Zurzeit gibt es Probleme mit unserem Portfolio Manager-Tool. Wir arbeiten an einer schnellen Lösung. Danke für Ihre Geduld.

Kohle, Porno, Kernenergie: Wieviel davon darf in Fonds stecken?

Zum Start unseres Nachhaltigkeits-Ratings haben wir einen fortlaufenden Ausbau unseres ESG-Researchs angekündigt. Wir sind nunmehr in der Lage, neben dem Nachhaltigkeitsprofil von Fonds auch ihren Investmentanteil an 15 ESG-relevanten Geschäftsbereichen abzubilden. Es geht unter anderem um: Kohle, Kernenergie, Palmöl und Tierversuche. Eine Übersicht.

Ali Masarwah 22.12.2017
Facebook Twitter LinkedIn

Nachhaltigkeit, zu Englisch Sustainability, gewinnt für viele Menschen zunehmend an Bedeutung. Immer neue Umfragen zeigen, dass Bürger besorgt sind über den Klimawandel, die Umweltzerstörung, den Umgang von Firmen mit ihren Mitarbeitern und wie sie sich sozial engagieren. Diese Themenfelder werden oft mit dem Akronym „ESG“ zusammengefasst. Dahinter stehen die englischen Begriffe: Environment, Social und Governance. Beim Thema Nachhaltigkeit geht also nicht nur um den Umweltschutz, sondern es setzt sich immer mehr eine ganzheitliche Begriffsbestimmung durch. Dabei stehen nicht nur um finanzielle, sondern auch nichtfinanzielle Faktoren bzw. Eigenschaften im Fokus von ESG-Investments. 

Im Frühjahr 2016 haben wir das Morningstar Sustainability Rating lanciert, hinter dem eine ausgefeilte Analyse des Nachhaltigkeitsprofils von Fonds steht. Unser Research hilft Anlegern, nachhaltige Aspekte beim Investieren zu adressieren und die entsprechenden Transparenz-Hürden bei der Fondsanalyse zu überwinden. Unser Research erlaubt es Investoren zum einen, den Praxistest bei Nachhaltigkeitsfonds zu machen. Mit dem Einsatz des Ratings können Anleger prüfen, ob ein ESG-Fonds seinem Mandat gerecht wird. Zum anderen erlaubt es einen Blick auf das gesamte Fondsuniversum durch die ESG-Brille – denn wir kalkulieren das Sustainability Rating für alle Fonds, sofern wir Informationen über deren Portfoliodaten haben. Damit können sich Anleger und Berater auch ein Bild über das Nachhaltigkeitsprofil konventioneller Fonds machen. 

Holding-basierte Analyse greift auch bei Industrie-Clustern 

Wir haben zum Start des Ratings angekündigt, unser Research fortlaufend auszubauen. Zum Start hatten wir 20.000 Fonds weltweit erfasst, nunmehr analysieren wir das Nachhaltigkeitsprofil von mehr als 30.000 aktiv und passiv verwalteten Fonds. Doch uns geht es nicht nur darum, die Zahl der Produkte, die wir analysieren, zu erweitern. Wir arbeiten auch daran, die Reichweite unserer Analysen auszubauen. Seit kurzem sind wir in der Lage, das Engagement von Fonds in einer Reihe von ESG-relevanten Industrien bzw. Geschäftsbereichen zu erfassen. Es handelt sich um folgende 15 Themen: 

-        Abtreibung/Verhütung/Stammzellenforschung;

-        Pornographie („Erwachsenen-Unterhaltung“);

-        Alkohol;

-        Tierversuche;

-        geächtete Waffen;

-        Fell & Spezialleder;

-        Glücksspiel;

-        gentechnisch modifizierte Organismen (GMO);

-        Sicherheits-Dienstleistungen (Military Contracting);

-        Kernenergie;

-        Palmöl;

-        Pestizide;

-        Handfeuerwaffen;

-        Kohle/Kohlekraftwerke;

-        Tabak. 

Ein Blick auf diese 15 Stichworte verdeutlicht, dass es sich um ein heterogenes Bündel an Themen, Produkten, Dienstleistungen und Industrien handelt. Sie sind nicht per se geächtet - US-Präsident Donald Trump hat dem verstärkten Ausbau von (US-)Kohle sogar eine hohe Priorität eingeräumt-, aber sie sind als thematische Filter von höchster ESG-Relevanz. Anleger benötigen Informationen zum Nachhaltigkeitsprofil ihrer Fonds, auch wenn sie nicht nach dem Ausschlussverfahren vorgehen. Zur Erinnerung: Unser ESG-Research basiert auf dem Best in Class-Ansatz, der dazu angetan ist, im Kontext höchst unterschiedlicher Wertesysteme eingesetzt zu werden. Investoren haben somit die Möglichkeit, die nachhaltigsten Investmentfonds ihrer jeweiligen Kategorie herauszufiltern. 

Granulare Sicht auf ESG-relevante Industrien 

Mit dem Product Involvement Tool können Anleger einen Schritt weiter gehen: Sie können den absoluten Grad des Engagements von Fonds in den oberen 15 Themengebieten ermitteln. Anleger, denen einer oder mehrerer dieser Aspekte im Portfoliokontext wichtig sind, haben die Möglichkeit, einen entsprechenden Filter in unserem Profi-Tool, Morningstar Direct, einzustellen. Sie können mit dem Tool Limits für die oberen Merkmale setzen, oder Fonds, die in diesen 15 Bereichen tätig sind, ganz ausschließen. 

Wie unser gesamtes Nachhaltigkeits-Research auch, so basiert auch das Morningstar Portfolio Product Involvement auf der Unternehmensebene. Bei den o.g. Kennzahlen werden bestandsbasierte Berechnungen unternommen, die auf der Analyse von Sustainalytics, unserem ESG-Research-Partner, fußen. Bei den Bereichen „Tierversuche“, „Abtreibung/Verhütung/Stammzellenforschung“ und „geächtete Waffen“ bewertet Sustainalytics das Firmen-Engagement binär, also mit „ja“ oder „nein“. Für alle anderen zwölf Themenfelder gelten folgende Spannen mit Blick auf den Unternehmensumsatz: 

-        null

-        0,1 - 4,9 Prozent;

-        5 - 9,9 Prozent;

-        10,0 - 24,9 Prozent;

-        25 – 49,9 Prozent;

-        50 – 100 Prozent.

Für die verschiedenen Bereiche gelten unterschiedliche Schwellen, die je nach Grad der Involvierung der Unternehmen greifen. So gilt etwa beim Thema „Alkohol“ die Herstellung als direktes Involvement, bei welchem die Bewertungsschwelle ab der Spanne zwischen 5 und 9,9 Prozent des Umsatzes greift. Geht es dagegen um den Vertrieb alkoholischer Produkte, wird dies als indirektes Involvement gewertet. Hier ist eine Minimum-Umsatzquote von zwischen 25 und 49,9 Prozent für die Bewertung der Relevanz des Faktors entscheidend. 

Entsprechend der oben erwähnten Sustainalytics-Definitionen berechnen wir auf der (kumulierten) Einzelholding-Basis den prozentualen Anteil des Involvements in den 15 Themen auf Portfolio-Ebene. Für jedes Produkt-Involvement werden die Holdings, bei denen die erwähnten minimalen Schwellenwerte greifen, vermögensgewichtet addiert. Die Cash-Quoten der Fonds finden dabei keine Berücksichtigung. 

Dasselbe Prinzip wenden wir bei der Berechnung der Kategorie-Durchschnitte an. Hier wird der Prozentsatz der gewichteten Anteile der jeweiligen Produkt-Involvements in den Fonds durch die Zahl der Fonds mit Involvement geteilt, sodass ein Exposure-Vergleich auf Kategorie-Ebene möglich ist. Die Daten werden monatlich aktualisiert und basieren auf den jüngsten Portfolio-Daten, die uns zur Verfügung stehen. Die von Sustainalytics kalkulierten Involvement-Werte werden wiederum monatlich aktualisiert. 

Zur Illustration finden Sie in der unteren Tabelle den Grad der Produkt-Involvierung in den Standardwerte-Aktienkategorien „Europa“, „Deutschland“, Schwellenländer“, „Japan“, „Schweiz“, „Großbritannien“ und „USA“. Sie zeigen, wie stark die Fonds im Schnitt in den 15 ESG-relevanten Themen involviert sind. 

Tabelle: Die 15 Involvement-Bereiche im Spiegel wichtiger Aktienfonds-Kategorien

Product involvement category level 

Auffällig ist zunächst die große Bedeutung des Bereichs Tierversuche in den Kategorien Aktien Schweiz, Deutschland und Großbritannien, was angesichts des hohen Gewichts von Pharma-Konzernen in den jeweiligen Märkten nicht verwundert. Aus denselben Gründen ist dort auch das Thema „Abtreibung/Verhütung/Stammzellenforschung“ stark vertreten. 

Dagegen ist die Tabak-Branche in Großbritannienfonds hoch gewichtet – man denke nur an den Konzern British American Tobacco, der im Index FTSE 100 mit knapp sechs Prozent vertreten ist und entsprechend einen hohen Anteil an den Fonds der Kategorie ausmacht. 

Auch das relativ hohe Gewicht des Bereichs Atomenergie in Deutschland-Fonds ist auffällig und entbehrt angesichts des einsamen Atomausstiegs der Bundesrepublik nicht einer gewissen Ironie. RWE und E.ON spielen hier die erste Geige. Unsere Fondsanalyse lügt nicht: Angekündigter Ausstieg ist nicht gleichbedeutend mit vollzogenem Ausstieg. 

Das Methodologie-Dokument zum Product Involvement Tool von Morningstar finden Sie hier.

 

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich