Für Verbraucherschützer und Medien ist die Sache klar: Honorarberater sind gut für Anleger, weil sie aus den laufenden Produktkosten keine Provisionen beziehen – in der Fachsprache sind das Kickbacks oder auch Retrozessionen. Berater, die auf Provisionsbasis arbeiten und Kickbacks vereinnahmen, so die inzwischen kaum hinterfragte These, sind dagegen schlecht für Anleger. Da Vertriebs- und Produktkosten bei Provisionsberatern eine Einheit bilden, wird ohne viel Federlesens unterstellt, dass diese Berater ihre Anleger standardmäßig zu teuren Produkten lenken, weil sie daraus den größten Nutzen für sich ziehen.
In unserem jüngst veröffentlichten Kommentar zur Frage, ob verkappte Indexfonds ein Fall für die Aufsicht sind, haben wir die These vertreten, dass nicht die teuren, semi-aktiven Fonds das Problem sind, sondern die Vertriebsstrukturen, die diese Fonds am Leben halten. Etliche Leser haben sich daraufhin gemeldet, und ihre Reaktionsmuster lassen darauf schließen, dass sie uns in der Ecke derer sehen, die dem oben erwähnten Schwarz-Weiß-Schema folgen: Honorarberater gut; Provisionsberater böse.
Aus dem Schwarz-Weiß-Schema ausbrechen
Halt, zurück, alles auf Anfang! Sollte dieses Bild entstanden sein, wollen wir es schleunigst zurecht rücken. Natürlich sind wir in unserem Kommentar kritisch mit den Vertrieben ins Gericht gegangen, die ihre eigenen Interessen vor die ihrer Anleger stellen und aufgrund ihres Wissensvorsprungs ihre Kunden übervorteilen und wider besseres Wissen nicht-performante Fonds verkaufen. Das ist vor der Finanzkrise sehr häufig passiert, und ich würde meine Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass diese Praxis überall verbannt wurde.
Dass die Honorarberatung eine gute Grundlage darstellt, um die Interessen der Anleger mit denen des Vertriebs in Einklang zu bringen, heißt im Umkehrschluss allerdings nicht, dass wir der Meinung sind, dass Berater, deren Geschäftsmodell auf der Vereinnahmung von Provisionen basiert, grundsätzlich nicht im besten Interesse ihrer Kunden arbeiten. In der aufgeheizten Debatte vermissen wir sehr häufig das Kernthema, um das es eigentlich gehen sollte: die Anlegerrendite. Kritiker weisen zu Recht darauf hin, dass die Provisionsberatung nicht kostenlos ist. Allerdings werden die Kosten der Honorarberatung in der Diskussion nur sehr rudimentär behandelt. Das liefert ein unvollständiges Bild, denn gerade die Honorarberatung ist nicht kostenlos!
Bei der Honorarberatung bleibt es nicht bei 150 Euro
In den meisten Veröffentlichungen in den Medien werden die Stundensätze erwähnt, die Honorarberater typischerweise verlangen. Es werden Untergrenzen von 130 bis 150 EUR erwähnt. Die implizite Annahme ist, dass es dabei bleibt. Ein Anleger mit einem Depotvermögen von 100.000 EUR würde also bei einem einstündigen Beratungsgespräch pro Jahr Kosten von 0,15% des Vermögens zu tragen haben. Dem, so die Legende weiter, stehen sehr hohe Einsparungen durch die Erstattung der Kickbacks gegenüber. (Der Verbund deutscher Honorarberater hat auf seiner Website eine wirklich beeindruckende Liste über das mögliche Ausmaß der Erstattungen von Kickbacks zusammengestellt, klicken Sie hier).
Anleger, die nun in Erwartung immenser Einsparungen ihrem (Provisions-)Berater kündigen, um zum nächsten Honorarberater zu eilen, sollten inne halten. Das Problem an der oberen Annahme ist, dass sie keine realistische Größenordnung darstellt. Mehrere Experten aus der Honoarberaterszene haben uns versichert, dass die allermeisten Honorarberater eine Betreuungsgebühr erheben, deren Höhe sich faktisch am Depotvolumen bemisst. Uns wurden Spannen von zwischen 0,8 und 1,2 Prozent pro Jahr genannt. (Erstgespräche seien demnach oft sogar kostenlos - es geht also nicht um 150 Euro!).
Das hat uns hellhörig gemacht. Angesichts von Jahresgebühren von 0,8 bis 1,2% -- manche Honorarberater erheben darüber hinaus dem Vernehmen nach auch Performance-Gebühren -- ist es keinesfalls ausgemachte Sache, dass eine Honorarberatung Anleger zwangsläufig günstiger kommt als die Provisionsberatung. Wir wollten der Sache nachgehen und klären, mit welchen Kosten Anleger, die sich von einem Honorarberater laufend betreuen lassen, im direkten Vergleich mit dem Provisionsvertrieb rechnen können.
ETFs? Aktiv verwaltete Fonds? Honorar? Provision?
Weil Zahlen mehr sagen als viele Worte, wollen wir ein kleines Rechenbeispiel unternehmen. "Was ist aus 10.000 Euro nach drei und fünf Jahren bei beiden Vertriebsformen geworden?", lautete die Frage. In der Antwort beziehen wir die Kosten der beiden Vertriebsformen systematisch mit in die Performance ein und arbeiten uns an den am Markt existierenden Fondstypen ab: ETFs und aktiv verwaltete Fonds.
Auch wenn es sich hier um eine idealtypische Beispielrechnung handelt, die sich so natürlich nicht in der Realität findet, haben wir unser Beispiel dergestalt realistisch gestaltet, dass wir reale Performance-Zahlen von Fonds und die tatsächlich erhobenen Produktkosten zugrunde gelegt haben. Die Höhe der Betreuungsgebühr von 1% des Depotvermögens pro Jahr wurde wiederum von Kennern der Honorarberaterszene als realistisch bezeichnet. (Wir haben die Gebühr -- wie auch bei der Managementgebühr üblich -- von der Performance direkt abgezogen, was zugegebenermaßen nicht der Praxis entspricht, einmal pro Jahr eine Rechung zu stellen.)
Wir haben für das Sample alle zum Vertrieb im deutschsprachigen Raum zugelassenen Produkte einbezogen und in die drei großen Asset Klassen Aktien und Bonds sowie gemischte Fonds unterteilt. Um gleich mit gleich zu vergleichen, haben wir bei der Renditerechnung für Anleger, die von einem Honorarberater betreut werden, nicht nur die Erstattung von Kickbacks berücksichtigt, sondern auch eine Beratungsgebühr von 1% pro Jahr in Rechnung gestellt. Für den Provisionsvertrieb haben wir eine Abschlussgebühr inkludiert, und zwar gemäß der üblichen Größenordnung in den verschiedenen Asset-Klassen. Da das Agio allerdings inzwischen verhandelbar ist, haben wir die Abschlussgebühr nur hälftig berechnet.
Ferner haben wir unterstellt, dass Provisionsberater keine ETFs einsetzen. In diesem Produktsegment „duellieren“ sich also Honorarberater mit den Selbstentscheidern, die inzwischen ebenfalls immer mehr ETFs für sich entdecken. Wir haben bei ETFs Handelsgebühren von 0,2% für Selbstentscheider und Honorarberater-ETF-Depots gleichermaßen unterstellt.
Tabelle: Provision oder Honorar? Ergebnisse fallen enger aus als oft gedacht
Die obere Tabelle stellt weniger eine Performance-Bilanz dar, sondern gibt in erster Linie eine Übersicht über die renditemindernden Faktoren der beiden Beratungsmodelle. Leser sollten also auf die zusammengehörigen Zeilenpaare (Provision bzw. Selbstentscheider vs Honorarberatung) konzentrieren. Sie lesen die Tabelle so: Wir haben die Renditen und EUR-Ergebnisse der großen Asset Klassen Aktien (aktive Fonds plus ETFs), Bonds (aktive Fonds plus ETFs) bzw. Aktien-Renten-Mischungen (hier gibt es fast ausschließlich aktive Fonds) dargestellt und dabei zwischen den von Provisionsberatern und Honorarberatern betreuten Depots unterschieden.
Unsere Beispielrechnung fördert folgende Einzelergebnisse zutage:
- Aktiv verwaltete Aktiendepots: Die Renditeunterschiede zwischen Depots, die von Provisionsberatern geführt werden (im Folgenden Provisionsdepot) und solchen mit Honorarberater-Begleitung (im Folgenden Honorardepot) sind im Beispiel gering. Allerdings gewinnt das Provisionsdepot im Zeitverlauf immer mehr an Boden. Belief sich der Rendite-Unterschied nach drei Jahren auf 51 Basispunkte, lag er nach fünf Jahren nur noch bei 12 Basispunkten. Das ist nicht verwunderlich, da der Ausgabeaufschlag-Effekt (2,5%) beim Provisionsdepot im Zeitverlauf immer stärker „herausgerollt“ wird. Auch wenn die Rechnung eine Kickback-Rückerstattung von durchschnittlich 60 Basispunkten pro Jahr beim Honorardepot unterstellt, wird dessen Performance von der jährlichen Betreuungsgebühr von 1% ausgebremst.
- Aktiv verwaltete Bond-Depots: Hier ziehen die laufenden Beratungsgebühren das Honorardepot zügig nach unten. Bereits im Dreijahreszeitraum fällt der Renditeabstand mit 21 Basispunkten p.a. pro Provisionsdepot deutlich aus. Nach fünf Jahren liegt das Provisionsdepot sogar 42 Basispunkte p.a. vor dem Honorardepot. Das macht einmal mehr auf das Dilemma von Bond-Investoren aufmerksam: In Zeiten niedriger Zinsen sind die künftigen Bond-Renditen in Gefahr. Einige Gesellschaften gehen sogar dazu über, ihre Management-Gebühren bei Bond-Fonds zu senken. Das entlastet die Anleger mit Provisionsmandaten, die Honorarberatergebühr wird indes nicht von sinkenden Produktkosten "beeinträchtigt".
- Aktiv verwaltete Mischfonds-Depots. Das Bild hier ist -- logischerweise – gemischt. Kurzfristig fährt das Honorardepot besser, nach fünf Jahren schiebt sich das Provisionsdepot nach vorn. Erstaunt haben uns die Kosten: Inzwischen sind Mischfonds mit laufenden Kosten von 1,85% recht hoch, sodass Agio und Kickbacks Anlegern des Provisionsdepots das Leben länger schwer machen als erwartet.
- ETF-Aktien und ETF-Renten Depots. Hier hat das Honorardepot keine Chance. Die ETF-Depots von Selbstentscheidern sind bei Indexfonds naturgemäß nicht zu übertreffen, da dem Betreuungsentgelt keine Kickback-Erstattung gegenübersteht. Bei Aktien-ETFs liegt der Selbstentscheider nach drei Jahren mit 116 Basispunkten vorn, nach fünf Jahren sind es 111 Basispunkte pro Jahr. Bei Bonds ist das Ergebnis relativ gesehen noch deutlicher. Hier zeigt sich, dass ETFs für Honorarberater ein zweischneidiges Schwert sein können. Einerseits sind sie aus administrativer Sicht bequem zu handhaben, weil keine Kickbacks zurückerstattet werden müssen. Andererseits dürfte sich der Honorarberater bei ETF-Depots einem latenten Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sehen. Denn theoretisch kann es der Anleger selbst. Der Berater muss also mit einer Asset-Allocation-Beratung punkten. Das bringt allerdings eine weitere Risikokomponente ins Spiel: Wird ein Berater zu aktivistisch, hat das im schlimmsten Fall ein klassisches Managerrisiko zur Folge. ETFs sind Instrumente für eine langfristige Asset Allocation. Je häufiger die Eingriffe und je taktischer die Ausrichtung, desto größer wird das Underperformance-Risiko.
Die oben aufgemachte Beispielrechnung zeigt jedoch vor allem, dass Anleger die Honorarberatung nicht mit einem Gebürensparmodell verwechseln sollten. Wer zum Honorarberater geht, sollte die Entscheidung aufgrund der geringeren Gefahr von Interessenkonflikten getroffen haben. Idealerweise haben sich solche Anleger auch davon überzeugt, dass ihr Honorarberater versiert ist in Sachen Asset Allocation. Wer wirklich sparen will, muss sich zum Selbstentscheider weiterbilden. Die obere Tabelle zeigt bei ETFs eindrucksvoll, wie stark Anleger vom Kosteneffekt in Heller und Cent profitieren. Das setzt allerdings ein fundiertes Wissen voraus. Und dass die Märkte Buy and Hold ETF-Investoren in die Hände spielen wie in den vergangenen Jahren, ist keinesfalls ausgemachte Sache.
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