Dass ein Licht am Ende eines Tunnels erscheint, muss kein positives Zeichen sein, denn es könnte von der bevorstehenden Durchfahrt eines Zuges künden. Eine ähnlich unklare Gemengelage kennzeichnet auch die derzeitige Lage der Eurozone, ja, vermutlich auch der aller hochverschuldeten Industrieländer. Zerbricht die Eurozone an den zentrifugalen Kräften und an der Verschärfung der Wirtschaftskrise in den Südländern, oder vermag die Rosskur, der sich derzeit vor allem Spanien und Griechenland unterziehen, den Patienten Euroraum zu heilen?
Auch wenn die haussierenden Aktienmärkte und die zaghaft steigenden Renditen sicherer Bundesanleihen signalisieren, dass Anleger zumindest aktuell der europäischen Schicksalsfrage keine hohe Priorität einräumen, ist die Entscheidung längst nicht gefallen. Es wird unverändert gestritten, und die Geister der Experten scheiden sich. „Ich sehe durchaus noch die Gefahr, dass das System kollabiert“, hob Andrew Balls auf der Morningstar Europakonferenz am 14. März in Wien hervor.
Der PIMCO-Fondsmanager, der zugleich auch das europäische Portfoliomanagement der Allianz-Tochter leitet, sieht infolge der Austeritätspolitik der Regierungen im Süden akute Gefahren von Unruhen. „Man sollte nicht die Gefahr politischer Instabilität unterschätzen, die auch radikale Parteien an die Macht bringen kann“, so Balls vor rund 150 institutionellen Investoren.
Manipulierte Märkte - opportunistische Investoren
Das Paradoxe an der Sache: Die geballte Interventionsmacht der Europäischen Zentralbank wacht über eine künstliche Ruhe an den Märkten. „Die Bond-Märkte sind manipuliert“, so der PIMCO-Fondsmanager. Was ihn – wie andere Großinvestoren auch – freilich nicht daran hindert, opportunistisch in eben jene Märkte zu investieren, über die sie fundamental gesehen große Fragezeichen setzen. Weil er nicht an der zumindest kurzfristigen Effektivität des Bekenntnisses von EZB-Chef Mario Draghi zweifle, halte er italienische und vor allem spanische Staatsanleihen für attraktiv, so Balls weiter.
Von Fragezeichen wollte der ehemalige bundesdeutsche Finanzminister, Theo Waigel, einer der Redner auf unserer Konferenz, nichts wissen. Der spirtus rector europäischen Gemeinschaftswährung beschwor in einem leidenschaftlichen Plädoyer die friedensstiftende Wirkung der europäischen Integration, von der der Euro ein wichtiger Bestandteil sei. „Der Euro ist nicht dem Untergang geweiht und er hat auch nicht enttäuscht, sondern er hat vielmehr Europa stark nach vorne gebracht“. Waigel, bis 1998 Mitglied der CDU/CSU-geführten Bundesregierung, wollte allenfalls eine Schuldenkrise einzelner Länder der Eurozone konzedieren, keinesfalls aber eine „Eurokrise“. Als Lösung mahnte er – ganz in der Tradition der Deutschen Bundesbank – Reformen, eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaftssysteme an.
Den entscheidenden Fehler, so Waigel weiter, habe die Politik mit der Aufweichung der sogenannten Maastricht-Kriterien gemacht, nach denen die jährlichen Haushaltsdefizite der Euroländer auf 3% des Bruttoinlandsprodukts und die öffentliche Verschuldung auf 60% begrenzt werden sollten. Gleichwohl habe EZB-Chef Mario Draghi richtig gehandelt, so Waigel weiter, als dieser im Juni 2012 erklärte, den Euro um jeden Preis retten zu wollen. Die Ankündigung, notfalls in unbegrenzter Höhe die Staatsanleihen notleidender EU-Länder aufzukaufen, habe die Märkte beruhigt. Immerhin in diesem Punkt waren sich Waigel und PIMCO-Mann Balls einig.
"Quantitative Easing auch in Europa"
Doch auch andere Teilnehmer am Panel zur makroökonomischen Situation – allesamt Volkswirte und Asset Manager - malten das Bild etwas rosiger als der PIMCO-Vertreter. Laut dem Leiter der europäischen Anleihenabteilung bei Pioneer Investments, Tanguy Le Saout, “bewegt sich die Eurozone Schritt für Schritt in die richtige Richtung”. Er bezeichnete die gegenwärtige Krise als „Weckruf“, der die Regierungen zum Handeln zwinge. Gleichwohl konstatierte er, dass der Krisendruck nicht überall dort einwirke, wo er eigentlich angebracht wäre. Während die spanische Regierung wegen des drohenden Zinsanstiegs große Anstrengungen unternommen habe, profitiere Frankreich ungeachtet seiner wenig gradlinigen Politik unverändert von günstigen Refinanzierungskosten. Nach Auffassung Le Saouts ist die Fiskalkonsolidierung in den Eurosüdländern „zu 75% bewältigt”.
Wird die EZB eher von der Eurozone getrieben, oder spielt sie die Rolle der Schrittmacherin?
Doch auch die Optimisten konzidierern, dass noch ein ganzes Stück Weg zu gehen ist, und das Ziel ist keinesfalls unumstritten. Während der deutsche Ex-Finanzminister Eurobonds und damit eine Gemeinschaftshaftung für Schulden ablehnte und die Eigenverantwortlichkeit der Staaten hervorhob, sieht Le Saout sie als Notwendigkeit, um die europäische Einigung voranzutreiben. Dass es zu weiteren Schritten kommen werde, glaubt auch Andrew Balls von PIMCO, wobei er die EZB eher als Getriebene denn als Schrittmacherin sieht. Wenn sich erst herausgestellt habe, dass das die Stagnation in der Eurozone anhalte, werde die EZB dazu übergehen, die Notenpresse anzuwerfen: „Eine Art Quantitative Easing erscheint mir in Europa wahrscheinlich“, so der PIMCO-Mann.
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