Die ETF-Branche in Europa hat im vergangenen Jahr gleich mehrere Rekorde gebrochen. Das in europäischen ETFs verwaltete Vermögen stieg nach Morningstar Daten auf das Rekordniveau von 467,41 Milliarden Euro per Ende 2015 nach 377,03 Milliarden Euro zum Vorjahresende. Das liegt zum einen an der positiven Performance der den Fonds zugrunde liegenden Aktien- und Rentenmärkte, aber vor allem an positiven Mittelzuflüssen, die bei Aktien- und Renten-ETFs jeweils neue Rekorde markierten. Aktien-ETFs gingen 2015 nach unseren Absatzschätzungen 42,71 Milliarden Euro netto zu, Bond-ETFs verbuchten Nettozuflüsse von 23,39 Milliarden Euro. Aufgrund ihres geringeren Vermögens verbuchten Renten-ETFs mit einer Wachstumsrate von 28,6% ein deutlich stärkeres Wachstum als Aktien-ETFs, die ein organisches Wachstum um 16,7% erzielten. Das von uns berechnete organische Wachstum misst nur die Mittelflüsse als Wachstumsfaktor, die Produktperformance rechnen wir also aus dem Volumenszuwachs heraus.
Der europäische ETF-Markt ist allerdings unverändert aktiendominiert: Über 2/3 des europäischen ETF-Vermögens steckt in Aktienvehikeln. Wie aus der unteren Grafik hervorgeht, wurden in keinem Jahr seit 2008, dem Beginn der Erhebung der Mittelflüsse auf Industrieebene höhere Zuflüsse in europäisch domizilierte ETFs verbucht.
Grafik: Nettomittelzuflüsse in Aktien- und Renten-ETFs seit 2008
Ein Blick auf die Zuflüsse nach Asset-Klassen zeigt, dass alle wesentlichen Großgruppen Zuflüsse verbuchen konnten. Dies gilt auch für alternative ETFs, die vor allem Hebel- und Short-Produkte umfassen, und Rohstoff-ETFs. Die positive Absatzleistung geht dabei auf Neuinvestments in der ersten Jahreshälfte zurück; im vierten Quartal forderte die Marktvolatilität ihren Tribut bei Hebelprodukten, und der fortschreitende Verfall der Rohstoffpreise brachte in den letzten drei Monaten des Jahres auch für Rohstoffprodukte Abflüsse mit sich.
Aufgrund ihres geringen Volumens sind die positiven Zuflüsse in Wandelanleihen, gemischte ETFs und Immobilien-ETFs eher Fußnoten im ETF-Geschäft des vergangenen Jahres.
Tabelle: Vermögen und Absatzleistung nach ETF-Großgruppe
Ein Blick auf die Ebene der Morningstar Kategorien zeigt, dass europäische und japanische Aktien-ETFs 2015 die größte Nachfrage verzeichneten. Mit Abstand den höchsten Absatz erzielten dabei ETFs für Eurozonen-Standardwerte mit Zuflüssen von 15,68 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Wachstum von gut 50%. Europäische Standardwerte-ETFs folgten mit gebührendem Abstand mit Nettozflüssen von 8,81 Milliarden Euro. Platz drei des Absatz-Rankings wurde von japanischen Standardwerte-ETFs belegt, die 2015 Zuflüsse in Höhe von 3,64 Milliarden Euro erzielten.
Wie aus der Tabelle der zehn Kategorien mit den höchsten Zuflüssen hervorgeht, waren europäische Aktien- und Renten-ETFs im abgelaufenen Jahr am stärksten nachgefragt. Die hohe Nachfrage nach Hochzins-Bonds über das gesamte Jahr gesehen konnte dabei die Nettoverkäufe im Dezember im Zuge der wachsenden Nervosität am Markt deutlich überkompensieren. Nicht in der Tabelle der Top-Kategorie vertreten waren dagegen USA-ETFs für Standardwerte (Blend). Die ETFs der mit Abstand größten europäischen ETF-Kategorie (Vermögen: 58,08 Milliarden Euro) konnte 2015 nur knapp 160 Millionen Euro netto einsammeln. Dies illustriert ebenfalls den aktienseitigen Favoritenwechsel hin zu Europa und weg von den USA. Im Jahr 2014 war genau der umgekehrte Trend zu beobachten: anämische Zuflüsse in Eurozonen ETFs, hohe Zuflüsse in USA-ETFs.
Tabelle: Die Morningstar Kategorien mit der höchsten Nachfrage und Abflüssen 2015
Die untere Liste der Kategorien mit den höchsten Abflüssen fasst zum einen die China-Malaise zusammen. ETFs für China A-Shares mussten mit Abflüssen von 1,58 Milliarden Euro die höchsten Nettoverkäufe verkraften. Interessant ist dabei, dass diese Zahl auf die Gewinnmitnahmen zu Jahresanfang zurückgeht. Anleger haben offenbar vieles richtig gemacht und vor den Kursstürzen im Sommer bei China-Festlands-Aktien verkauft.
Die Abflüsse aus den Kategorien „Aktien China“, „Taiwan Standardwerte“, „Asien ex Japan“ und „Asien-Pazifik ex Japan“ spiegeln ebenfalls das Ende des China-Hypes wider. Zum anderen deutet sich an, dass Edelmetallfonds bzw. ETCs ebenfalls prominente Verlierer des abgelaufenen Jahres waren.
Die am stärksten nachgefragten ETFs spiegeln den bereits erwähnten Trend wider: ETFs auf die Indizes Euro STOXX 50, STOXX Europe 600, DAX und MSCI Europe standen im bei europäischen ETF-Investoren im Vordergrund. Der ETF mit den höchsten Zuflüssen war der db x-trackers Euro Stoxx 50 (DR) der Deutschen Bank, der nach unseren Schätzungen 2,65 Milliarden Euro netto einsammeln konnte. Ein iShares ETF auf den identischen Index finden wir auf Rang drei der europaweit absatzstärksten ETFs. Interessant ist beim Blick auf die Top 10 ETFs, dass zwei ETFs auf den S&P 500 eine unverändert hohe, fast schon als säkular zu bezeichnende Nachfrage verbuchen: die beiden sehr günstigen Produkte von iShares und Vanguard, die sich mit Gebühren von nur sieben Basispunkten zum fixen Repertoire für Anleger etabliert zu haben scheinen, die Kern-USA-Investments suchen. Stark war auch die Nachfrage nach dem iShares Core MSCI World, der vom Marktführer als Kern-Investment für globale Aktien-ETFs hervorgehoben wird.
Tabelle: Die ETFs mit der höchsten Nachfrage und den höchsten Abflüssen 2015
Kommen wir nun zu den unbeliebtesten Produkten 2015. Die höchsten Abflüsse --- 3,99 Milliarden Euro --- musste der iShares S&P 500 (Dist) hinnehmen. Dies geht auf den fortwährenden Substitutionsprozess zurück, der bereits seit Jahren zu beobachten ist. Anleger verkaufen diesen mit 40 Basispunkten an Gebühren recht teuren S&P 500 Tracker und investieren vermutlich im Gegenzug in die beiden oben genannten günstigen Core-Produkte von iShares und Vanguard. Dieser Substitutionseffekt dürfte auch hinter den Abflüssen aus dem iShares MSCI World (Dist) stehen, den Anleger zugunsten des deutlich günstigeren iShares Core MSCI World verkaufen. Hohe Abflüsse mussten ebenfalls ETFs auf den MSCI Emerging Markets sowie der ETFS Physical Gold hinnehmen.
Abschließend ein Blick auf die erfolgreichsten und erfolglosesten Anbieter 2015. Die höchsten Zuflüsse verbuchte mit großem Abstand iShares. Der Löwenanteil der Gesamtzuflüsse von 28,77 Milliarden Euro entfiel dabei auf Bond-ETFs, die netto 15,56 Milliarden Euro einsammeln konnten. Aktien-ETFs folgten mit 13,13 Milliarden Euro; Rohstoff- und Geldmarkt-ETFs spielten dagegen kaum eine nennenswerte Rolle für den Erfolg des Marktführers. Die Deutsche Bank ETF-Sparte folgte mit Zuflüssen in Höhe von 10,34 Milliarden, die zum größten Teil auf Aktien-ETFs entfielen. Die Vertriebsstärke von Lyxor und UBS 2015 fußte ebenfalls auf dem Aktien-ETF-Absatz.
Tabelle: Die ETF-Anbieter mit den höchsten Zu- und Abflüssen 2015
Abflüsse mussten dagegen vor allem Anbieter mit Fokus auf Rohstoff-Investments hinnehmen. HSBC, Swisscanto und GAM verloren besonders deutlich, wobei HSBC ein Ausreißer darstellte: Hier entfielen die Abflüsse vor allem auf ETFs für US-, britische und globale Standardwerte. Bei Swisscanto schlugen die Abflüsse aus ZKB Edelmetall-ETFs zu Buche. Vor allem der ZKB Gold und ZKB Silber mussten im Zuge des fortdauernden Verfall der Edelmetallpreise abgeben. Das identische Bild ergibt sich bei GAM. Die Abflüsse gingen auf vor allem auf das Konto von Schweizer Gold- und Silberfonds, die unter einer rückläufigen Nachfrage litten.
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