Mischfonds zwischen Eurokrise und Fukushima-Falle

Im zweiten Teil unserer Mischfonds-Analyse haben wir anhand der Veränderungen in der Asset Allocation die Entscheidungen der Manager vermögensverwaltender Fonds nachvollzogen.

Ali Masarwah 13.08.2013
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Das Bild ist im Großen und Ganzen tiefgrau bis düster: Flexible Mischfonds schaffen es regelmäßig nicht, ausgewogene Aktien-Renten Indizes zu übertreffen. Auch unsere dritte Analyse seit 2011 hat diesen Befund hervorgebracht.  Besonders eklatant war die schlechte Bilanz der so genannten vermögensverwaltenden Mischfonds in den vergangenen 3 Jahren: Nur 2,2% der Fonds konnten seit August 2010 besser abschneiden als eine 50:50-Aktien-Renten-Benchmark. In den vergangenen 5 und 10 Jahren sieht die Bilanz nicht wesentlich besser aus (lesen Sie hier weiter).

Doch wir wollten es genauer wissen. Was ist eigentlich im Einzelnen schief gelaufen? Was haben die versierten Kapitalmarktexperten falsch gemacht? Wie haben Sie sich in turbulenten Marktphasen verhalten, in Zeiten also, in denen es auf kühle Köpfe ankam, um das zu schaffen, wofür man angetreten ist: Das Anlegerkapital zu schützen und auch zu mehren? Kann man als Anleger unter Umständen Lehren aus dem Verhalten der Fondsmanager ziehen?

Im zweiten Teil unserer Untersuchung haben wir die Allokationsentscheidungen der flexiblen EUR-Mischfonds in den vergangenen 3 Jahren an einigen markanten – tatsächlichen oder vermeintlichen - Wendepunkten an den Aktienmärkten unter die Lupe genommen. Dafür haben wir die Investitionsquoten der flexiblen Mischfonds seit August 2010 überprüft und ins Verhältnis zur Entwicklung des Aktienindex MSCI World NR USD gesetzt. Die Zahl der monatlich ausgewerteten Portfolios der europaweit zugelassenen Fonds schwankte zwischen 103 (Juli 2013) und 652 (Dezember 2012).

Die Überlegung hinter dieser Vorgehensweise: Wer den Anspruch hat, den Markt richtig zu timen, muss rechtzeitig am Aktienmarkt investiert sein, bevor der Kursaufschwung erfolgt. Spiegelbildlich dazu sollte die Investitionsquote in Aktien gesenkt werden, bevor die Märkte in eine volatile Phase eintreten.

Die nachfolgende Grafik, die wir als Grundlage für 4 Fallstudien verwenden, setzt die Aktienquoten der flexiblen Mischfonds zum jeweiligen Monatsultimo (rote Balken) ins Verhältnis zum Kursverlauf des Aktienindex MSCI World NR USA (blauer Linienchart).

Grafik: Der Verlauf des MSCI Welt vs. die Aktienquoten der Mischfonds-Manager

Quelle: Morningstar Direct

Anhand von 4 Fallbeispielen wollen wir nun untersuchen, ob und wie die Portfolio-Lenker markante Entwicklungen an den globalen Aktienmärkten antizipiert und ihre Fonds ausgerichtet haben.

1. Ein Schockereignis, das keines war: Fukushima

Anfang 2011 war die stetig eskalierende Euro-Krise noch nicht auf dem Radar der meisten Fondsmanager. Ende 2010 und Anfang 2011 waren die Aktienquoten in den flexiblen Mischfonds europaweit im Mittel auf relativ hohen Niveaus. Doch dann ereignete sich der Unfall in der japanischen Nuklearanlage in Fukushima am 11. März 2011. Er verursachte zunächst Schockwellen an den Aktienmärkten, die Kurse brachen unmittelbar danach ein. Doch nach wenigen Tagen hatte sich die Aufregung in der Finanzwelt gelegt, als klar wurde, dass die Umweltkatastrophe ein auf Japan begrenztes Phänomen bleiben würde. Bis Ende März glich der MSCI World die Verluste weitgehend wieder aus.

 

 

 

Die Manager flexibler Mischfonds schätzten die Lage indes offenbar anders ein. Per Ende März hatten sie die Aktienquoten in ihren Portfolios signifikant gesenkt. Im Mittel waren flexible Mischfonds per Ende Februar 2011 noch zu 51,4% in Aktien investiert, per Ende März waren es nur noch 43,2%. Erst im Laufe des April wurden die Aktienquoten in den Fonds wieder hochgefahren.

2. Die Eskalation der Eurokrise im Sommer 2011

Der August 2011 dürfte für viele Investoren ein stilprägendes Ereignis gewesen sein. Die Reaktion der europäischen Politik auf die Eskalation der griechischen Schuldenkrise war träge. Nicht zuletzt machte diese hilflos wirkende, zögerliche Haltung der Politik aus der Griechenlandkrise eine Vertrauenskrise, die die gesamte Eurozone erfasste.

Die Folgen dieser Unsicherheit waren heftig. Binnen weniger Tage verzeichneten die Aktienmärkte weltweit zweistellige Verluste. Allein der deutsche Standardwerteindex DAX verlor in den ersten zehn Augusttagen knapp 25%. Das Ausmaß der Korrektur traf viele Investoren vollkommen unvorbereitet – auch die Manager von Mischfonds, die nach dem Fukushima-Unfall sukzessive ihre Aktienquoten hochgefahren hatten. Die Aktienquote beim Median der Mischfonds lag per Ende Juli 2011 bei 43,9%. Sie sank auf 38,1% Ende August und auf 32,2% per Ende September.

Ähnlich wie viele Marktteilnehmer auch waren also die meisten Portfoliolenker auch pessimistisch für Aktien gestimmt - jedenfalls so pessimistisch, dass sie entweder die Aktienquoten aktiv senkten oder zumindest nicht die infolge der Kursverluste gesunkenen Quoten an Risikopapieren aufstockten. Im Ergebnis wurden die Aktienquoten also prozyklisch in die fallenden Märkte hinein gesenkt, wie aus der oberen Grafik hervorgeht.

Doch gegen Ende des Jahres fassten sich viele ein Herz: Die Ankündigungen des Bankenstützungsprogramms LTRO durch die Europäischen Zentralbank Ende Dezember 2011 wurde allem Anschein nach von den Fondsmanagern gehört und - richtig - interpretiert: Per Ende Januar 2012 hatten die flexiblen Mischfonds die Aktienquoten deutlich auf gut 41% erhöht – die Tragweite der neuen EZB-Politik hatten offenbar etliche Portfolio-Lenker erfasst – zunächst zumindest.

3. Die Rückkehr der Unsicherheit und die Draghi-Bazooka

Der Schwung der Erholung am Aktienmarkt verpuffte im Frühjahr 2012 in dem Maße, in dem sich die Zweifel an der erfolgreichen Eindämmung der Eurokrise durch die europäische Politik mehrten. Im Mai gingen die Märkte erneut auf Talfahrt. Unterdessen hatten die flexiblen Mischfonds ihre Aktienquoten erhöht. Per Ende April betrug die Quote beim Median der Fonds knapp 44% - gerade rechtzeitig zur scharfen Aktien-Korrektur im Mai.

Die Reaktion folgte auf dem Fuß. Parallel zu den fallenden Märkten wurden die Aktienquoten in den flexiblen Mischfonds wieder deutlich zurückgenommen, ein Trend, der sich bis zum inzwischen legendären „Whatever-it-takes“-Statement von EZB-Präsident Mario Draghi in London Ende Juni 2012 fortsetzte. Erst hiernach wagten sich die Mischfondsmanager aus der Deckung – parallel zu den steigenden Aktienkursen erhöhten erneut auch die Fonds ihre Investitionsquoten.

4. Fed-Tapering bringt Fonds-Tapering bei den Aktienquoten

Die Problematik, politische Märkte zu timen, zeigte sich erneut in der jüngsten Zeit und auch im letzten Fallbeispiel. Nach der Draghi-Bazooka vom Sommer 2012 wurden die Aktienquoten in den flexiblen Mischfonds zügig erhöht. Bis Ende Mai 2013 lagen sie bei gut 46,5%. Doch dann mehrten sich die Signale, dass die US-Notenbank das Tempo der Anleiherückkäufe drosseln und – bei entsprechend positiver wirtschaftlicher Entwicklung in den USA – 2014 auslaufen lassen würde. 

Die Märkte reagierten ab Ende Mai erkennbar irritiert, und bis Ende Juni überwogen die Kursverluste. Wenig überraschend war die Reaktion der Fonds: Per Ende Juni wurden die Aktienquoten prozyklisch reduziert. Seit Juli hat sich der MSCI Welt Index indes wieder deutlich erholt. Mit der raschen Erholung der Märkte steigen offenbar auch die Aktienquoten.

Grafik: Fondsmanager reagieren auf auch die jüngste Marktvolatilität

Allerdings sollte der Anstieg der Aktienquoten auf über 50% per Ende Juli nicht überinterpretiert werden, da zu diesem Zeitpunkt – nur knapp eine Woche nach der für diese Untersuchung erfolgten Datenerhebung - der Umfang der gelieferten Informationen mit 103 vollständigen Fonds-Portfolios noch nicht auf dem üblichen Niveau lag.

Fazit: Flexible Mischfonds rennen der Marktentwicklung hinterher

Nach dem Abgleich der Asset-Allocation-Entscheidungen der Fondsmanager mit der Performance der globalen Aktienmärkte steht die Erkenntnis, dass die meisten Portfoliolenker in den vergangenen 3 Jahren ein prozyklisches Verhalten an den Tag gelegt haben. Sie rannten sowohl den steigenden als auch den fallenden Kursen hinterher. An den meisten der untersuchten tatsächlichen oder vermeintlichen Wendepunkten scheint das Motto der Fondsmanager gewesen sein: Der Markt hat immer Recht.

Doch das war die falsche Strategie. Die kurzfristige Reaktion auf die Kurskapriolen an den Märkten griff längerfristig als Fondsstrategie zu kurz, wie nicht zuletzt die im ersten Teil der Untersuchung gezeigten Underperformance flexibler Mischfonds über verschiedene Zeiträume zeigt. Wer sein Handeln stets nach der Vergangenheits-Performance des Marktes ausrichtet, hinkt aufgrund der notwendigerweise verzögerten Reaktionszeit diesem Markt zwangsläufig hinterher, egal, ob er sein Handeln mit markttechnischen oder fundamentalen Erklärungen verbrämt.

Auf Anlegerebene hatte der Aktionismus der Fondsmanager in vielen Fällen eine substanzielle Underperformance zur Folge – nicht zuletzt auch aufgrund der vielfältigen Fondskosten, von den Handelskosten auf Fondsebene hin zu den Kosten auf Anlegerebene in Gestalt etwa der Management-Gebühren.

Wer sein Handeln stets nach der Performance des Marktes ausrichtet, hinkt diesem aufgrund der notwendigerweise verzögerten Reaktionszeit zwangsläufig hinterher.

Wir wollen dabei die Lichtblicke nicht verschweigen. Die Portfoliolenker schalteten nach anfänglicher, deutlicher Aktien-Untergewichtung nach dem Fukushima-Unglück zügig wieder auf Risiko. Auch nach Verkündung des Bankenstützungsprogramms LTRO der EZB im Dezember 2011 wurden die Aktienquoten in den Fonds zügig erhöht. Doch auch diese richtigen Deutungen der Ereignisse bargen jeweils auch den Keim des Scheiterns in sich: Die Erhöhung der Aktienquoten in den beiden Fällen hatte zur Folge, dass die Fonds mit hohen Quoten an Risiko-Assets in die Korrekturen im August 2011 und Mai 2012 hinein liefen. Kam hier eine selektive Wahrnehmung ins Spiel? Blendeten die Fondsmanager nach erfolgreicher Deutung der Dinge die lauernden Gefahren, die ihrem zuvorigen Handeln diametral entgegenstanden, aus? 

Im Ergebnis scheiterte das Gros der flexiblen Mischfonds in den vergangenen 3 Jahren in zweierlei Hinsicht: Weder wurden die Aufschwungsphasen angemessen antizipiert noch wurden – was noch viel schwerer wiegt - die Portfolios auf die Abschwungphasen ausgerichtet. Das führt uns zur Schlussfolgerung, dass der Aktionismus infolge bereits vollzogener Entwicklungen nicht angemessen war. Weniger (Handeln) wäre als mehr (Performance) gewesen.

Nun mögen manche Beobachter einwenden, dass wir es in den vergangenen 3 Jahren mit politischen Börsen zu tun hatten, die nun einmal nicht zu deuten seien und insofern die Manager flexibler Mischfonds einen schweren Stand hatten. Auch wenn diese Diagnose zweifellos zutrifft, kommen wir damit auf die Ausgangslage zurück: Die Fondsbranche wirbt nun einmal damit, dass sie es besser kann als der Privatanleger sowie „stur ausgerichtete“, starre Portfolios, die ein vermeintlicher Anachronismus seien.

Wer also mit der Leistungszusage antritt, Anlegerportfolios vor den Marktstürmen zu schützen und gleichzeitig die Chancen wahrzunehmen, sollte sich vorher überlegen, ob er bei makroökonomisch bedingten Turbulenzen gedenkt, ein Performance-Sabbatical einzulegen.

Wer mit der Zusage antritt, Portfolios vor den Marktstürmen zu schützen, sollte sich vorher überlegen, ob er bei makroökonomisch bedingten Turbulenzen gedenkt, ein Performance-Sabbatical einzulegen.

Darüber hinaus wollen wir die vergangenen 3 Jahre nicht zu sehr als Ausnahmeerscheinung mit Blick auf die Performance flexibler Mischfonds deklarieren: Wir erinnern an unsere beiden vorherigen Untersuchungen, die gezeigt haben, dass flexible Mischfonds auch in länger zurückliegenden Marktphasen im Schnitt ihrem 50:50-Index mehr oder weniger deutlich hinterherhinkten.

Anleger, Berater und nicht zuletzt auch Journalisten sollten flexiblen Mischfonds mit einer größeren Portion Skepsis begegnen, als es heute der Fall zu sein scheint. Diese Produkte sind weit davon entfernt, die sprichwörtliche Eier legende Wollmilchsau zu sein. Angesichts des persistenten Timing-Dilemmas, das eben nicht nur Privatanleger, sondern auch Fondsmanager im Klammergriff hat, steht die These im Raum, wonach Mischfonds mit mehr oder weniger starren Bandbreiten den Bedürfnissen der allermeisten Anleger deutlich besser erfüllen als flexible Produkte.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich