Es gibt etliche Anzeichen, dass tiefgreifende Umwälzungen in den Asset- und Wealth-Management Branchen im Gange sind. Seit der Finanzkrise werden die beiden Erfolg verwöhnten Branchen an die Kandare der Regulierer genommen. Nachdem die europäischen Fondsregulierungswerke UCITS III und UCITS IV viel für die Deregulierung und paneuropäische Integration geleistet hatten, wurde mit UCITS V, auch als Reaktion auf den Madoff-Skandal, der Verbraucherschutz akzentuiert. Das gilt auch für den Vertrieb. Hier steht die EU-Richtlinie Mifid II im Vordergrund, die es der Finanzdienstleistungsindustrie zunehmend schwierig machen wird, hochmargige Produkte zu vertreiben, weil Anleger die volle Transparenz über die Kosten von Investments erhalten.
Sichtbarste Merkmale der Veränderungen sind erodierende Margen im Beratungsgeschäft auf der einen Seite. Auf der anderen Seite zeigt sich die Vermögensverwaltungsbranche über die hohe Nachfrage nach Indexfonds verunsichert. Anleger kaufen zunehmend ETFs und andere Indexfonds und stossen (teure) aktiv verwaltete Fonds ab. Das ist in den USA besonders markant. Zunehmend kommen auch neue automatisierte Geschäftsmodelle im Vertrieb – Stichwort: Robo-Advisor - sowie im Back- und Mid Office zum Einsatz.
Diese Veränderungen standen im Fokus der Konferenz Finance 2.0 in Zürich am 14. November. Zahlreiche Newcomer, aber auch die so genannten Incumbents, also die Platzhirsche a la UBS, fanden sich im Grosskino Kosmos zusammen und diskutierten über neue Geschäftsmodelle und innovative Prozesse und Produkte im Wealth Management. (Eine Übersicht zur Agenda der Konferenz finden Sie hier).
Künstliche Intelligenz für eine breitere Research-Abdeckung
In dieser Hinsicht lieferte Morningstar mit einem Vortrag über künstliche Intelligenz im Research eine andere Perspektive, die zwar nicht unmittelbar Bestandteil der Veränderungen im Wealth Management ist, aber als Entwicklung in der „Zulieferindustrie“ mittelbare Folgen hat, und zwar positive, weil der Einsatz von Big Data mehr Effizienz bringt und zugleich eine breitere Coverage ermöglicht. Lee Davidson, Leiter des quantitativen Researchs bei Morningstar, war aus Chicago per Skype-Videokonferenz zugeschaltet und stellte dem Auditorium die wichtigsten Aspekte unseres quantitativen Aktien-Researchs vor. Es basiert darauf, das Research unserer 120 Aktienanalysten zu replizieren.
Zur Erinnerung: Morningstar veröffentlicht nicht nur umfangreiches Research zu Anlagefonds und ETFs, sondern verfügt ebenfalls über ein streng systematisches Bewertungssystem für Aktien. Es basiert auf dem Research unserer rund 120 Analysten, die eine Prognose der zukünftigen Cashflows von Unternehmen vornehmen. Dabei werden weltweit branchen- und unternehmensspezifische Faktoren mit einbezogen. Die Gewinn- und Verlustrechnung, die Bilanz sowie die Schätzungen zur Investitionstätigkeit des betreffenden Unternehmens werden anschließend in unsere selbst entwickelten Vorlagen für die Modellierung der diskontierten Zahlungsströme (Discounted-Cash-Flow-Verfahren, DCF) eingegeben. Ziel ist die Identifizierung von Aktien, die mit einem Abschlag bzw. zu einem Aufschlag gegenüber ihrem intrinsischen Wert, also ihrem „Fair Value, gehandelt werden. (mehr zu unserem Aktien-Research lesen Sie hier).
Weil unser Analyseansatz streng systematisch vorgeht, haben wir in den vergangenen Jahren ein quantitatives Verfahren entwickelt, das es ermöglicht, das qualitative Vorgehen unserer Analysten mithilfe eines quantitativen Modells zu simulieren. Dies ermöglicht es, die Marktabdeckung unseres Aktien-Researchs wesentlich zu erhöhen und Unternehmen in allen Kapitalisierungsstufen (Large, Mid und Small Caps) global zu erfassen. Lee Davidson machte dabei klar, dass es uns nicht darum geht, mit unserem quantitativen Aktien-Research Aktienanalysten durch Maschinen zu ersetzen. „Vielmehr wird der Bewertungsalgorithmus unseres quantitativen Modells von den Research-Ergebnissen unserer Analysten gespeist und laufend weiterentwickelt“, hob er hervor.
Es uns nicht darum, mit unserem quantitativen Research Aktienanalysten durch Maschinen zu ersetzen
Die Analyse basiert auf der Analyse riesiger Datenmengen. Dabei decken die so genannten Input-Parameter die Eigenschaften von Unternehmen ab, die für unsere Analysten wichtig sind. Diese werden in einem so genannten Random-Forest-Verfahren verarbeitet. Somit wird das Research unserer Aktienanalysten simuliert. Die Folgen sind klar: Das analysierte Aktien-Universum ist mittels dieser Simulation dramatisch grösser geworden: Statt 1.500 Aktien werden nunmehr über 58.000 Aktien weltweit abgedeckt. Das ermöglicht es beispielsweise, auch deutsche Microcaps im neuen Scale-Segment der Deutschen Börse auf ihre Attraktivität zu überprüfen – ohne, dass dahinter ein Analyst aus Fleisch und Blut stehen würde. Denn ob deutsche Microcaps oder amerikanische Blue Chips: Die Mechanismen des Marktes und Erfolgsmerkmale von Unternehmen sind ein universelles gut.
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