„Ihre Fonds-Ratings sind fast nur positiv, aber wie passt das damit zusammen, dass die meisten Fonds ihre Benchmark verfehlen?“. Diese und ähnliche Fragen zu unseren qualitativen Morningstar Analyst Ratings bekomme ich immer wieder von Investoren und Beratern zu hören. Als nächstes kommt oft der Nachsatz: „Aber das ist ja auch kein Wunder, wenn man bedenkt, wer die Ratings bezahlt“. An dieser Stelle kommt mein großer Auftritt.
Dann erkläre ich, dass weder unsere quantitativen Morningstar („Sterne“) Ratings, noch unsere „von Hand gefertigten“ Morningstar Analyst Ratings von Fondsanbietern „in Auftrag“ gegeben werden. Keiner mandatiert uns mit der Erstellung von Ratings, und wir werden für die Erstellung unserer Ratings nicht von den Produktanbietern bezahlt, sondern von den Investoren, welche diese Ratings nutzen.
Welche Fonds unsere Fondsanalysten bewerten
Beim Sterne-Rating ist die Sache klar: Es werden alle Fonds in Rating-fähigen Kategorien bewertet, die mindestens drei Jahre alt sind. Sie werden nach einer festen Verteilungsfunktion vergeben (mehr zu unseren Sterne-Ratings hier). Anders sieht es beim Morningstar Analyst Rating aus, bei dem keine Verteilung nach Rating-Stufen innerhalb einer Kategorie vorgegeben ist. Die Abdeckung beim Analyst Rating ist deutlich geringer als beim Sterne-Rating, da der Prozess der qualitativen Analyse sehr aufwändig ist. Deshalb müssen wir den Spagat hinbekommen, die knappen Ressourcen unserer Fondsanalysten sinnvoll einzusetzen.
Welche Fonds qualitativ analysiert werden, hängt von einer Reihe von Faktoren ab; von der Qualität eines Fonds, aber auch seiner Relevanz für einen Markt und von der internationalen Verbreitung der Strategie. Der Qualität kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu, denn wir haben nicht den Anspruch – und auch nicht die Ressourcen -, den gesamten Fondsmarkt mit unseren Analyst Ratings abzudecken. Unser Ziel ist es mit den Analyst Ratings, viel versprechende Strategien zu identifizieren, denen wir zutrauen, dass sie Investoren einen Mehrwert bringen.
Das ist übrigens auch die Ursache, warum es weit mehr positive Analyst Ratings gibt als negative. Man kann relativ schnell erkennen, ob ein Fonds einen viel versprechenden Ansatz hat, oder ob er absehbar zum Rohrkrepierer mutieren wird. Fonds, bei denen Grundsätzliches im Argen ist, rühren wir deshalb nicht an. Wir analysieren die potentiellen Outperformer von morgen, und das gelingt unseren Fondsanalysten ziemlich gut, wie unsere letzten Qualitäts-Checks der Rating-Ergebnisse ergaben.
Das Morningstar Quantitative Rating für eine umfassende Marktübersicht
Diese Begrenzung auf relativ wenige Fonds ist natürlich für Berater und Anleger unschön, denn sie wollen einen qualitativen Überblick über den gesamten Fondsmarkt gewinnen. Um die - große - Lücke zu schließen und die Anzahl der analysierten Fonds deutlich zu erweitern, haben wir ein quantitatives Modell entwickelt, das die Entscheidungsprozesse unserer Analysten repliziert. Dabei wurden die bisherigen Rating-Entscheidungen unserer Fondsanalysten und die zur Unterstützung dieser Entscheidungen verwendeten Daten genutzt. Das Ergebnis des Machine-Learning-Modells ist das Morningstar Quantitative Rating for Funds (MQR).
Das MQR wird ausschließlich bei Fonds angewendet, die kein qualitatives Morningstar Analyst Rating halten. Es drückt eine Bewertung aus, die ein Morningstar-Analyst einem Fonds zuweisen könnte, wenn er ihn analysieren würde. Mit diesem neuen Ansatz können wir weltweit fast sechsmal so viele Fonds analysieren, wie es bisher möglich war. (Mehr zu unseren Morningstar Quantitative Ratings for Funds finden Sie hier.)
Wir stellen Ihnen in lockerer Folge das Morningstar Quantitative Rating in der Praxis vor. Im ersten Schritt wollen wir eine Gesamtübersicht über unsere Ratings auf dem europäischen Fondsmarkt geben. In weiteren Artikeln werden wir uns durch die für europäische Investoren wichtigen Kategorien arbeiten und darstellen, wie sich die Morningstar Analyst Ratings und die Morningstar Quantitative Ratings ergänzen.
Fangen wir mit den Morningstar Analyst Ratings europaweit an. Unsere Fondsanalysten haben in Europa 998 Fonds qualitativ analysiert. Insgesamt erfüllen knapp 26.000 Fonds europaweit die Voraussetzungen für ein qualitatives Rating. Nun könnte der Beobachter versucht sein, verächtlich die Lippen schürzen ob der relativ geringen Anzahl an qualitativ bewerteten Fonds. Tatsächlich sind 998 von 26.000 etwas weniger als vier Prozent. Das ist auf den ersten Blick tatsächlich nicht viel. Allerdings vereinen diese Fonds immerhin gut 1.940 Milliarden Euro auf sich, was rund 25 Prozent der Gelder in den Rating-fähigen Fonds entspricht. Unsere Analysten bewerten also Fonds, die für viele Anleger wichtig sind.
Blicken wir jetzt auf die untere Tabelle, welche die Verteilung der Analyst Ratings und der Morningstar Quantitative Ratings der in Europa bewerteten Publikumsfonds (inklusive ETFs) abbildet.
Von Menschen und Maschinen: Wie bei Morningstar Fonds bewertet werden
Wie die obere Tabelle zeigt, verfügen 785 von 998 Fonds über ein positives Morningstar Analyst Rating der Stufen „Gold“ (86), „Silver“ (283) oder „Bronze“ (416). Das sind knapp 80 Prozent der insgesamt analysierten Fonds in Europa. Da die Ansage für unsere Fondsanalysten lautet, gute Fonds zu finden, die als Investment in Frage kommen, sollte der Überhang an positiven Ratings also nicht verwundern. Insgesamt 196 Fonds sind mit „Neutral“ bewertet – immerhin rund 20 Prozent aller Analyst Ratings. Mit „Negative“ sind lediglich vier Fonds bewertet, 13 sind aufgrund besonderer Vorkommnisse, etwa Fondsmanagerwechsel, „Under Review“.
In der unteren Zeile der oberen Tabelle finden Sie die Morningstar Quantitative Ratings. Hier finden wir 24.945 Fonds (bzw. die ältesteste Anteilsklasse) mit Ratings, also fast 25 Mal mehr Bewertungen als bei den Analyst Ratings! Das zeigt die immense Skalierbarkeit unserer Ratings durch die Anwendung des Machine-Learning-Verfahrens.
Bei den Morningstar Quantitative Ratings sieht die Verteilung der Rating-Stufen ganz anders aus, als bei den Morningstar Analyst Ratings. Von den 24.945 im MQR bewerteten Fonds verfügen nur 23 Prozent über ein positives Rating der drei Stufen „Gold“, „Silver“ oder „Bronze“. Prozentual sind die meisten positiven Ratings im Bronze-Bereich verortet – wie auch beim Morningstar Analyst Rating. Allerdings sind im Analyst Rating 42 Prozent der bewerteten Fonds mit „Bronze“ bewertet; beim MQR sind es nur elf Prozent.
Die größte Abweichung zwischen den beiden Rating-Systemen findet sich bei den „Negative“-Ratings. Das MQR hat 5.282 Fonds mit signifikanten Mängeln ausgemacht. Das sind immerhin 21 Prozent der quantitativ bewerteten Fonds. Bei den Analyst Ratings bewegt sich der Anteil der „Negative“-Ratings im Promille-Bereich. Der Anteil der mit „Neutral“ bewerteten Fonds liegt beim MQR bei 56 Prozent gegenüber 20 Prozent beim Analyst Rating.
Insgesamt liegt das Vermögen der Fonds mit einem quantitativen Rating bei knapp 5.700 Milliarden Euro. Das sind rund 230 Millionen Euro im Schnitt pro Fonds. Zur Erinnerung: Das Vermögen in den 998 Fonds mit einem Morningstar Analyst Rating beläuft sich auf knapp 2.000 Milliarden Euro, was einem Schnitt von rund zwei Milliarden Euro pro Fonds entspricht.
MQR schlägt bei der Reichweite sogar das Sterne-Rating
Interessanterweise ist die Reichweite des Morningstar Quantitative Rating zahlenmäßig sogar größer als die des Morningstar Sterne Ratings. Während 24.945 Fonds in Europa über ein MQR verfügen, sind „nur“ 20.673 Fonds mit einem Sterne Rating bewertet. Der Grund für diese Diskrepanz ist naheliegend: Unser Morningstar Sterne Rating wird nur an Fonds vergeben, die eine Mindesthistorie von drei Jahren haben. Aufgrund der ungleich höheren Anzahl an Parametern, die bei unserem Morningstar Quantitative Rating zum Tragen kommen, gibt es keinen Grund, ein zeitliches Mindestlimit für die Vergabe eines quantitativen Ratings zu setzen.
Indes ist das verwaltete Vermögen der mit Sterne-Ratings versehenen Fonds mit gut 6.780 Milliarden Euro höher als das Vermögen in Fonds mit MQR. Das entspricht einem Durchschnitt von 343 Millionen Euro, derweil die Fonds mit MQR-Rating, wie oben erwähnt, im Schnitt ein Vermögen von 230 Millionen Euro aufweisen.
Fazit: Die Auswertung zeigt, dass die Morningstar Analyst Ratings zwar mit Blick auf das verwaltete Vermögen einen ordentlichen Teil des Marktes abdecken, aber dass die Morningstar Quantitative Ratings eine sehr willkommene Ergänzung darstellen. Und tatsächlich sind die beiden Ratings auch funktional als komplementär anzusehen. Während die Morningstar Analyst Ratings dazu angetan sind, die Favoriten unserer Fondsanalysten hervorzubringen, sind die Morningstar Quantitative Ratings in Summe als Gesamtmarkt-Einschätzung zu sehen. Sie bewerten – mit der Ausnahme der Fonds, die über ein Morningstar Analyst Rating verfügen – alle Fonds eines Marktes bzw. einer Kategorie.
Das macht unsere MQR noch umfassender in ihrer Reichweite als das Sterne Rating, zumindest, was die Anzahl der abgedeckten Fonds anbelangt. In Summe sind die MQR also ein gutes Tool, um eine qualitative, maschinell erstellte Einschätzung zu Fonds zu bekommen. Die Präferenzen unserer Analysten werden gewissermaßen synthetisch auf das gesamte Fondsuniversum übertragen. Somit sind die MQR ein nützliches Analyse-Tool, das Anleger und Berater idealerweise von schwachen Investments abhält und zu guten Fonds hinlenkt.
Die Analysen in diesem Artikel basieren auf unserem Tool für professionelle Anleger. Weitere Informationen zu Morningstar Direct erhalten Sie hier.
Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.