Die Zusammenführung der Bewertung von Wettbewerbsvorteilen (Moat-Rating) und der quantitativen Unternehmensanalyse ist ein sehr starkes Instrument zur Unternehmensbewertung. Das zeigt die Performanceentwicklung von über 100 Unternehmen in der Gesundheitsbranche, die von den Morningstar Analysten regelmäßig bewertet werden.
Seit dem Jahr 2002 bewertet Morningstar, in wieweit Unternehmen in bestimmten Bereichen ihrer Konkurrenz voraus sind und vergibt das „Moat“-Rating, das dabei hilft, qualitativ hochwertige Unternehmen auszumachen. Ein hohes („Wide“) Moat-Rating bekommen Unternehmen, die Wettbewerbsvorteile aufweisen, durch die sie über längere Zeiträume ihre Wettbewerber auf Distanz halten. Die Stärke des Geschäftsmodelles fungiert dabei gewissermaßen als Burggraben (lesen Sie mehr zu unseren Moat-Ratings hier).
Das Verhalten von qualitativ hochwertigen Unternehmen an der Börse ist auch für Investoren angenehm: ihre Kursverläufe sind im Durchschnitt weniger schwankungsintensiv, die Drawdowns sind niedriger, und sie tendieren seltener dazu, ihre Dividende zu senken oder zu streichen.
Moat-Ratings im Gesundheitswesen: Entwicklung seit 2002
Seitdem das Moat-Rating vergeben wird, gab es in der Gesundheitsbranche doppelt so viele Heraufstufungen wie Abstufungen. Von den mehr als 100 Unternehmen, die zumindest einen „Narrow Moat“ haben, also einen kleinen Wettbewerbsvorteil, wurden bislang erst 33 Firmen herabgestuft. Die primären Gründe: Patentverluste und fehlende Innovationskraft.
Im Gegensatz dazu wurden in den letzten 13 Jahren doppelt so viele Unternehmen hochgestuft. Der primäre Treiber für Moat-Ratings im Sektor Gesundheitswesen ist der Ausbau der immateriellen Vermögenswerte aufgrund von Forschung und Entwicklung – insbesondere im Bereich Pharma & Biotech. Ebenfalls signifikanten Einfluss auf die Moat-Ratings haben Kostenvorteile, die gerade bei Gesundheitsdienstleistern durch Akquisitionen zugenommen haben. In der Medizintechnik sind hohe Wechselkosten für Abnehmer und Endverbraucher ein Moat-Treiber, was mit der zunehmenden Komplexität medizintechnischer Geräte verbunden ist.
Grafik: Änderungen beim Moat-Rating im Sektor Gesundheitswesen seit 2002
Charakteristisch für die Moat-Ratings im Gesundheitswesen sind ihre Stabilität und starke Aussagekraft. Das wirtschaftliche Umfeld ist geprägt von zahlreichen aber dennoch statischen Regulierungen sowie stabilen Preisniveaus. Gerade durch den Patentschutz bei immateriellen Vermögenswerten und Akquisitionen haben manche Firmen signifikante Wettbewerbsvorteile erreicht. Zudem erlaubt die Ineffizienz des amerikanischen Gesundheitssystems, dass manche Dienstleister ihre überdurchschnittlichen Renditen auch über einen langen Zeitraum halten können.
Dabei zeigte sich die Stabilität der Moat-Ratings zuletzt im Jahre 2012. Das Jahr war im Bereich Pharma & Biotech deshalb sehr einschneidend, da eine ganze Reihe an Patenten abgelaufen ist. Die Moat-Einschätzungen wurden davon nicht wesentlich beeinflusst und mittlerweile haben sich die Firmen an das neue Geschäftsumfeld angepasst.
Economic Moats als Teil der Unternehmensbewertung
Mit den Moat-Ratings werden Unternehmen also aus einem qualitativen Blickwinkel betrachtet. Sofern wir es in die Unternehmensbewertung mit einfließen lassen, hat die Bewertung von Wettbewerbsvorteilen auch einen Effekt auf die letztendliche Fair-Value-Schätzung einer Aktie. Beispielsweise ist ein Wide-Moat-Rating ein Anlass, um im Rahmen unserer DCF-Unternehmensbewertung einen etwas längeren Zeitraum für zukünftige Cashflows zu berücksichtigen, was sich in einer höheren Bewertung dieser Unternehmen niederschlägt. Gleichzeitig reduziert sich dadurch der Unsicherheitsfaktor in unseren Prognosen. In der Pharmaindustrie wirkte sich beispielsweise eine Änderung im Moat-Rating bislang um durchschnittlich 5% auf die Unternehmensbewertung aus.
Moat-Ratings im Gesundheitssektor en Detail
Innerhalb des Gesundheitssektors unterscheiden wir zwischen drei Geschäftsbereichen: Pharma & Biotech, Gesundheits-Dienstleister und Medizintechnik
Seit 2002 sahen wir die häufigsten Hochstufungen bei Pharma- & Biotech-Unternehmen, wo bei den großen Firmen vor allem der Ausbau im Bereich Forschung und Entwicklung den Abstand zur Konkurrenz vergrößert hat.
Pharma & Biotech
Von allen Änderungen bei den Moat-Ratings seit Einführung 2002 waren drei Viertel in diesem Bereich Heraufstufungen. Der Grund dafür liegt überwiegend im Ausbau oder der Verbesserung der Produktpalette. Selbst im Jahr 2012, als die größte Welle an Patentverlusten anstand und auf die Haupteinnahmequellen drückte, blieben die Einschätzungen über die Wettbewerbsvorteile der Unternehmen stabil. Der Grund dafür war aber nicht nur der Ausbau der Produktpipeline sondern auch die steigende Produktivität bei Forschung und Entwicklung. Das hat sich letztlich auch auf den Return on Investment positiv (ROI = Ertrag der Investition) ausgewirkt, der bis zum Jahr 2012 deutlich gesunken war, sich aber mittlerweile stabilisiert hat. Für die kommenden fünf Jahre wird sogar eine leichte Erholung der ROI erwartet. Ein positives Signal, nicht nur für die Unternehmensbewertung.
Die Unternehmen können sich aber nicht mehr auf ihren Lorbeeren ausruhen und sich ausschließlich auf die klassischen Marktbereiche zu konzentrieren. Wesentlich für die Zukunft werden bislang unbeachtete Marktsegmente sein, in denen ebenfalls eine Nachfrage herrscht. Das ist unserer Ansicht nach ein ausschlaggebender Faktor, um Wettbewerbsvorteile zu sichern und die Konkurrenz auf Anstand zu halten, was sich letztlich auch auf ein stabiles Moat-Rating der führenden Unternehmen auswirkt. Zu den unterbewerteten Firmen mit dem höchsten Moat-Rating „Wide“ gehören Merck, Amgen und Actavis.
Fehlende Innovationskraft war bislang der primäre Grund, warum bei einem Viertel der Unternehmen im Bereich Pharma & Biotech das Moat-Rating herabgestuft wurde.
Dienstleister im Gesundheitsbereich
Der Dienstleistungsbereich in der Gesundheitsbranche ist extrem vielfältig. Änderungen im Moat-Rating beruhen aber hauptsächlich auf Kostenvorteilen. Hohe Umstellungskosten bei Abnehmern und Verbrauchern oder das Netzwerk der Unternehmen spielen eine untergeordnete Rolle für Wettbewerbsvorteile.
In der Vergangenheit war vor allem der Medikamentenvertrieb von Konsolidierungen geprägt, so dass heute die beiden größten Unternehmen über die Hälfte des Marktes kontrollieren: CVS Health und Express Scripts. Beide Firmen haben eine starke Preisgestaltungsmacht gegenüber den Herstellern und Kostenvorteile aufgrund ihrer Größe. Die Konsolidierung ist der Grund für die Änderungen der Moat-Ratings seit 2002. Bei den großen Playern wurden daher über die Jahre die Moat-Ratings über „Narrow“ hin zu „Wide“ erhöht.
Bei Krankenhausbetreibern sehen wir langfristig hingegen keine nachhaltigen Wettbewerbsvorteile. Der größte Mitspieler auf dem US-Markt ist die dortige Regierung, deren Preisvorgaben sich die Krankenhausbetreiber fügen müssen. Was im Moment die großen Betreiber als Investment attraktiv macht (wie beispielsweise Humana), sind Spekulationen auf mögliche Übernahmen durch Dritte.
In der Gesamtbetrachtung hält sich die Wertentwicklungen der hochgestuften (z.B. Vertriebsdienstleister) und herabgestuften Aktien (Krankenhausbetreiber) die Waage.
Medizintechnik
Der Technologie-Bereich der Medizinbranche ist seit 2002 relativ stabil geblieben. Die treibende Kraft hinter den Änderungen bei Wettbewerbsvorteilen ist die Innovationsfähigkeit.
Den größten Teil des Umsatzes im Bereich Medizintechnik fällt auch den größten Unternehmen wie Johnson&Johnson oder Stryker zu. Ihr zusätzlicher Vorteil ist, dass sie kleinere Unternehmen einfacher akquirieren und so neues Know-how hinzukaufen können.
Die Mittelständler und kleinen Unternehmen in diesem Bereich sind teils in privater Hand und ohne Moat-Rating.
Ein weiterer wesentlicher Einflussfaktor bei Geräteherstellern ist ihre Diversifikation der Produktlinien. Durchbrüche auf technologischer Ebene können schnell zum Hemmer für bestehende Geräte werden, was sich durch Diversifikation ausbalancieren lässt. Gerade die großen Unternehmen wie Stryker, Medtronic, und Johnson&Johnson sind hier gut gegen das Technik-Risiko abgesichert.
Ein Beispiel ist St. Jude Medical, die seit 2006 mehr in den Bereich Forschung und Entwicklung investiert haben, wodurch sie bei Produkteinführungen die Nase vorne hatten und das Moat-Rating von Narrow auf „Wide“ heraufgestuft wurde. Bei Boston Scientific lief es hingegen genau anders herum, nachdem das Unternehmen Guidant akquiriert hatte. Das Management hatte daraufhin mit Schwierigkeiten hinsichtlich Regulierungen und Unternehmensprozessen zu tun, was Innovationen hintenan stellte und so letztlich die Produktpipeline des Unternehmens hinter der Konkurrenz zurückblieb.
Auch hier hat sich gezeigt, dass die Firmen mit Upgrades in ihren Moat-Ratings die herabgestuften Kandidaten auf drei-Jahres-Sicht übertroffen haben. Am stärksten unterbewertet ist hier übrigens Elekta. Das Unternehmen bedient den Löwenanteil des Marktes für Radiologiegeräte. Die Eintrittsbarrieren sowie Wechselkosten sind sehr hoch, weshalb der Markt in den letzten Jahren im Grunde auch keinen neuen Player gesehen hat. Größter Konkurrent ist Varian, das ebenfalls das höchste Moat-Rating „Wide“ hat.
Moat-Rating und Performance
Der Mix aus Moat-Ratings und der Unternehmensanalyse auf Basis des Discounted Cash Flow-Verfahrens hat sich bewährt. In den letzten zehn Jahren haben die 25 am stärksten unterbewerteten Unternehmen mit einem „Wide“ und „Narrow“ Moat-Rating die Benchmark der US-Gesundheitsfirmen (der Dow Jones U.S. Health Care Index) um 8,4% annualisiert outperformt. Zu den heute unterbewerteten Firmen mit einem Wide-Moat-Rating gehören die Pharmakonzerne Merck, Amgen und Allergan, der Vertriebsdienstleister Express Scripts und der Gerätehersteller Elekta. Zugegeben: In der Vergangenheit gab es einige Titel, die trotz relativer Unterbewertung und Moat-Rating underperformed haben: Boston Scientific (August 2008 bis November 2009), Biogen (September 2008 bis Februar 2009) und Sanofi (April 2013 bis heute). In der Gesamtbetrachtung überwiegen jedoch seit 2002 die Outperformer, was uns bei den aktuell unterbewerteten Firmen zuversichtlich stimmt.
Mit Blick auf die kommenden Jahre sehen wir heute nicht mehr so viele Unternehmen wie im Jahr 2011, die unterbewertet sind und gleichzeitig über ein Wide-Moat-Rating verfügen. Zum damaligen Zeitpunkt waren wir noch der Ansicht, dass der Sektor Gesundheitswesen 20% unterbewertet war.
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