Anleger, denen das Thema Nachhaltigkeit wichtig ist, haben typischerweise nur sehr kleinteilige Ausschnitte der Realität vor Augen: Sofern sie den Zugang zu Nachhaltigkeits-Research haben, können sie prüfen, welche Unternehmen eine gute Nachhaltigkeits-Bilanz aufweisen. Über Nachhaltigkeits-Fonds können Anleger einen mehr oder weniger diversifizierten Zugang zu Körben erhalten, die auf Nachhaltigkeits-Aktien bzw. Bonds von Unternehmen oder Ländern mit guten Nachhaltigkeitsbilanzen setzen. Mit unseren Morningstar Sustainability Ratings, die wir vor einigen Monaten lanciert haben, können Anleger auch die Nachhaltigkeits-Bilanz einer sehr breiten Anzahl an Fonds überprüfen, auch von solchen, die kein Nachhaltigkeits-Mandat haben.
Doch wie sieht das große Ganze aus? In welchen Ländern finden sich die meisten Unternehmen mit einer guten Nachhaltigkeits-Bilanz? Diese Frage ist nicht trivial, und sie wurde bisher nicht hinreichend beantwortet. Vergegenwärtigt man sich, dass es sich bei den meisten Nachhaltigkeitsfonds, egal, ob sie aktiv oder passiv gemanagt sind, um global investierende Produkte handelt, dann wird klar, dass Anlegern der Überblick fehlt – es hapert bei der Top-down-Perspektive.
Morningstar Sustainability Atlas für die Top-down-Perspektive
Mein Kollege Francesco Paganelli aus unserem Mailänder Büro hat sich deshalb die Nachhaltigkeits-Bilanz auf Länder-Ebene angeschaut und dafür die 35 wichtigsten Morningstar Länder-Indizes analysiert. Im frisch veröffentlichten „Morningstar Sustainability Atlas“ kommt das identische Verfahren zum Einsatz, mit dem wir auch Investmentfonds auf ihre ESG-Bilanz prüfen -- das Akronym steht für „Environmental“ (Umweltbilanz), „Social“ (soziale Faktoren) und „Governance“ (Grundsätze der guten Unternehmensführung).
Im Gegensatz zum Morningstar Sustainability Rating werden in unserem Nachhaltigkeits-Atlas keine relativen Bewertungen entlang der fünfstufigen Rating-Skala vergeben, sondern die Portfolio Sustainability Scores der Indizes gemessen. Schließlich geht es hier nicht darum, die Nachhaltigkeitsbilanz eines Index relativ zu aktiv verwalteten Fonds einer Kategorie zu ermitteln, sondern darum, die Nachhaltigkeit von Regionen bzw. den an ihren Börsen gelisteten Unternehmen zu vergleichen.
Kommen wir nun zu den Ergebnissen unserer Untersuchung, die nach Quintilen sortiert und entsprechend farblich gekennzeichnet sind. Die beste Nachhaltigkeits-Bilanz auf Länderebene weist Portugal auf. Das Screening des Morningstar Portugal Index ergab einen Sustainability Score von 67,5 auf einer Skala von null bis 100. Diese gute Bilanz geht nicht nur auf die ESG-Qualitäten portugiesischer Unternehmen zurück, sondern auch auf die Tatsache, dass die Unternehmen dort kaum nennenswerte Kontroversen und Skandale hervorgebracht haben. Zur Erinnerung: Der Morningstar Sustainability Score setzt sich aus dem ESG-Score, also der ESG-Bilanz, abzüglich des Controversy Score, des Abschlags, der aufgrund von Skandalen und Kontroversen vorgenommen wurde, zusammen.
Die anderen Highlights kommen indes wenig überraschend: Unternehmen aus den skandinavischen Ländern und den Niederlanden liegen sehr weit vorn im Ranking, wie aus der unteren Grafik hervorgeht. Der Dänemark-Länderindex weist mit einem Score von 65,9 Punkten die zweitbeste Bilanz unseres Atlas auf, gefolgt von den Niederlanden (60,9). Dies wird auf einen Blick durch die dunklere farbliche Kennzeichnung deutlich.
Unspektakulär fällt die Bilanz der Deutschland-, Österreich- und Schweiz-Länderindizes aus, die sich immerhin in der oberen Hälfte des Länder-Rankings bewegen.
Grafik: Der Morningstar Sustainability Atlas im Überblick
Die beste Bilanz unter den Schwellenländern weist der Länderindex Südafrika mit 53,4 Punkten aus.
Wenig überraschend schneidet der russische Aktienmarkt mit 38,5 Punkten am schlechtesten in unserer globalen Untersuchung ab. Die zweitschlechteste Bilanz hat der Morningstar China Index mit 39,1 Punkten.
Geht man nach Länder-Clustern, dann zeigen die Indizes der Eurozonen-Länder das günstigste Nachhaltigkeitsprofil. Die USA und Kanada kommen nur auf Scores von 47,0 bzw. 49,6. Auch die Länder-Indizes für Südostasien bleiben häufig unter der 50-Punkte Schwelle und weisen damit eine unterdurchschnittliche Nachhaltigkeitsbilanz auf.
Verlassen wir nun die Ebene der Sustainability Scores und steigen wir eine Ebene tiefer ein. Wir kommen zu den ESG Scores, welche die noch nicht um Kontroversen bereinigte ESG-Bilanz zeigt. Hier zeigen sich einige Veränderungen gegenüber der Meta-Ebene. Dänemark toppt nunmehr das Ranking nach ESG Scores, gefolgt von Portugal und den Niederlanden. Die Länder-Indizes für Frankreich und Italien machen einen Sprung nach vorn, wie auch Deutschland und die Schweiz.
Grafik: Die ESG Scores von 35 Morningstar Indizes
Kommen wir nun zu den Kontroversen, welche die ESG-Bilanz der Länderindizes belasten. Am stärksten von Skandalen und Kontroversen belastet ist der Schweiz-Index. Der Controversy-Abschlag beläuft sich auf 8,8 Punkte. Der zweithöchste Controversy-Score weist der Index für israelische Aktien auf (8,6), gefolgt von Großbritannien (7,7). Auch die Länderindizes für Russland und Deutschland liegen im schlechtesten Quintil.
Grafik: Skandal-Bilanz nach Morningstar Indizes
Im zweiten Teil des Artikels gehen wir auf die ESG-Bilanz der Indizes im Einzelnen ein. Lesen Sie hier weiter.
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