Bei einem Investment in riskante Anlageklassen sind falsche Erwartungen beinah genauso gefährlich wie die Marktrisiken selbst. Anleger, die sich von der jüngsten Emerging-Markets-Hype anstecken ließen und unbedarft in Schwellenländer-Anleihen investierten, dürften im Jahr 2013 unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt worden sein. Realistischere Erwartung finden Stefan Winkler und Josef Obergantschnig keine schlechte Sache. Winkler ist Fondsmanager des diesjährigen Gewinners des österreichischen Morningstar-Awards „bester Fonds für Schwellenländer Bonds“, Apollo New World (nicht zum öffentlichen Vertrieb in Deutschland zugelassen). Obergantschnig ist Chief Investment Officer der Grazer Security Kapitalanlage AG. Die Fondsgesellschaft gehört zum Konzern Grazer Wechselseitigen Versicherung. Dass die Security KAG bereits 1996 den Bereich Schwellenländer-Renten erschloss (der Apollo New World ist Österreichs ältester Schwellenländer-Bond-Fonds), ging auf das seinerzeitige Bedürfnis des Versicherungskonzerns zurück, seine Kapitalanlage weiter zu diversifizieren. Ein Interview über eine lange Zeit überschätzte und heute vermutlich über Gebühr gescholtene Asset-Klasse.
Josef Obergantschnig und Stefan Winkler. Foto: Security KAG
Herr Winkler, Herr Obergantschnig, wohl kaum eine Asset Klasse war in den vergangenen Jahren so gefragt wie Schwellenländer-Rentenfonds . Anleger sind seit 2009 in großem Stil eingestiegen, zumeist über Fonds. Dann fing im Mai 2013 die Tapering-Diskussion an, und seitdem stehen die Zeichen auf Sturm: Die Fonds habe hohe Verluste hinnehmen müssen, und Anleger können nicht schnell genug verkaufen. Wo stehen Emerging Bonds heute?
Das Thema war schon extrem gehypt. Schwellenländer-Bonds wurden sogar als Alternative zu sicheren Staatsanleihen gepriesen. Das ist Unfug, das waren sie nie. Viele Anleger haben vermutlich dann in Schwellenländer-Bonds investiert, als die Eurokrise eskaliert ist und der Untergang der Eurozone prophezeit wurde. Ich befürchte, da ist viel Porzellan zerschlagen worden. Wir sind nicht enttäuscht von der Negativentwicklung 2013. Zum einen handelt es sich um eine riskante Anlageklasse, und Anleger müssen wissen, dass immer Rückschlaggefahr droht. Zum anderen investieren wir nicht in lokale Schwellenländer-Währungen, die besonders stark unter die Räder gekommen sind. Wir sichern das Portfolio des Apollo New World darüber hinaus auch teilweise gegen US-Dollar-Risiken ab, was dem Apollo New World angesichts der Euro-Stärke in den vergangenen 12 Monaten zusätzlich geholfen hat.
Schwellenländer-Bonds wurden sogar als Alternative zu sicheren Staatsanleihen gepriesen. Das ist Unfug, das waren sie nie.
Warum diese doppelte Absicherung auf der Währungsseite? Versuchen Sie beim Euro-Dollar-Kurs die richtigen Timing-Entscheidungen zu treffen?
Nein, wir timen nicht den Markt. Unser Ziel ist es vielmehr, den Euroinvestor zu adressieren. Das US-Dollar-Risiko bringt bei Bonds auch langfristig eine zu hohe Volatilität. Sie bekommen die gleiche Ertragserwartung mit weniger Risiko, wenn sie das Dollar-Risiko teilweise absichern.
Dass Emerging Bonds nicht der sichere Hafen sind, haben vermutlich inzwischen die meisten Investoren verstanden. Aber welche Rolle können sie in einem Privatanleger-Portfolio spielen?
Dass falsche Erwartungen geschürt wurden, ist sehr bedauerlich, zumal Emerging Bonds durchaus ihre Stärken haben. Ungeachtet der politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten, die mit ihnen behaftet sind, liefern sie Renditen zu adäquaten Risiken. Sie sind als Mittel zur Diversifikation optimal, weil sie sich anders im Portfoliokontext verhalten als andere Asset-Klassen. Diversifizierte Portfolios mit Emerging Markets Bonds steigern im Optimalfall die Ertragserwartungen, ohne das Gesamtrisiko zu steigern.
Bei steigenden Zuflüssen aus den Industrieländern steigen allerdings typischerweise die Korrelationen von Asset-Klassen, die zuvor nicht oder nur wenig mit den Kapitalmärkten der Industrieländer korreliert waren. Die Diversifikationseffekte können dann abnehmen.
Ich wäre vorsichtig mit Korrelationen, denn sie implizieren eine Standardnormalverteilung der Renditen. Das ist meiner Ansicht nach zu schematisch. Eine Normalverteilung gibt es bei Emerging Markets nicht, denken Sie nur an die starken Korrekturen, die wir bei Emerging Markets-Währungen gesehen haben. Dieses Verhalten lässt sich mit klassischen statistischen Verfahren nicht erklären, geschweige denn vorausschauend berechnen. Ich würde das so formulieren: Beim Gift ist es eine Frage der Dosis. Soll heißen: Sofern die Gewichtungen von Emerging Bonds nicht zu hoch sind, sind sie für das Gesamtportfolio nicht schädlich.
Korrelationen implizieren eine Standardnormalverteilung der Renditen. Das ist zu schematisch. Es gibt bei Emerging Markets keine Normalverteilung.
Wenn Sie sagen, dass Schwellenländer-Bonds sich nicht in klassische Korrelationsschemata einfügen lassen, stellt sich die Frage, was die klassischen Korrelationsmatrizen Wert sind. Wenn man bestimmte Assets außen vor lässt und sagt: die lassen sich eh nicht mit den üblichen Rendite-Risko-Modellen fassen.
Ich würde sogar noch weiter gehen. Es gibt auch unter den klassischen Asset-Klassen kein konstantes Korrelationsverhalten bzw. keine stabilen Korrelationsmuster. Es ist alles eine Frage des Betrachtungszeitraums. Innerhalb bestimmter Zeitfenster korrelieren manche Assets miteinander, in anderen wiederum nicht. Nehmen Sie das Beispiel Aktien zu Renten. Längere Zeit war die Korrelation positiv, heute ist sie negativ. Die Märkte ändern sich ständig, und man muss aufpassen, dass man nicht bestimmte Korrelationsmuster der Vergangenheit als Gesetzmäßigkeit missversteht.
Wie gehen Sie heute vor bei Emerging Markets Bonds, jetzt, wo das Kind in den Brunnen gefallen ist? Wo ist das Rendite-Risiko-Profil attraktiv?
Wir fahren auch heute keine großen Übergewichtungen oder Untergewichtungen. Das wichtigste ist, nicht alles auf eine Karte zu setzen. Die Verhältnisse in den Schwellenländern sind nicht stabil, auch nicht in den reiferen Märkten wie Brasilien oder Mexiko; auch dort können unerwartete Probleme hochkommen, die die Asset-Preise treffen. Wer in Emerging Markets investiert, muss diversifizieren, sonst ist das Veränderungsrisiko zu groß und man kann auf dem falschen Fuß erwischt werden. Auch nach einer Korrektur.
Was halten Sie von Emissionen wie der 2016-er KfW-Real-Anleihe. Sie rentiert derzeit mit rund 9%. Brasilianische Real-Anleihen bringen dagegen gut 12% - lohnt sich das Zusatzrisiko?
Natürlich klingt es gut, wenn die KfW eine Real-Anleihe begibt. Sie ist faktisch mit einer deutschen Staatsgarantie ausgestattet. Mit Blick auf die Bonität ist das also eine erstklassige Sache. Allerdings ist das Währungsrisiko beachtlich. Währungsrisiko und Zinsänderungsrisiko stehen auch in einem engen Wirkungszusammenhang. Nach dem Absturz des Real hat die brasilianische Notenbank die Zinsen um 350 Basispunkte erhöht So was drückt auf die Kurse älterer Anleihen. Heute ist in vielen Schwellenländern die Währung das Nadelöhr. Ziehen ausländische Investoren weiter ihr Geld ab, kann es sein, dass die Währungen weiter abwerten. Vor solchen Verlusten ist auch die besagte KfW-Anleihe nicht gefeit.
Wer in Emerging Markets investiert, muss diversifizieren, sonst ist das Veränderungsrisiko zu groß und man kann auf dem falschen Fuß erwischt werden.
Anleger sollten sich also nicht von den scheinbar traumhaften Konditionen blenden lassen.
Genau, es gibt bei Emerging-Markets-Bonds drei Risikoquellen: Das Bonitätsrisiko, das Währungsrisiko und das Zinsänderungsrisiko. Die müssen Sie als Investor alle im Blick haben. Wir investieren nur in Hartwährungsanleihen. Sie haben unserer Meinung nach das beste Risiko-Ertragsprofil. Bei lokalen Anleihen ist das Währungsrisiko ein zu dominanter Faktor.
Nun könnte man allerdings argumentieren, dass eine Währung nach einer Korrektur von, sagen wir 20%, die Voraussetzung dafür ist, dass ein Land wettbewerbsfähiger wird. Eine Erholung der Wirtschaft stabilisiert wiederum die Währung. Man könnte also schon die Meinung vertreten, dass auch Währungskurse zu den langfristigen Durchschnitten tendieren.
Das sehe ich nicht so, ich glaube nicht an einen reversion to the mean bei Währungen. Ich halte auch das so genannte PPP-Prinzip (steht für purchasing power parity, nach dem sich die Wechselkurse so annähern, dass irgendwann zwischen den unterschiedlichen Währungsräumen Kaufkraftparität herrscht) allenfalls für eine theoretische Überlegung. In der Praxis gibt es kein Indiz dafür, dass es mit einer abgewerteten Währung zwangsläufig wieder aufwärts gehen muss. Die Schwellenländer sind einfach zu heterogen, es gibt zu viele Ineffizienzen, verschiedene Anleihen mit ganz unterschiedlichen Risikoaufschlägen. Das kann man nicht über einen Kamm scheren.
Sehen Sie denn heute bei den Hartwährungsanleihen der Ukraine eher Chancen oder Risiken?
Wir sind heute bei Ukraine-Bonds neutral gewichtet, und das wird voraussichtlich auch so bleiben. Die Kurse sind auch nicht so stark gefallen, wie man vielleicht vermuten könnte. Sie notieren bei zwischen 85 und 90. Die Renditen sind attraktiv, aber in Schwellenländern sind die Risiken nun einmal entsprechend groß. Man weiß nicht, was morgen passiert.
Betrachtet man die Defaults von Emerging Markets über längere Zeit, muss man konstatieren, dass es nichts gab, was es nicht gab.
Der Westen wird der Wirtschaft der Ukraine unter die Arme greifen wird. Sind Ukraine-Bonds dann nicht eine Chancen für Anleger?
Grundsätzlich mag das sein, aber wenn man die Defaults in den Schwellenländern über längere Zeit betrachtet, und es gab etliche, muss man konstatieren, dass es nichts gab, was es nicht gab. Man muss also vorsichtig sein, wenn es darum geht, die eigene Meinung zu einer bestimmten Entwicklung im Portfolio umzusetzen. Schwellenländer sind anfällig für schnelle Trendwechsel, und es kommt oft genug anders, als man erwartet, auch oder gerade dann, wenn man vorher kreative Szenarien aufgestellt hat. Weil zu jeder Zeit unvorhergesehene Risiken aufpoppen können, muss man breit aufgestellt sein. Die Positionen müssen dosiert gewichtet sein, große Übergewichtungen ergeben Klumpenrisiken, und die können voll durchschlagen.
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