läge der China-Anteil inklusive A-Shares sogar bei maximal gut 45%. Sowohl ETFs als auch aktive Fonds würden dann in großem Umfang als Käufer auf den Plan treten und die Kurse pushen, so die Überlegungen der China-Optimisten.
Hätte, würde, wäre: Am Dienstagabend entschied MSCI, diese Schritte, die ab 2017 hatten umgesetzt werden können, doch nicht einzuleiten. Es bestehe, so der Indexanbieter, Verbesserungsbedarf hinsichtlich des Zugangs ausländischer Investoren zu diesem Segment, und er monierte die noch bestehenden Handelsbeschränkungen. Vorerst müssen A-Aktien also draußen bleiben. Sind damit die Hoffnungen auf eine Erholung von China-Aktien geplatzt?
Gemach. Es gibt keinen Grund, diese Entscheidung als negativ für China-Aktien und für Anleger einzuordnen. Zum einen ist es im Zweifel im Interesse der Anleger, wenn der chinesische Markt zunächst weiter liberalisiert und die Investitionssicherheit für ausländische Anleger verbessert wird, bevor ein bereits Großes China-Gewicht zu einer dominanten Position in den regionalen und globalen Schwellenländer-Indizes auswächst. Die grobschlächtig bis hilflosen Reaktionen der chinesischen Aufsicht auf den Ausverkauf von A-Aktien in den vergangenen 12 Monaten zeigen, dass es für ausländische Investoren keinen Grund zur Eile gibt.
Emerging Markets Fonds sind traditionell in China untergewichtet
Zum anderen hätte eine Inklusion von chinesische A-Aktien in die betreffenden MSCI-Indizes nicht zwangsläufig einen Run aktiv verwalteter Fonds auf China-A-Shares nach sich gezogen, wie es viele Beobachter offenbar erhofft hatten. Eine Auswertung unserer Datenbank zeigt eine langfristige, systematische Untergewichtung von China-Aktien (ex A-Shares) in aktiv verwalteten Fonds. Viele Fondsmanager fahren eine eher wohl temperierte China-Wette. Wenn das schon beim gut regulierten Hongkong-Segment der Fall ist, wäre das vermutlich umso mehr beim deutlich schwächer regulierten A-Segment der Fall.
Kommen wir zu unserer kleinen Auswertung. Unsere Datenbank enthält 530 aktiv verwaltete Emerging Markets Aktienfonds, die in Europa aufgelegt wurden und per Ende April ein Vermögen von gut 135 Milliarden Euro aufweisen. Davon lagen Portfoliodaten zu rund 300 Fonds vor. Wie aus der Auswertung hervorgeht, waren China-Aktien in den vergangenen fünf Jahren zu jedem Zeitpunkt untergewichtet, und zwar überwiegend deutlich. Die untere Grafik zeigt das relative Gewicht von China Aktien (gemäß MSCI-Definition) in Schwellenländer-Standardwertefonds im Vergleich zum MSCI Emerging Markets Index.
Grafik: Wie China-Aktien in Emerging Markets Fonds gewichtet sind
Per Ende April lag die Untergewichtung im Schnitt bei gut 5,13 Prozentpunkten. Seit Mai 2011 waren China-Aktien in Schwellenländerfonds durchschnittlich um 3,7 Prozentpunkte gegenüber der MSCI Benchmark untergewichtet. Die Trendlinie der Monatsdaten zeigt dabei nach unten. Das illustriert, dass aktive Fonds die steigende Gewichtung von China-Aktien im MSCI Emerging Markets seit 2011 nur unterproportional nachvollzogen haben.
Angesichts dieser Untergewichtung spricht viel für die These, dass auch eine Entscheidung von MSCI für eine Inklusion von A-Shares in die wichtigen Indizes ab 2017 keinen Run der Manager aktiv verwalteter Schwellenländerfonds auf diese Aktien ausgelöst hätte.
Doch die China-Optimisten mögen sich trösten. China-Aktien sind ungeachtet der Zurückhaltung vieler aktiver Fondsmanager per Ende April mit durchschnittlich 18,5% die größte Position in Schwellenländerfonds. Bei etlichen der in Hongkong gelisteten China-Aktien handelt es sich übrigens um Zweitlistings. Viele sind also auch an den Börsen in Shenzhen und Shanghai notiert. Im Durchschnitt sind die Bewertungen an den beiden abgeschotteten chinesischen Festlandsmärkten allerdings im Schnitt deutlich teurer als die identischen, in Hongkong gelisteten Aktien. Anleger in Schwellenländerfonds sind also zum einen schon jetzt mit von der Partie - und haben dabei überwiegend deutlich tiefere Preise gezahlt als chinesische Anleger, denen nur das teure Festlandssegment offensteht.
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