Das Kontrahenten- oder auch Adressenausfallrisiko (engl. counterparty risk) beschreibt das Risiko, dass ein Vertragspartner seinen vertraglichen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Eines der prominentesten Beispiele der letzten Wochen ist sicherlich die millionenschwere Überweisung der staatlichen Förderbank KfW an die US-Investmentbank Lehman Brothers infolge eines Devisentermingeschäfts – die Gegenleistung blieb bekanntlich aus, nachdem Lehman bereits zahlungsunfähig war. Ein Kontrahentenrisiko besteht auch dann, wenn ein Unternehmen Anleihen (Schuldverschreibungen) emittiert. Alternativ wird in diesem Zusammenhang das Schlagwort „Emittentenrisik
o“ verwendet. Lehman lässt auch hier grüßen: Als Schuldverschreibungen gelten u.a. die Lehman-Zertifikate, die in Deutschland in den Depots vieler Anleger landeten. Sie sind für ihre Besitzer nahezu wertlos geworden, nachdem das insolvente US-Institut keine Zahlungen mehr leistet. Es gibt zahlreiche weitere Beispiele für Finanzgeschäfte mit Kontrahentenrisiko, etwa Credit Default Swaps (CDS), eine Art Kreditversicherung für Anleihenbesitzer, die einspringt, wenn der eigentliche Schuldner zahlungsunfähig wird. Davon hatte der US-Versicherungsriese AIG mehrere hundert Milliarden in seinen Büchern – einer der Gründe, warum die US-Regierung das Unternehmen vor kurzem vor dem Zusammenbruch bewahren musste. Denn nicht nur europäische Banken hatten sich bei AIG gegen Zahlungsausfälle von US-Hypothekenanleihen versichert.
Auch in Investmentfonds werden Finanzgeschäfte getätigt, die mit einem Adressenausfallrisiko verbunden sind. Insbesondere können Fonds mit dem seit 2004 geltenden Investmentgesetz Derivate neben der Absicherung auch für die Renditeerzielung nutzen.
Wirft man einen Blick in den Verkaufsprospekt eines Fonds, so wird sich darin in der Regel unter den Risikohinweisen in etwa folgende Formulierung finden:
Neben allgemeinen Marktrisiken besteht beim Erwerb von Wertpapieren ein ausstellerbezogenes Risiko. Auch bei sorgfältiger Auswahl der Aussteller von Wertpapieren ist es nicht zu vermeiden, dass ungünstige Entwicklungen zu einem Vermögensverfall einzelner Aussteller führen. Dadurch können Verluste für den Fonds entstehen, indem in Wertpapiere dieser Aussteller investierte Gelder nicht oder nur zum Teil zurückgezahlt werden.
Daneben beinhaltet das Adressenausfallrisiko allgemein auch das Risiko der Partei insbesondere eines gegenseitigen Vertrages, mit der eigenen Forderung auszufallen. Dies betrifft alle Verträge, die für Rechnung des Fonds geschlossen werden.
Das Investmentgesetz und die zugehörige Derivateverordnung bzw. die europäische UCITS III Richtlinie beinhalten diverse Anlagebeschränkungen, die beim Einsatz von Derivaten beachtet werden müssen. Damit soll im Sinne des Anlegerschutzes eine ausreichende Risikostreuung gewährleistet werden. Ein Teil der Derivate ist standardisiert, so dass er an spezialisierten Börsen gehandelt wird. Daneben gibt es Derivategeschäfte, die nur direkt zwischen den Handelspartnern abgewickelt werden, sogenannte OTC-Derivate (OTC steht für over the counter). Für sie gelten strengere Vorgaben.
Beispiel: Swap-basierte ETFs
Börsengehandelte Indexfonds (Exchange Traded Funds bzw. ETFs) bilden Indizes und deren Performance mit unterschiedlichen Methoden nach. Es gibt ETFs, die die in einem Index enthaltenen Wertpapiere direkt kaufen. Aufgrund von Kosten- und Steuervorteilen nutzen viele ETFs aber auch Swaps. Dabei schließt der ETF-Anbieter mit einer Gegenpartei ein Tauschgeschäft ab. Er tauscht die Rendite eines bestimmten Aktienkorbs gegen die gewünschte Indexrendite ein. (Lesen Sie mehr dazu hier.)
Die Investmentrichtlinien beschränken das aus dem Einsatz von derartigen Derivaten resultierende Kontrahentenrisiko auf 10 % des Nettovermögens des Fonds je Gegenpartei.
Nicht zu verwechseln sind ETFs übrigens mit den in die Schlagzeilen geratenen ETCs (Exchange Traded Commodities). Mehr dazu erfahren Sie hier.
Fazit
Inwieweit Derivate in einem Fonds zum Einsatz kommen, hängt vom Anlageschwerpunkt und der verfolgten Strategie ab. Viele klassische Fonds schöpfen den zulässigen Spielraum gar nicht aus. Hier stehen gängige Absicherungsinstrumente, z.B. zur Absicherung von Wechselkursrisiken, im Vordergrund. Eine größere Bedeutung haben Derivate für die so genannten Absolute Return Fonds. (Diese Fonds orientieren sich an der von Hedgefonds bekannten Zielsetzung, in jedem Marktumfeld positive Renditen zu erwirtschaften.)
Investmentfonds bieten im Hinblick auf das Kontrahentenrisiko keinen hundertprozentigen Schutz, aber ein im Vergleich mit anderen Anlageformen hohes Regulierungsniveau, dass Anleger von der wirtschaftlichen Verfassung des Vermögensverwalters unabhängig macht (Stichwort Sondervermögen) und für eine hohe Risikostreuung sorgt.
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