Zwei Jahre nach dem Höhepunkt der Eurokrise macht sich mit Blick auf die Verursacher der Krise zunehmend Sorglosigkeit breit. Die Zusicherung von EZB-Präsident Mario Draghi Ende Juni 2012, den Euro unter allen Umständen retten zu wollen (und dies auch tun zu können) war der Ausgangspunkt der Stabilisierung der Eurozone (Bundesfinanzmininster Wolfgang Schäuble - „there will be no Staatsbankrott in Griechenland“ – hatte es ja bereits vorher prognostiziert). Die Abwendung der großen Krise war zugleich der Startschuss für die Erholung der europäischen Bankaktien. Zwischen Juli 2012 und Anfang Dezember 2013 legte der Standardwerteindex MSCI Europe um 29,6 Prozent zu – der MSCI Branchenindex für Banken brachte es dagegen auf ein Plus von 44 Prozent.
Europäische Banken auf der Kaufliste von US-Investoren
Das Ende der Fahnenstange könnte zudem noch nicht erreicht sein, blickt man auf das Verhalten von globalen Investoren, die erst jetzt zaghaft anfangen, europäische Aktien zu entdecken. Die Hausse könnte also die Hausse nähren. Laut einer Untersuchung der Financial Times haben US-Anleger die Gewichtung europäischer Banken zwischen Juni und November um zehn Prozent erhöht.
Das deckt sich mit unserer Analyse der Geldflüsse europäischer Investoren. In diesem Jahr waren Sektorfonds bzw. -ETFs, die in Finanztitel investieren, gefragt. Während die Zuflüsse in aktive Fonds per Ende Oktober mit rund 260 Millionen Euro an Nettomittelzuflüssen relativ bescheiden waren, wurden per Ende November knapp 470 Millionen Euro in entsprechende Branchen-ETFs investiert.
Mandarine-Fonds kräftig in Banken investiert
Die Frage, ob Bankaktien eher Chancen bieten oder inzwischen ein Risiko im Portfolio darstellen, wurde auf der diesjährigen Morningstar Konferenz in Frankfurt am Main Ende November kontrovers diskutiert. Einen eher optimistischen Standpunkt vertrat Marc Renaud, Fondsmanager des europäischen Aktienfonds Mandarine Valeur. „Man kann mit europäischen Banken immer noch gutes Geld verdienen“, so Renaud auf einer Diskussionsrunde.
Wie für einen Value-Fondsmanager typisch blickt der Mandarine-Fondsmanager in erster Linie auf Bewertungen. „Banken wie Intesa Sanpaolo oder UniCredit notieren nach wie vor deutlich unter Buchwert“, so Renaud. Gleichwohl räumte er ein, dass einige Banken teuer geworden seien. Bei einigen habe er Gewinne mitgenommen und andere sogar komplett verkauft, wie beispielsweise Svenska.
Andere antizyklische Investoren kaufen lieber Versicherungen
Dass Value nicht gleich Value ist und auch auf Substanzwerte konzentrierte Investoren nicht unbedingt über die Frage, was werthaltig sei und was nicht, übereinstimmen müssen, zeigte sich anhand der Bankenfrage. Hans-Peter Schupp, Fondsmanager des Fidecum Contrarian Value Euroland, hält sich derzeit von Banken fern. „Ich bin heute in Versicherer investiert, weil sie ein viel besseres Rendite-Risiko-Profil aufweisen“, so Schupp. Auch wenn man als Value-Manager nie nie sagen solle („alles hat seinen Preis“), zweifelt Schupp grundsätzlich an der Attraktivität von Investmentbanken. In schlechten Zeiten seien die Aktionäre zu 100 Prozent an den Abwärtsrisiken beteiligt, profitierten in Aufwärtsphasen indes nur zu 70 Prozent am Gewinn; die Differenz fließe üblicherweise in die Boni der Investmentbanker.
Mit dieser skeptischen Haltung gegenüber Banken konnte sich Schupp mit unserer Banken-Analystin Erin Davis in einem Boot wähnen. „Das Bild ist bei Banken trügerisch, auch weil die Branche gesünder erscheint, als sie wirklich ist“, warnte Morningstar-Analystin Erin Davis. Sie hält die einseitige Fokussierung auf das Risikokapitalansätze der Regulatoren für falsch und sogar für gefährlich, weil sie nichts über die wahren Risiken in den Bankenportfolios aussagten (lesen Sie hier die aktuelle Morningstar-Studie zu europäischen Banken).
Eine eher Middle-of-the-Road-Haltung vertrat auf unserer Konferenz Norman Boersma, Manager des Templeton Growth Fund. Europäische Banken seien mittlerweile angemessen bewertet, nur noch einige wenige seien noch günstig zu haben. Zuletzt zählten BNP Paribas, ING, UniCredit und Crédit Agricole zu den Top 30 Titeln im Templeton Growth Fund. Bankentitel sind in dem Fonds leicht gegenüber dem Vergleichsindex übergewichtet. Allerdings hatte Boersma das Gros seiner europäischen Banken-Holdings bereits vor gut 1,5 Jahren gekauft, als die tiefen Kurse einem Value-Manager den Einstieg leicht machten.
Wer den klassischen Value-Ansatz von Templeton kennt, wird hinter der Charakterisierung „fair bewertet“ herauslesen, dass Boersma seine Positionen in europäischen Banken vermutlich nicht weiter aufstocken wird.
Risiken sollten nicht unterschätzt werden
Die eher vorsichtige Haltung der Experten mit Blick auf europäische Banken dürfte ein guter Gradmesser für die Frage sein, ob Anleger heute Neuanlagen in Banken-Aktien wagen sollten. Auch wenn man Banken zu den Profiteuren steigender Zinsen und der Versteilung der Zinskurve zählen kann, stellt sich die Frage, ob Investoren heute noch mit einem Einstieg liebäugeln sollte. Es spricht viel dafür, dass die Risiken einer Underperformance gegenünber anderen Branchen überwiegen. Aus fundamentalen Gesichtspunkten ringt sich Morningstar-Analystin Davis allenfalls zur Empfehlung der solideren europäischen Banken durch, zu denen sie HSBC, Standard Chartered und UBS zählt.
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