Im Sommer des laufenden Jahres ist der Ölpreis wieder auf die Niveaus des Jahres 2009 gefallen. Dadurch wurde die Erholung nach dem Preisverfall seit Juni 2014 wieder zunichte gemacht, was die Ölfirmen letztlich in die Bredouille bringt. Darüber hinaus sind auch die Aussichten, im Hinblick auf die Schätzungen zu den zukünftigen Produktions- und Verbrauchsdaten, momentan wenig vielversprechend. Die amerikanische Energiebehörde Energy Information Administration geht für 2016 von einer weltweiten Ölnachfrage von 94,93 Millionen Barrel pro Tag aus. Die gesamte weltweite Produktion wird auf 96,03 Millionen Barrel pro Tag geschätzt. Die OPEC geht für 2016 von einer Nachfrage von 94,08 Millionen Barrel pro Tag aus.
Insgesamt wird also davon ausgegangen, dass die Produktion über der Nachfrage liegen wird und wir glauben, dass sich das bis 2017 auch nicht ändern wird. Zudem könnte der Iran bald wieder verstärkt Erdöl exportieren. Die Schätzungen reichen für Ende 2016 von 500.000 bis 800.000 Barrel pro Tag zusätzlich auf den Weltmarkt, was den Ölpreis zusätzlich belasten würde. Gleichzeitig wurden die Erwartungen für das weltweite Wirtschaftswachstum leicht zurückgefahren. Dies ist insbesondere bedingt durch die weniger optimistischen Aussichten für die Emerging Marktes, allen voran China und Indien. Angesichts der Gesamtumstände sind wir nicht der Meinung, dass sich der Ölpreis im laufenden und dem nächsten Jahr signifikant erholen wird. Damit einhergehend korrigieren wir auch unseren mittelfristigen Ausblick und schätzen, dass der Preis für ein Fass WTI im Jahr 2017 bei etwa 64 US-Dollar liegen wird, bei Brent nehmen wir einen Preis von 70 USD je Barrel an.
Fair-Value-Schätzungen größtenteils gesenkt
Durch die niedrigen Rohstoffpreise werden die nächsten Jahre für Ölförderer und -dienstleister demnach herausfordernd. Wir erwarten daher, dass die Cash Flows, Kapitalrenditen und Gewinne erst gegen Ende dieses Jahrzehnts wieder dort sein werden, wo sie vor dem jüngsten Crash des Ölpreises lagen. Eine Erholung in Richtung der alten Niveaus dürfte frühestens 2017 beginnen.
Der ernüchternde Ausblick für den Energiesektor ist der Grund dafür, dass wir unsere Fair-Value-Schätzungen für einen Großteil der Öl- und Gaskonzerne senken. Wir berechnen den Fair Value quantitativ für die marktbreiten Indizes (bzw. die zugrunde liegenden Aktien). Der faire Wert ergibt sich aus dem Discounted Cash Flow-Verfahren, in das Umsatz-, Gewinn- und Verlustdaten einfließen. Relevant sind aber auch bestimmte Risikofaktoren, die Angebots- und Nachfrage-Kurve, die Kapitalkosten oder Kennzahlen zu Akquisitionen und Produktion sowie letztlich das Unternehmenswachstum.
Tabelle: Senkung der Fair Value-Schätzung für Öl- und Gaskonzerne
Die stärkste Korrektur nach unten haben wir bei Tullow Oil und BP vorgenommen, wo wir den fairen Wert je Aktie per Mitte September 2015 um 34% beziehungsweise 30% tiefer schätzen als noch Ende August des laufenden Jahres. Weniger stark hat es die italienische Eni, die französische Total und die britisch-niederländische Royal Dutch Shell getroffen, wo die Absenkungen zwischen 13 und 18% liegen.
Zudem verfügen die meisten Unternehmen dieses Sektors über keinen Wettbewerbsvorteil (Moat). Lediglich bei dem US-Konzern Exxon Mobil vergeben wir ein Wide Moat Rating (breiter Wettbewerbsvorteil). Das Unternehmen hat in der Vergangenheit signifikante Investitionen getätigt und befindet sich aktuell am Ende eines Investitionszyklus in langlebige Produktionsgüter. Reinvestitionen für die Aufrechterhaltung der Produktion dürften damit erst einmal geringer ausfallen. Das sollte auch insgesamt den Investitionsbedarf für die Zukunft verringern, was das Unternehmen gegenüber den Wettbewerbern attraktiver macht. Die BG Group sowie Chevron haben unserer Ansicht nach einen geringen Wettbewerbsvorteil (Narrow Moat Rating).
Mit der jüngsten Wertentwicklung dürften Anleger nicht gerade zufrieden sein. Im laufenden Jahr steht lediglich bei Eni noch ein Plus, auf die Sicht von einem Jahr haben jedoch alle prominenten Ölkonzerne eine negative Wertentwicklung zu verzeichnen. Dehnt man den Betrachtungszeitraum auf fünf Jahre aus, bleibt am Ende bei acht von zehn Unternehmen eine positive Wertentwicklung von 1% (Statoil) bis 9,9% (Exxon Mobil) jährlich übrig. Zum Vergleich: Wer über einen ETF in den S&P500 investiert hat, hat im selben Zeitraum ein jährliches Plus von gut 17,1% eingefahren, beim DAX waren es 10%.
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