Wir haben jüngst über Chancen und Risiken von Schwellenländer-Bonds berichtet. Die Kursverluste bei Bond-Fonds für lokale Schwellenländerwährungen haben Anleger offenbar besonders nervös gestimmt, da in diesem Segment unverändert hohe Abflüsse aus Fonds zu beobachten sind. Die meisten Fondsmanager halten die Kursverluste seit Mai für übertrieben (lesen Sie hier weiter). Einige Fragen an Walter Liebe, Senior Investment Advisor bei Pictet Asset Management, zum Fonds Pictet Emerging Local Currency Debt. Er ist mit einem Fondsvermögen von knapp 7,4 Milliarden Euro das größte Produkt seiner Kategorie.
Herr Liebe, Schwellenländer-Bonds sind in diesem Jahr stark eingebrochen. Ist das aus Ihrer Sicht eine Kaufchance, oder überwiegen noch die Risiken?
Aus fundamentaler Sicht sehen wir Anleihen aus den Emerging Markets nach wie vor als werthaltig und langfristig attraktiv an. Die Rückzahlungsfähigkeit und –willigkeit der Schuldner stehen nicht ernsthaft in Frage - von wenigen Ländern wie Argentinien und Ukraine abgesehen. Die jüngste Diskussion über die Finanzierbarkeit von Leistungsbilanzdefiziten sehen wir als übertrieben an, zumal diese Tatsachen seit langer Zeit bekannt waren.
Grünes Licht für Anleger, also?
Nicht unbedingt. Wir geben kein eindeutiges kurzfristiges Einstiegssignal. Das Risiko erhöhter Schwankungen bei Zinsen und Währungen dürfte auch in den kommenden Wochen und Monaten bestehen. Insofern hängt ein Einstieg stark vom Anlagehorizont ab. Die fundamentale Position der Emerging Markets hat sich zwar leicht abgeschwächt, ist aber alles in Allem unverändert solide. Für langfristig orientierte, strategische Investoren, die diese möglichen Schwankungen aushalten können, ist das derzeitige Niveau von Renditen und Wechselkursen attraktiv, ein taktisches Urteil zu fällen, ist dagegen schwierig.
Wo sehen Sie die Treiber für die Performance von Schwellenländer-Anleihen in den nächsten zwölf Monaten? Und wie differenzieren sich Bonds in lokalen Währungen von Hartwährungsanleihen?
In beiden Teilmärkten wird die Marktrichtung in hohem Maße von Mittelflüssen bestimmt. Die sind ein Ausdruck der Risikoneigung der Anleger. Insofern wird die Performance kurzfristig vor allem von externen Faktoren bestimmt. Aber natürlich hängt auch sehr viel von der Entwicklung der Fundamentaldaten in den Emerging Markets selbst ab. Wenn sich die makroökonomische Lage verschlechtert oder verbessert, wird dies das Risikosentiment beeinflussen. Darüber hinaus gibt es spezielle Einflussfaktoren in den beiden Segmenten. Bei lokalen Währungen kommen neben den Mittelflüssen die Geldpolitik, die Inflations- und Konjunkturentwicklung sowie das lokale Angebot und die Nachfrage zum Tragen. Hartwährungsanleihen sind dagegen ein Credit-Thema. Die Performance setzt sich also zusammen aus dem risikolosen US-Zins plus eine Risikoprämie, also den Spread. Deshalb hängt die Entwicklung dieser Bonds stark an den Treasury-Renditen. Steigen diese im Zuge der Zinswende weiter an, verlieren auch Emerging-Hartwährungsanleihen an Wert. Das liegt auch an den vergleichsweise längeren Durationen.
Ist nicht die Zinswende in den USA faktisch eingeleitet worden, auch wenn die US-Notenbank entgegen den allgemeinen Erwartungen im September doch nicht begonnen hat, ihr Anleiherückkaufprogramm zurückzufahren? Die Renditen dürften in naher Zukunft steigen, und dann droht weitere Rückschlaggefahr bei Schwellenländer-Bonds.
Wir sehen wir keine unmittelbare Fortsetzung der Zinssteigerungen in der näheren Zukunft, da wir eine Reihe von Voraussetzungen dafür als nicht erfüllt sehen. Vielmehr rechnen wir damit, dass die Staatsanleiherenditen in den großen Industrieländern in den nächsten Monaten in einem Korridor verharren.
Warum?
Auch wenn man die Rede Bernankes am 22 Mai als eine Art „Zinswende“ bezeichnen könnte, haben wir schon einen bemerkenswerten Renditeanstieg gesehen. Die Renditen der 10-jährigen US Treasuries sind sind in der Spitze die von 1,7 auf 3,0% angestiegen. Mittlerweile sind die Renditen wieder auf etwa 2,6% gesunken, aber der Renditeanstieg ist per Saldo noch immer groß.
Wir sehen allerdings immer noch Abflüsse aus Schwellenländer-Rentenfonds. Anleger sehen offenbar eher die Risiken.
Wir haben in den vergangenen Wochen zwar noch keine Trendwende gesehen, aber das Tempo der Mittelabflüsse hat deutlich abgenommen. Man muss auch unterscheiden. Es haben vor allem Privatinvestoren verkauft, weniger institutionelle Anleger, die sogar eher auf eine Einstiegsgelegenheit gewartet haben. Sollten die US-Zinsen noch einmal sprunghaft ansteigen - was sie bei der aktuellen Daten-Abhängigkeit der FED-Handlungsmuster durchaus tun könnten - könnten wir allerdings erneut eine Periode vermehrter Rückflüsse aus Emerging-Markets-Bond-Fonds sehen.
Kommen wir zur fundamentalen Seite. Welche Länder werden aus die Gewinner, welche die Verlierer sein?
Die Korrektur seit Mai hat die ökonomische Solidität und das Thema Leistungsbilanzdefizite wieder auf die Tagesordnung gebracht. Obwohl die Tatsache, dass die Türkei, Indien, Indonesien und Südafrika hohe Defizite erzeugen, keinerlei Neuigkeitswert besitzt, haben Anleger geradezu panisch auf diesen Umstand reagiert. Mittelfristig könnten persistente Leistungsbilanzdefizite aber in der Tat die Kreditwürdigkeit eines Landes belasten. Das ist aber kein akutes Problem, sondern ein latentes. Nichtsdestoweniger unterscheidet der Markt auch künftig stärker zwischen Staaten mit Defiziten und solchen mit ausgeglichenen oder positiven Leistungsbilanzen. Wir sind vorsichtig eingestellt hinsichtlich der strukturell negativen Staaten und tendieren dazu, sie unterzugewichten. Positiv sehen wir die Staaten mit positivem Reform-Momentum, etwa in Mexiko. Mit Blick auf Liquiditätsrisiken sind wir bei Indonesien vorsichtig.
Wie haben Sie den Pictet-Emerging Local Currency Debt als Reaktion auf die Krise im Sommer und die jüngste FED-Entscheidung, doch bei ihrer expansiven Linie zu bleiben, aufgestellt?
Wir hatten Mitte April 2013 die Währungen der Emerging Markets untergewichtet, um nach der guten Performance im März und April eine vorsichtigere Haltung auszudrücken. Diese Untergewichtung haben wir in der Korrektur deutlich ausgebaut, um das Portfolio defensiv auszurichten. In der Woche, in der die Fed das Tapering verschob, haben wir unsere Untergewichtung bei Währungen wieder aufgelöst, da der Markt sich offensichtlich in einer Erholungsphase befand. Sollte sich das Sentiment wieder abkühlen, werden wir wieder zu einer stärkeren Währungs-Untergewichtung zurückkehren.
Wie sieht es bei den Laufzeiten aus?
Auf der Zinsseite waren wir vor dem 22. Mai dagegen länger aufgestellt als die Benchmark, was der relativen Performance nicht gut getan hat, da auch die Rentenmärkte geschwächelt haben. Deshalb haben wir rasch nach Beginn der Korrektur die Duration auf ein benchmarkneutrales Niveau reduziert und bis Anfang Oktober neutral gehalten. Zuletzt haben wir die Laufzeiten aber moderat verlängert, da wir mit weiter rückläufigen Renditen rechnen.
Die Fragen stellte Ali Masarwah
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