Während des dot.com-Booms haben Fondsmanager häufig ihr Mandat überschritten und sind den heißen Aktien nachgejagt. Die Folge ist bekannt: Die Gierigen wurden abgestraft – stiltreue Fondsmanager hingegen belohnt. Viele professionelle Investoren haben aus der traumatischen Erfahrung gelernt und ihre Fondsmanager an die kurze Leine gelegt, damit diese nicht enthemmt Modetrends hinterherjagen. Investoren reagieren heute sehr sensibel auf signifikante Veränderungen der Eigenschaften eines Portfolios, wie beispielsweise die Verlagerung des Schwerpunkts von großkapitalisierten Unternehmen zu Nebenwerten auf Aktienseite oder von qualitativ hochwertigen Anleihen zu spekulativen Papieren auf der Bond-Seite.
Morningstar Style Box gibt Tiefenschärfe auf einen Blick
Produktklarheit und –wahrheit lassen sich sehr gut anhand der Morningstar Style Box ablesen, und heute hat diese analytische Zerlegung von Fondsportfolios weltweit Schule gemacht (hier finden Sie das Methodologie-Dokument der Morningstar Style Box). Die hochwillkommene Folge: Es ist viel einfacher für Anleger geworden, Fonds miteinander oder mit einem Index zu vergleichen. Diese stärkere Transparenz hat zweifelsohne auch zu einer Disziplinierung der Fondsbranche beigetragen – heute steht für Fondsmanager die Wertpapierselektion viel stärker im Vordergrund, als der müßige Versuch, Märkte zu timen.
Dass sich die Style Box bzw. die analytische Zerlegung von Fonds nach Faktoren durchgesetzt hat, hat jedoch auch Probleme mit sich gebracht. Fangen wir mit etwas scheinbar Unverfänglichem an: der Definition des Value-Investierens. Dabei geht es im ursprünglichen Sinne darum, solche Aktien zu kaufen, die substantiell günstiger bewertet sind, als die Summe ihrer künftigen Cash Flows. Man nennt das auch die Suche nach dem inneren, intrinsischen Wert.
Werthaltigkeit findet man in mannigfaltiger Form, etwa mittels Analyse der Bilanzen oder in der Identifikation von Wachstumschancen eines Unternehmens. Vor dem Hintergrund dieser Definition ist es absolut plausibel, einen bekennenden Value-Fondsmanager auf der Growth-Seite der Style Box zu finden. Ein Beispiel ist Alexander Darwall der seit 2007 den Jupiter European Opportunities (LU0260085492) verwaltet: Anfang 2008 hat er noch überwiegend Aktien aus dem Bereich Mid-Cap Blend ausgewählt, ist mittlerweile aber deutlich in Richtung Large-Cap Growth gewandert. Bei der Titelselektion ist das Management nicht zwingend an die Benchmark gebunden.
Im Sinne der Style Box bedeutet Value-Investieren, günstig bewertete Wertpapiere zu kaufen - also auf Unternehmen mit günstigen Kurs-Buch- oder Kurs-Gewinn-Verhältnissen zu setzen. Diese beiden Ansichten über Value-Investing haben sich in der Vergangenheit überschnitten. Benjamin Graham, der Vater des Value-Investierens, hat mit einfachen Screening-Methoden günstige Aktien identifiziert.
Buffett hat sich von Grahams Prinzipien längst gelöst
Grahams bekanntester Schüler, Warren Buffett, hat in seinen jungen Jahren als Investor mit dieser Regel sehr viel Geld verdient. Allerdings hat er sich peu-a-peu zu einem Investor in Qualitäts-Aktien entwickelt – aus Style Box-Perspektive sind das eher Growth oder Blend-Aktien. In einem Brief an die Berkshire Hathaway-Aktionäre hat Buffett im Jahr 2000 geschrieben: „Marktbeobachter und Investment Manager, die ‚Growth‘ und ‚Value‘ Stile als gegensätzliche Anlagestile bezeichnen, zeigen ihre Ignoranz, nicht ihre Rafinesse.“ Tatsächlich ist - unglücklicherweise - im Laufe der Zeit der Unterscheid zwischen dem Prinzip des intrinsischen Werts und der günstigen Bewertung mit KGVs und KBVs als Maßstab in den Köpfen vieler Anleger verwischt.
Ich würde so weit gehen zu sagen, dass es grotesk wäre, Stockpicker auf einen Stil festlegen zu wollen. Die Style Box setzt das Drei-Faktoren-Modell von Eugene Fama und Kenneth French in die Realität um. Es folgt der Erkenntnis, das es drei Rendite-Treiber bei Aktien gibt: den Markt, die Bewertung und die Marktkapitalisierung. Nach Ansicht von Fama und French kompensieren Value und Small Cap-Aktien das ihnen inhärente Risiko durch höhere Renditen, als sie der breite Markt liefert. Allerdings wäre es eine grobschlächtige Vorgehensweise, durch die gezielte Anlage in Fonds, die sich in den jeweiligen Style Box-Kästchen befinden, Value und Nebenwerte ins Portfolio zu legen. An dieser Stelle sollte die Erkenntnis nicht überraschen, dass die Style Box nicht die Investmentphilosophien der großen Stockpicker beschreibt.Viele Fonds erfolgreicher Manager wandern im Zeitverlauf durch die Morningstar Style Box, ohne dass diese ihrem Ansatz untreu geworden wären.
Viele Fonds erfolgreicher Manager wandern im Zeitverlauf sogar durch die Style Box, ohne dass diese ihrem Ansatz untreu geworden wären.
Eine etwas tückische Konsequenz des Aufschwungs der Style Box ist der Trend zur Homogenisierung von Fonds. Die Style Box hat gewissermaßen die Funktion eines Damokles Schwert eingenommen, die viele Fondsmanager dazu gebracht hat, ihre Wetten wegzudiversifizieren und – beabsichtigt oder nicht – ihren Benchmarks zu folgen.
Der Wissenschaftler Antti Petajisto hat dokumentiert, dass das Phänomen der Indexnähe bei aktiv verwalteten Fonds Ende der 1990er Jahre signifikant gestiegen ist und sich seitdem nicht geändert hat. Das ist nicht gut; denn Manager, die ihr Portfolio aktiv verwalten sind tendenziell in der Lage, ihren Vergleichsindex zu übertreffen. Petajisto hat herausgefunden, dass Stockpicker die heimlichen Indexfonds übertreffen. Die Fonds, die in der Fachsprache auch Closet Indexer genannt werden, bilden weitgehend ihre Vergleichsindizes ab, vereinnahmen dafür aber hohe Gebühren. Im besten Fall erzielen Sie die Indexrendite minus Kosten. Sie erzielen also systematisch Renditen unter Indexniveau. Russ Wermers von der University of Maryland kam 2012 in einer Studie zu dem Ergebnis, dass Manager, die sich bei der Aktienauswahl wenig um Style-Faktoren sorgen, in Zukunft ihre Konkurrenten übertreffen.
Es gibt mehrere Gründe, die für die Validität dieser Untersuchungen sprechen. Aktivere Manager berechnen effektiv weniger für ihrer Dienstleistung. Ein einfaches Beispiel: Ein Fondsmanager, der 1% an Verwaltungsgebühren verlangt, investiert die Hälfte des Portfolios in den DAX 30 und steckt die andere Hälfte in Aktien seiner Wahl. Da er den Index so gut wie kostenlos abbilden kann, berechnet er für den aktiv gemanagten Part in seinem Portfolio also 2% an Gebühren. Logischerweise ist es für einen Fondsmanager, der höhere Gebühren berechnet, schwieriger, den Markt zu schlagen.
Das kann aber nicht die ganze Geschichte sein, da aktivere Manager auch vor Abzug der Gebühren ihre weniger aktiven Pendants outperformen. Die Tendenz, konzentrierte Wetten zu fahren, kann das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten widerspiegeln. Ein schlechter Manager, der weiß, dass er nicht viel kann, wird sich eher entlang seines Vergleichsindex hangeln, um zu vermeiden, dass er entlassen wird. Ein guter Manager, der auf seine Fähigkeiten vertraut, wird sich von kurz- und mittelfristigen Rücksetzern nicht beirren lassen, welche die Ferne vom Index mit sich bringt.
Style Box ist kein Instrument für die Risikokontrolle!
Den größten Fehler begehen Investoren jedoch, wenn sie die Style Box als Gebrauchsanweisung für die Manager-Diversifikation (und somit als Risikomanagement-Instrument) verwenden. Als ob die Auswahl des Fondsmanagers nach dem Motto „Malen nach Zahlen“ erfolgte!
Eine häufige Falschanwendung der Style Box ist es, für jedes der neun Quadrate einen anderen Manager auszusuchen in dem Glauben, damit eine Outperformance erzielen zu können. Es ist schon schwierig genug, fähige Manager zu finden, daher wäre es unlogisch, diese Übung für jedes Quadrat immer wieder aufs Neue zu starten. Wenn man zwei Manager findet, die sich zwar im selben Quadrat der Style Box befinden, aber vollkommen unterschiedliche Anlagephilosophien und Portfolios haben, gibt es keinen Grund, den einen Fonds zu verkaufen und auf einen schlechteren Manager zu setzen, nur weil der in einem anderen Quadrat sitzt. Um eine Balance in die Gesamtausrichtung des eigenen Portfolios zu bringen, ist es einfacher, Style-ETFs zu verwenden – fähige aktive Manager zu finden, ist ein viel schwierigeres Unterfangen. Mit anderen Worten: Quadrate mit spezifischen Managern zu füllen, ist eine andere Art, viel Geld zu bezahlen, um den Markt abzubilden.
Wer sie richtig anwendet, kann viel Nutzen aus der Style Box ziehen. Sie ist ein intuitiv verständliches Messinstrument. Aber wer zu viel von ihr verlangt, läuft Gefahr, sie zum Vorhängeschloss zu machen. Investoren, die so vorgehen, erwarten von ihren Fondsmanagern, dass man sie in kleinen Kästchen verorten kann. Manager beschränken sich wiederum selbst, indem sie bei Investmententscheidungen mit beiden Augen auf die Scorecard anstatt auf das Spielfeld schauen. Für das Problem gibt es ein einfaches Heilmittel: Betrachten Sie die Style Box als Wegweiser in einer komplexen Realität, nicht als detaillierte Handlungsanweisung.
Die Definition von Value-Investing nach der Style Box basiert auf einer akademischen Interpretation des Marktes, die in der Praxis häufig vom Allgemeinverständnis abweicht: Dem Investor, der echte Werthaltigkeit (in ihren mannigfaltigen Facetten) sucht, sei gesagt: Seien Sie misstrauisch bei Managern, die streng an ihrer Style Box festhalten und die Komplexität der Realität nicht anerkennen wollen. Sie bieten oft nur Indexfonds an und vertrauen vermutlich nicht ihren eigenen Outperformance-Fähigkeiten. Und was auch immer Sie machen: Diversifizieren Sie Ihr Portfolio über die gesamte Style Box nicht ausschließlich mit Hilfe von aktiven Fondsmanagern. Das können Sie selbst zu viel günstigeren Kosten. Konzentrieren Sie sich statt dessen darauf, die besten Manager zu finden - unabhängig von ihrer Einordnung in der Style Box, und formen Sie danach den Gesamtstil Ihres Portfolios, indem Sie günstige Style-ETFs dazu nehmen.
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