Natürlich sind Dividendenfonds keine Eier legenden Wollmilchsäue. Sie sind in Zeiten extrem niedriger Zinsen definitiv keine Zinsalternative, auch wenn die Marketing-Abteilungen vieler Fondsanbieter dies suggerieren. Denn Dividendenfonds liegen Aktien zugrunde, und die schwanken mitunter heftig.
Ein weiteres Missverständnis, dem Anleger unterliegen können: Während die These, wonach ein Großteil der Aktien-Performance langfristig auf Dividenden basiert, absolut zu bejahen ist, gilt der Umkehrschluss eben nicht zwangsläufig: Es ist mitnichten so, dass die Dividendenhöhe bzw. –rendite und die Performance einer Aktienanlage notwendigerweise miteinander korreliert sind. Eine hohe Dividendenrendite kann vielmehr ein Alarmsignal sein. Gerät ein Unternehmen in Schwierigkeiten, dann kommt typischerweise der Aktienkurs unter Druck. Dadurch steigt logischerweise die Dividendenrendite. Doch wollen Sie wirklich darauf wetten, dass die Dividende eines gefallen Engels stabil bleiben wird? Eben! Ein gefallener Engel kann durchaus zu einer sprichwörtlichen Value-Falle mutieren; der Kurs solcher Aktien fällt und fällt, und der Einstiegskurs rückt immer mehr in weite Ferne. Anleger, die eigentlich auf Substanz setzen wollten, geraten hier also in eine Falle.
Dividenden-Investments haben idealtypisch zwei Funktionen
Das rückt die Frage in den Mittelpunkt: Wofür eigenen sich Dividendenstrategien eigentlich? Die Frage ist nicht trivial, lässt sich jedoch auf zwei grobe Nenner bringen: Zum einen können Dividendenstrategien als eine Art Qualitätsfilter zum Einsatz kommen. Fondsmanager, die auf Unternehmen setzen, die eine jahrelange Dividendenkontinuität aufweisen, landen in der Regel bei sehr stabilen Geschäftsmodellen mit hohen freien Cashflows, bei Marktführern eben. Hier fallen einem Namen wie Nestle, Novartis, Pfizer, Allianz oder Roche ein. Die Dividendenhöhe ist bei diesen Titeln nicht alles.
Zum anderen, und das mag überraschen, gibt es durchaus Investoren, denen die absolute Rendite weniger wichtig ist als vielmehr ein stetiger, möglichst hoher Dividendenstrom. Ruheständler, vor allem in angelsächsischen Ländern, bestreiten häufig ihren Lebensabend mit Dividenden-Aktien. Für einen 85-Jährigen dürfte das Wissen um den Total Return, also des Gesamtertrags einer Aktie (bzw. eines ausschüttenden Fonds), die er seit 30 Jahren hält, irrelevant sein, in jedem Fall jedoch deutlich weniger wichtig, als die Frage, ob die Ausschüttungsquote bei 2,3% oder 4% liegt.
Diese beiden Anforderungen, Gesamtertrag versus maximale Ausschüttung, führen wiederum zu zwei höchst unterschiedlichen Anlegertypen: Langfristanleger sollten Dividenden als Stabilitätskriterium ansehen und den Total Return im Blick behalten. Ihnen ist gewissermaßen die Taube auf dem Dach wichtiger als der Spatz in der Hand. Ein Langfristanleger muss zudem sicher sein, dass sein Geld für ihn arbeitet. Was wiederum bedeutet, dass für ihn laufende Ausschüttungen regelrecht schädlich sind, denn was einmal auf dem Konto landet, kann nicht als reinvestierter Euro oder Franken wieder (und wieder und wieder) für ihn arbeiten. Wer in der Kapitalaufbauphase ist, sollte also auf thesaurierende Fonds setzen; bei ihnen kommt der Zinseszinseffekt zum Tragen. Wir haben bereits häufig über diese Frage geschrieben (etwa hier, hier und hier).
In der Konsumphase ist der Spatz in der Hand entscheidend
Anders der Investor, der sich in der Konsumphase befindet. Wer auf laufende Ertragsströme aus ist, liegt mit einem ausschüttenden Fonds, der zudem die Dividenden maximiert, genau richtig. Dieser Anleger sollte allerdings tunlichst nicht auf den Gesamtertrag seiner Anlage schauen, denn der kann durchaus unterdurchschnittlich ausfallen. (Dann gilt der sprichtwörtliche Spatz in der Hand als absolut erstrebenswert, die ferne Taube ist irrelevant). Anleger müssen sich dann allerdings im Klaren sein, dass sie auf Unternehmen setzen können bzw. ggf. sogar müssen, deren Aktienkurse zu Recht unter Druck geraten sind. (Krisenkandidaten sollten allerdings auch bei solchen Investments allenfalls in einem diversifizierten Kontext zum Tragen kommen!)
Wir haben vor wenigen Tagen einen Parforce-Ritt durch die Welt der Dividenden-ETFs vorgenommen (lesen Sie hier mehr). Dabei hat sich gezeigt, dass etliche dieser Strategien die Dividendenrendite in den Vordergrund rücken. Derartige Dividenden-ETFs dürften sich vor allem für die oben erwähnte, zweite Investorengruppe eignen. Es gibt zwar auch Dividenden-ETFs, die einen anderen Fokus setzen. Hinter den so genannten Dividenden-Aristokraten stehen die soliden Dividenden-Ausschütter; hier ist eine kontinuierliche Dividendenhistorie eher als Qualitätsmerkmal zu verstehen, und entsprechend sind die Ausschüttungsrenditen bei solchen ETFs deutlich unter der Ausschüttungsrendite der ETFs, die auf möglichst hohe Dividendenrenditen setzen. Aber solche Kandidaten sind bei ETFs in der Minderheit.
Bei aktiv verwalteten Fonds finden sich indes in aller Regel Fondsmanager, die auf stabile Dividendenhistorien setzen und Unternehmen einer qualitativen Analyse unterziehen. Sie konkurrieren unmittelbar mit den ETF-Dividendenaristokraten. Wir haben etliche solcher Fonds einer qualitativen Beurteilung unterzogen, von denen wir drei Ansätze bzw. fünf Produkte vorstellen möchten.
DWS Top Dividende
Der DWS Top Dividende LD aus dem Hause Deutsche Asset Management hält das zweithöchste Morningstar Analyst Rating „Silver“. Der Fonds wird von Thomas Schüssler gemanagt. Der Schwerpunkt liegt derzeit auf Cashflow-starken Unternehmen aus dem defensiven Konsum-, Gesundheits- und Telekomsektor. Im untergewichteten Finanzbereich verzichtet der Fondsmanager derzeit weitgehend auf Banken und setzt stattdessen auf europäische Versicherungswerte wie die Allianz SE. Unternehmen aus konjunkturanfälligen Branchen wie zyklischer Konsum, Grundstoffe, Industrie und Technologie sind im Vergleich zum MSCI World und zu vergleichbaren Fonds unterrepräsentiert. Für Schüssler sind Dividendenrenditen also nicht das alleinige Investment-Kriterium. Der Fonds liegt langfristig deutlich vor vergleichbaren Fonds.
Ein Schönheitsfehler hat der DWS Top Dividende allerdings: Es handelt sich um einen ausschüttenden Fonds. Anleger, die Schüsslers Ansatz als Langfristinvestment nutzen wollen, sind besser beim Luxemburger Deutsche Invest I Top Dividend LC aufgehoben, der die Erträge wieder investiert. Allerdings ist die Privatanlegertranche dieses Fonds mit jährlichen Kosten von 1,59% um 14 Basispunkte teurer als der „Mutterfonds“ DWS Top Dividende. Wer auf die Fähigkeiten Schüsslers vertraut, dürfte diesen Kostennachteil verschmerzen, sofern er nicht die Mindestanlagesumme von 400.000 Euro aufbringen kann, die bei der institutionellen Tranche des Deutsche Invest I Top Dividend beim Erstinvestment fällig sind. (Die Kosten dieser Tranche belaufen sich auf lediglich 0,84% jährlich.)
BGF European Equity Income
Mit “Bronze” ist der BGF European Equity Income A2 bewertet. Im Gegensatz zum DWS-Fonds ist die typische Privatanleger-Tranche des von Alice Gaskell und Andreas Zoellinger verantworteten Fonds thesaurierend. Das erfahrene Duo setzt zwar auch auf hohe Dividendenrenditen, allerdings müssen die Unternehmen auch Qualitätskriterien erfüllen. Interessanterweise wurde die Outperformance 2015 vor allem mit Finanztiteln, Industrieaktien, Telekoms und Titeln aus dem zyklischen Konsumsektor erzielt. Das unterscheidet den Fonds vom DWS Top Dividende. Die Erfahrung der Fondsmanager ermöglicht einen pragmatischen Ansatz, mit dem so genannte Value-Fallen vermieden werden konnten. Auch langfristig hat das Fondsmanagement seine selbstgesteckten Ziele mit Blick auf Performance und Ausschüttungsquote deutlich übertroffen.
Kempen (Lux) European Dividend und Global High Dividend
Eher gemischt fällt das Bild bei zwei Fonds des niederländischen Anbieters Kempen aus, die beide das Morningstar Analyst Rating „Silver“ tragen: Der Kempen (Lux) European High Dividend A und der Kempen (Lux) Global High Dividend A. In den vergangenen drei Jahren hatten beide Fonds mit starkem Gegenwind zu kämpfen: Der Ansatz des sehr erfahrenen Fondsmanagerteams unter der Leitung von Jorik van den Bos hat seit 2013 zum Teil deutlich unterdurchschnittlich abgeschnitten, was allerdings in erster Linie durch den Value-Ansatz erklärbar ist. Hinzu kommt, dass die Rebalancing-Praxis in den zeitweise Momentum-getriebenen Marktphasen negative Effekte zeigte. Beide Fonds sind thesaurierend.
Es kommen sowohl quantitative als auch diskretionäre Elemente zum Tragen, wobei eine Voraussetzung für ein Investment eine 2,5-prozentige Dividendenrendite darstellt. In der Vergangenheit hat das allerdings die Auswahl nicht eingeschränkt bzw. die Manager zu bestimmten Branchen hingelenkt. Während der global anlegende Fonds auch unter seinem Exposure zu Schwellenländeraktien litt, mussten Anleger im Europafonds wegen Rohstoff-Investments und einzelner Picks wie Tesco und Bilfinger eine unterdurchschnittliche Performance verkraften. Allerdings hat unsere Überzeugung in den Ansatz nachgelassen, was dazu führte, dass beide Fonds von „Gold“ auf „Silver“ abgestuft wurden.
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