Wie findet ein Growth-Manager in der heutigen Zeit noch Aktien, die schon längst alle besitzen? Welches Kurspotenzial haben solche Unternehmen noch? Kann man es sich leisten, zyklische Aktien und Indexschwergewichte wirklich vollständig zu ignorieren? Auf der Suche nach Antworten trafen wir Matthias Born von Allianz Global Investors, der unter anderem den Allianz Euroland Equity Growth managt.
Herr Born, die Stichworte „Europa“ und „Wachstum“ miteinander in Einklang zu bringen, dürfte für viele Anleger nicht einfach sein. Ungeachtet des anämischen Wachstums hat zudem die aggressive Zinssenkungspolitik der Europäischen Zentralbank die Aktienkurse nach oben getrieben. Finden Sie als Fondsmanager, der sich auf Wachstumsaktien spezialisiert, überhaupt noch Wachstumsunternehmen zu akzeptablen Preisen?
In der Tat passen die Begriff „Wachstum“ und „Europa“ nicht wirklich zusammen, zumindest was das Gesamtbild des Wirtschaftswachstums angeht. Das heißt jedoch nicht, dass es nicht interessante Sektoren, Nischenmärkte und damit auch Firmen gibt, die überdurchschnittliche und für Europa ungewöhnliche Wachstumsraten abliefern. Wir haben viele Firmen im Portfolio die mittel- bis hocheinstelliges Umsatzwachstum und zweistelliges Gewinnwachstum aufzeigen. Ist dieses Gewinnwachstum nachhaltig, sind diese Unternehmen äußerst attraktiv für Investoren. Was meine Arbeit heute schwieriger macht, sind aber in der Tat die Bewertungen, die höher sind als noch vor drei oder vier Jahren. Es gab eine Ausweitung der Bewertungskennzahlen über die letzten Jahre, da die Kurse stärker gestiegen sind als die Gewinne.
Die EZB schickt sich an, ihre Bilanz um über 1.000 Milliarden Euro in den kommenden Jahren auszuweiten und weiter mit ihrem „großen Experiment“ voranzuschreiten. Wie groß ist Ihres Erachtens die Gefahr, dass die Liquiditätsschwemme wieder eine Junk-Rallye auslöst und „Qualität“ auf der Strecke bleibt, wie es zum Beispiel 2013 der Fall war?
Möglich ist das, aber ich halte es nicht für wahrscheinlich. Zum einen zeigt die Historie, dass sich diese Rallyes meist aus einem stark gefallenen Aktienmarkt heraus entwickeln. Investoren kaufen dann verstärkt die Aktien, die am deutlichsten gefallen sind, in der Hoffnung, die Titel mit dem größten Aufholpotential zu erwischen. In der Situation befinden wir uns heute eindeutig nicht. Zum anderen gehe ich von einem Lerneffekt aus, und das nicht von ungefähr: Man konnte schon nach den letzten Maßnahmen der EZB beobachten, dass nicht mehr so undifferenziert gekauft wird wie es früher der Fall war.
Greifen Sie auch deshalb auf zyklische Unternehmen zurück, die heute relativ gesehen günstiger bewertet sind als Wachstumsaktien? Im Fonds Allianz Euroland Equity Growth sind einige zyklische Konsumgüter oder Industrietitel vertreten. Wie passt das mit Ihrem Fokus auf Qualitätswachstum zusammen?
Qualität und Zyklik eines Geschäftsmodells schließen sich nicht aus. Es gibt ohnehin nur wenige Firmen, die überhaupt keiner Zyklik unterliegen; selbst defensive Konsumaktien haben einen gewissen Zyklus. Ich meide Firmen, deren Wachstum nur durch den Zyklus erklärbar ist, investiere aber durchaus in zyklische Konsumfirmen wie auch Industrietitel, die sich über den gesamten Zyklus besser schlagen als der Markt, wie beispielsweise ASML, Legrand, Continental oder BMW.
Was ist langfristig eigentlich wichtiger: nicht in den schlechtesten Performern investiert zu sein oder aber die Outperformer erwischt zu haben? Der Concentra beispielsweise ist ein klassischer deutscher Standardwertefonds, und der DAX lässt mit seinen 30 Aktien nur geringe Spielräume für aktive Fondsmanager.
Beides ist entscheidend! Es ist sicher immer sehr wichtig, die großen Verlierer zu meiden. Das waren insgesamt gesehen in den letzten Jahren Versorger und Banken, bei denen ich nicht investiert war. 2014 habe ich auch von meiner niedrigen Gewichtung in Adidas profitiert. Auf der Gewinnerseite stehen aber auch Titel aus der zweiten Reihe wie Continental, United Internet, Henkel, Stroeer oder auch Symrise. Natürlich gibt es auch Gegenbeispiele. Unserem Eurolandfonds hat die italienische Saipem, die Dienstleistungen für die Ölindustrie erbringt, 2013 sehr geschadet und war auch die Aktie mit dem negativsten Beitrag über die letzten 5 Jahre. Ich habe die Aktie mit einem schmerzhaften Verlust verkauft, nachdem es 2 Gewinnwarnungen gab. Per heute muss man sagen, dass die Entscheidung trotzdem noch richtig war, die Aktie ist seitdem weiter gefallen. Im gleichen Zug habe ich mich damals von dem ganzen Sektor getrennt, da man schon deutliche Bremsspuren bei den Aufträgen gesehen hat , die ich als strukturell einschätzte. Was habe ich daraus gelernt? Geschäftsmodelle mit großen projektbezogenen Risiken sind immer schwer zu kalkulieren.
Sie sind bekannt dafür, wichtige Index-Bestandteile außen vor zu lassen. Sie haben den Bankensektor erwähnt. Der hat aber seit 2011 immer wieder starke Rallyes hingelegt, ebenso wie die Deutsche Telekom, die in Ihren Fonds nicht vertreten war. Werden Sie das auch weiterhin so handhaben, wohl wissend, dass der Markt bei liquiditätsgetriebenen Märkten dazu neigt, wenig zu diskriminieren?
Das wird auf jeden Fall so bleiben! Langfristig war es immer so, dass gerade mal gut 10 DAX-Unternehmen es geschafft haben, den Index zu schlagen. Es ist natürlich richtig, dass bei manchen Aktien, die stark eingebüßt haben, wie etwa die Deutsche Bank oder die Versorger, die Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Kurssturz geringer ist. Aber ein begrenztes Verlustpotenzial heißt noch lange nicht, dass diese Aktien zu Outperformern werden. Es ist natürlich wichtig, die Möglichkeit von strukturellen Veränderungen zu erkennen und Turn-around-Kandidaten zu identifizieren; diese sind aber aus meiner Erfahrung selten. Es gelingt nur wenigen Unternehmen vom Underdog zum Überflieger zu avancieren.
Die Unternehmensgewinne in Europa sind heute 20% unter dem Niveau der Gewinne von 2007, ganz im Gegensatz zur Gewinnsituation der Unternehmen im S&P 500, die 40% über dem Niveau von 2007 sind. Spiegelt das den Zustand der europäischen Unternehmen wider? Was muss passieren, dass sich diese Schere wieder schließt?
Der Zustand der Unternehmen in Europa ist insgesamt eigentlich gut - viele haben die Zeit nach der Finanzkrise genutzt, um effizienter zu werden und ihre Bilanzen zu stärken. Das Problem ist, dass die Unternehmen zu wenig in ihrer Heimat investieren, obwohl sie im Geld schwimmen und obwohl die Finanzierungskosten extrem niedrig sind. Hier liegt dann auch ein Schlüssel für mehr Wachstum. Wir brauchen mehr Mut für Investitionen in Europa. Das gilt vor allem für Unternehmen, aber auch für Staaten, die es sich leisten können, wie zum Beispiel Deutschland. Damit Unternehmen und Konsumenten mehr Zuversicht haben können, muss die Politik noch mehr Vertrauen schaffen und Reformen auch ohne Druck weiter vorantreiben. Kurzfristig könnte der schwache Ölpreis als Wachstumsimpuls wirken. Die Schere zu den USA kann sich dann schließen, wenn das Wachstum anzieht, denn der operative Hebel könnte dann enorm sein. Um diesen Effekt zu erzielen, ist in Europa nicht viel Wachstum notwendig.
Die Fragen stellte Ali Masarwah
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