Die vergangenen Monate haben mehr als deutlich gezeigt, dass das Thema Nachhaltigkeit die Menschen bewegt. Die FridaysForFuture-Protestbewegung der Jugend weltweit hat den Umweltschutz auf beeindruckende Weise ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Und, als habe es für die Dynamik der Entwicklung eines weiteren Belegs bedurft, platzte im Vorfeld der EU-Parlamentswahl das Video des YouTubers Rezo in die beschauliche Miefigkeit der deutschen Politik; der junge Aktivist kritisierte in seinem millionenfach angeklickten Video die deutschen Parteien – vor allem die CDU/CSU und SPD – als unfähig, auf die Herausforderungen unserer Zeit angemessen zu reagieren. (Wenige Tage später erlitten beide Parteien eine krachende Niederlage bei der EU-Wahl; „Die Zerstörung der CDU“ ist immer wieder herrlich erfrischend anzuschauen, deshalb an dieser Stelle ein Link auf das Kunstwerk!).
In der Investmentwelt wird dagegen nur mit Wasser gekocht. Veränderungen gehen in der Fondsbranche deutlich behäbiger als in der realen Welt vonstatten. Doch dafür ist das Tempo, mit dem Nachhaltigkeitsfonds in Europa wachsen, schon recht beachtlich. Wie eine Auswertung per Ende Mai zeigt, machen Nachhaltigkeitsfonds mit einem Vermögen von gut 807 Milliarden Euro inzwischen neun Prozent des europäischen Fondsmarkts aus. Diese Zählweise enthält aktive und passive Fonds, nicht jedoch Dachfonds, die wir hier zur Vermeidung von Doppelzählungen exkludiert haben. Vor gut zwei Jahren sind wir auf einen Marktanteil von nur gut vier Prozent gekommen. Eine Verdoppelung des Marktanteils ist ein überaus deutlicher Hinweis auf ein rasantes Wachstum.
Die untere Tabelle zeigt die Details der Entwicklung der vergangenen Jahre. Per Ende 2018 hatte das in ESG-Langfristfonds investierte Vermögen noch bei 750 Milliarden Euro gelegen. Die Dynamik wird bei der Betrachtung der Mittelflüsse deutlich. Machten die Netto-Neuinvestitionen in ESG-Fonds im Jahr 2017 mit knapp 72 Milliarden Euro knapp zehn Prozent der Mitteflüsse in europäische Langfristfonds aus, so waren es im eher schwierigen Fondsjahr 2018 mit gut 37 Milliarden Euro bereits 22 Prozent des gesamten Mittelaufkommens. In diesem Jahr verbuchten ESG-Langfristfonds in Europa Zuflüsse von knapp 24 Milliarden Euro, was rund 85 Prozent des Nettomittelaufkommens aller Langfristfonds in Europa entspricht!
Tabelle: Mittelflüsse und Fondsvermögen in ESG-Fonds in Europa
Blicken wir nun auf einige Details zum ESG-Fondsmarkt. Kommen wir zunächst zur Vermögensaufteilung. Der europäische Markt für ESG-Fonds bleibt ein Aktiengeschöpf. Per Ende Mai 2019 waren gut 492 Milliarden Euro in aktiv und passiv verwalteten Aktienfonds mit ESG-Mandat investiert. Das entspricht einem Marktanteil von 61 Prozent des ESG-Fondsmarkts in Europa (ohne Geldmarktfonds). Demgegenüber liegt der Marktanteil von Aktienfonds am gesamten europäischen Fondsmarkt bei gut 43 Prozent.
Gut 24 Prozent des verwalteten ESG-Fondsvermögens ist in Rentenfonds investiert. Das ist deutlich weniger als Bond-Fonds europaweit auf die Waage bringen, nämlich gut 32 Prozent. Der Marktanteil von ESG-Mischfonds beläuft sich auf 13 Prozent, etwas weniger als der Marktanteil von Mischfonds von gut 15 Prozent.
Die Frage, ob sich in absehbarer Zeit etwas an der Aktienlastigkeit des ESG-Fonds-Universum ändern wird, hängt auch stark von den Marktentwicklungen ab. Haussieren die Aktienmärkte, dann dürfte auch bei einer überdurchschnittlichen Nachfrage nach Rentenprodukten der Anteil von Aktienfonds an den Assets dennoch steigen. So geschehen im Jahr 2017. Anders sieht es in diesem Jahr aus, in dem Bonds bisher sogar absolut eine höhere Nachfrage erleben als Aktienfonds. Sollten die Aktienmärkte überdies deutlich korrigieren, dürften Anleihefonds aufgrund ihrer defensiveren Funktion in Portfolios reüssieren.
Aktiv versus Passiv: Indexfonds auf dem Vormarsch
Da keine Fondsstatistik in diesen Zeiten ohne einen Vergleich zwischen aktiv verwalteten Fonds und der passiven Konkurrenz auskommen kann, präsentieren wir Ihnen natürlich auch die „Aktiv versus Passiv“-Seite des ESG-Fondsmarktes. Halten wir zunächst fest, dass historisch gesehen ESG-Fonds die Domäne aktiv verwalteter Fonds waren. Das hat sich in den vergangenen Jahren verändert, und die Erosion des Marktanteils aktiv verwalteter Fonds hat auch im ESG-Bereich längst eingesetzt.
Mit einem Marktanteil von 87 Prozent an Langfristfonds sind aktiv verwaltete ESG-Fonds noch immer weit vor der passiven Konkurrenz. Zum Vergleich: Heute kommen Indexfonds am europäischen Gesamtmarkt auf einen Marktanteil von 18 Prozent (wiederum: ohne Geldmarktfonds).
Tabelle: Mittelflüsse und Fondsvermögen durch die Aktiv-passiv-Brille
Dass sich die Zeiten ändern, zeigt ein Blick auf die Dynamik der Mittelflüsse. Dann kommt man nicht umher festzustellen, dass auch im Nachhaltigkeitsfondsmarkt Indexfonds auf Vormarsch sind. In diesem Jahr gingen per Ende Mai ESG-Indexfonds europaweit knapp 9,5 Milliarden Euro zu, verglichen mit Nettomittelzuflüssen von 14,3 Milliarden Euro, die aktiv verwaltete Fonds ansteuerten. Indexfonds brachten es also in den ersten fünf Monaten auf einen Anteil von 40 Prozent am Neugeschäft. Damit wurde das ohnehin sehr gute Jahr 2018 getoppt, als zehn Milliarden Euro bzw. rund 27 Prozent der Nettoneugelder ESG-Indexprodukte ansteuerten. Zur Erinnerung: 2017 hatte der Anteil der Flows in passiven ESG-Fonds nur bei gut 15 Prozent gelegen - bei einem Marktanteil von damals nur elf Prozent.
In den kommenden Wochen werden wir weitere Auswertungen zum ESG-Fondsmarkt veröffentlichen und dabei auf die inzwischen deutlich ausgefeiltere Morningstar ESG-Taxonomie zurückgreifen. Die Analysen in diesem Artikel basieren auf unserem Tool für professionelle Anleger. Weitere Informationen zu Morningstar Direct erhalten Sie hier.
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