Henning Gebhardt zählt zu den wenigen Fondsmanagern, die nicht nur in der Vermögensverwaltungsbranche, sondern die auch in der Öffentlichkeit bekannt sind. Das ist nicht selbstverständlich für eine Industrie, von der die meisten Menschen im realen Leben wenig bis nichts mitbekommen - auch wenn sie für ihre Altersversorgung höchstwahrscheinlich eine wichtige Rolle spielt. Die Bekanntheit Gebhardts geht nicht nur darauf zurück, dass er inzwischen seit über 20 Jahren Investmentfonds managt, sondern auch darauf, dass er sich zu einem intimen Kenner der deutschen Unternehmenswelt gemausert hat -- und der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält, egal, ob es um Themen wie Corporate Governance oder um den Wirtschaftsstandort Deutschland geht. Gebhardt war von Mai 2000 bis Ende 2016 für den DWS Aktien Strategie Deutschland verantwortlich, der unter seiner Ägide von unter 100 Millionen Euro auf zwischenzeitlich gut drei Milliarden Euro wuchs. Diese Vermögenssteigerung ging nicht nur auf die gute Performance zurück, sondern auf hohe Mittelzuflüsse, die für deutsche Aktienfonds alles andere als selbstverständlich sind. Seit 2017 ist Gebhardt, Jahrgang 1967, bei der Berenberg Bank, wo er Mitglied der erweiterten Geschäftsführung ist und die Bereiche Wealth und Asset Management leitet. Doch Gebhardt ist natürlich auch seinem angestammten Betätigungsfeld treu geblieben. Er managt den Berenberg Aktien Strategie Deutschland, der nicht zufällig an das Produkt erinnert, das er gut 15 Jahre bei der Deutschen Bank erfolgreich gemanagt hat. Wir sprachen mit ihm in seinem Frankfurter Büro. Im ersten Teil des Interviews haben wir den Fondsmanager Henning Gebhardt über seine Meinung zu Märkten und Unternehmen befragt.
Herr Gebhardt, herzlichen Glückwunsch, im Rennen zwischen dem Berenberg Aktien Strategie Deutschland und DWS Aktien Strategie Deutschland lagen Sie in der Sechsmonatsbilanz per Ende Februar um neun Basispunkte vorn.
Hurra! (lacht)
Damit sind beide Fonds übrigens im 13. Perzentil der Deutschland-Fonds und auch weit vor der Benchmark HDAX. Ein gelungener Start?
Ja, der Start ist gelungen. Dass wir vor dem Index liegen, ist wichtig. Es ist spannend zu sehen, dass beide Fonds parallel laufen, denn man muss ja davon ausgehen, dass die Portfolios nicht deckungsgleich sind! Auch wenn ich mir einen schöneren Markt gewünscht hätte, sind wir seit Launch des Fonds leicht im Plus. Alles OK, also.
Per Ende Februar belief sich das Fondsvermögen des Berenberg Aktien Strategie auf gut 77 Millionen Euro. Dafür, dass Ihr Wechsel so groß in den Schlagzeilen war, war der Run der Anleger doch überschaubar.
Ich finde das schon ordentlich, und das liegt auch im Rahmen unserer Erwartungen. Schließlich stellen wir hier vieles neu auf. Unser Vertriebsteam ist erst jetzt startklar, und es kommen ja noch einige Leute hinzu. Dafür, dass wir bisher keinen eigenen Vertrieb hatten, sind 77 Millionen Euro schon eine gute Leistung. Aber es wäre schon gut, wenn wir bald über die 100 Millionen Euro kämen…
… die magische Größe für viele Investoren, die erst ab dann einen Fonds für investierbar halten.
Und viele mehr kommen erst dann, wenn es einen guten dreijährigen Track Record gibt. Das ist das typische Henne-Ei-Problem bei neuen Fonds. Sie wachsen nicht so schnell, weil sie noch nicht groß genug sind. Aber es nützt nichts, die beiden Hürden gilt es nun einmal zu nehmen, durch konzentrierte Arbeit und gute Performance.
Ich kann mich gut erinnern, dass der DWS Concept Kaldemorgen 2011 auch kein Senkrechtstarter im Vertrieb war. Der Start des heute gut sieben Milliarden Euro schweren Fonds war schleppend. Da ging es auch erst nach drei Jahren deutlich voran. Auch für prominente Fondsmanager gibt es anscheinend keinen Vertrauensvorschuss von Anlegern.
Das würde ich so nicht sehen. Der Berenberg European Micro Cap, den Peter Kraus managt, hat nach nur vier Monaten fast 140 Millionen Euro, was für einen Microcap-Fonds ziemlich viel ist. Das würde ich auf jeden Fall als Vertrauensvorschuss sehen.
Vielleicht liegt das auch an der Asset-Klasse? Nebenwerte sind in diesen Zeiten eher gefragt als langweilige DAX-Werte.
Der Aktien Strategie ist nicht langweilig, sondern ein spannendes Produkt! Aber vermutlich sind Microcaps auch ein Zeitgeist-Investment. Ich denke, es liegt auch daran, dass der Berenberg Aktien Strategie ein typisches Privatkunden-Thema abdeckt. Da spielen die Retail-Vertriebskanäle die entscheidende Rolle, und die sind wir noch nicht so richtig angegangen. Der Privatkunde kauft gerne um seinen Schornstein herum, und das macht ja auch Sinn. Microcaps sind dagegen eher ein institutionelles Thema, und diese Anleger gehen proaktiver vor.
Ich bin nicht nur voll investiert, sondern ich habe eine Aktienquote, die wir mit Derivaten anheben, von gut 120 Prozent
Kommen wir zu den Märkten. 2017 war ein sehr gutes Aktienjahr und es gab fast keine Volatilität. Das hat sich in diesem Jahr gründlich geändert, es hat kräftig gerappelt. Dennoch sind Sie mit dem Berenberg Aktien Strategie voll investiert.
Ich bin nicht nur voll investiert, sondern ich habe eine Aktienquote, die wir mit Derivaten anheben, von gut 120 Prozent.
Das lässt darauf schließen, dass Sie nicht mit einer Korrektur rechnen.
Die haben wir doch schon gesehen.
Das soll es gewesen sein?
Ich halte mich an die Fakten. Das wirtschaftliche Umfeld ist unverändert positiv wie auch Gewinnwachstum der Unternehmen. Es ist erstaunlich, dass der deutsche Aktienmarkt heute auf dem Niveau vom Februar 2017 liegt. Dabei hatten wir seitdem ein zweistelliges Gewinnwachstum, und es wird davon ausgegangen, dass es dieses Jahr auch zweistellig sein wird. Der DAX hat heute ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund zwölf. Das ist unter dem historischen Durchschnitt! Solange wir nicht erkennen können, dass das Wirtschaftswachstum abreißen wird, bleiben wir offensiv aufgestellt.
Aber die allgemeine Stimmung ist längst nicht mehr so optimistisch wie noch Ende 2017, seitdem macht das Angstwort „Handelskrieg“ die Runde.
Ja, 2017 war nur noch die Rede von Goldilocks und wie toll doch alles ist. Keine Frage, das hat sich geändert, und auch die Risikobereitschaft der Anleger ist gesunken. Natürlich können Handelszölle große Auswirkungen gerade für eine Volkswirtschaft wie Deutschland haben. Aber politische Entwicklungen spielen an der Börse nicht die entscheidende Rolle. Und wie das Ganze endet, ist längst nicht ausgemachte Sache. Politische Entwicklungen sind auf den ersten Blick eine ganz klare Sache, und dann kommt es doch wieder anders.
Aber dass Emotionen die Märkte deutlich drücken können, ist auch klar. Da kann ein Fonds bei einer Investitionsquote von 120 Prozent schon mal kräftig nach unten mitgehen.
Klar, das kann passieren, zumal wir im Aktien Strategie auch auf Nebenwerte setzen. Deshalb kommunizieren wir dieses erhöhte Marktrisiko auch offen. Aber es ist uns interessanterweise gelungen, nicht underzuperformen, auch wenn der DAX von 13.500 auf 12.000 Punkte zurückgefallen ist.
Das wirtschaftliche Umfeld ist unverändert positiv wie auch Gewinnwachstum der Unternehmen. Es ist erstaunlich, dass der deutsche Aktienmarkt heute auf dem Niveau vom vergangenen Februar liegt
Ungeachtet der Tatsache, dass es bisher nicht zum Crash gekommen ist und Sie skeptisch sind, was der Einfluss der Politik auf das Börsengeschehen anbelangt, so kann es Sie doch als Fondsmanager für deutsche Aktien nicht kalt lassen, wenn der US Präsident den Europäern mit einem Handelskrieg droht.
Es gibt, wie gesagt, in der Politik immer einen Unterschied zwischen Ankündigung und Umsetzung. Das haben wir übrigens auch bei Donald Trump gesehen, der ja mit der Gesundheitsreform nicht weitergekommen ist.
Die Steuerreform hat er umgesetzt…
Ich bleibe dabei, es ist nicht klar, was tatsächlich kommen wird, und auf bloße Vermutungen sollte man nicht handeln. Wir müssen abwarten, was sich andeutet und was tatsächlich umgesetzt wird -- und wie die Reaktionen der Europäer sein werden. Keine Frage: Kommt es hart auf hart und läuft es auf gegenseitige Strafzölle hinaus, dann wäre das fatal für die Weltwirtschaft. Problematisch wären nicht nur die Zölle an sich, sondern die Gefahr, dass die Lieferketten weltweit aus dem Lot geraten könnten.
Welche Frühwarnsysteme haben Sie im Blick?
Wichtige Aufschlüsse werden wir in den kommenden Monaten beim Ifo-Index sehen. Ganz entscheidend wird die Erwartungskomponente sein. Sie wird Hinweise auf das Investitionsverhalten der Unternehmen geben. Wenn die Unternehmen mit Einschränkungen beim Warenverkehr rechnen, dann werden sie sich vermutlich mit Investitionen zurückhalten. Dann würde die Ankündigung von Donald Trump tatsächlich Bremsspuren in der Realwirtschaft zeigen.
Und dann kann es kommen wie in jedem Jahr. Die zu Jahresbeginn optimistischen Gewinnprognosen werden dann im Jahresverlauf stufenweise wieder zurückgenommen.
Moment, das war im vergangenen Jahr nicht so, und ich glaube, wir werden auch in diesem Jahr die Situation haben, dass die Gewinnrevisionen nach oben gehen – und dort bleiben. Die Unternehmen sind vorsichtiger geworden mit ihren Prognosen. In den vergangenen Jahren hat die Euro-Stärke den europäischen Unternehmen zugesetzt – da hatten wir in einigen Jahren 15 Prozent negative Währungseffekte. Weil die Visibilität nach wie vor nicht besonders gut ist, haben sie in ihrer Guidance jetzt eine Menge Puffer eingebaut. Deshalb würde ich sagen, dass die Erwartungshaltung in Europa – im Gegensatz zu den USA - eher realistisch ist.
Haben Sie vielleicht doch das Thema der möglichen US-Strafzölle stärker im Blick als zuvor? Mir ist aufgefallen, dass etliche stark exportgetriebene Unternehmen im Berenberg Aktie Strategie fehlen, etwa VW und Daimler.
Das kommt natürlich auch dazu. Aber es ging mir bei vielen Autowerten vor allem um die schlechte Visibilität in Sachen E-Mobilität und die Entwicklung in der Diesel-Frage. Außerdem waren die Automärkte in den vergangenen Jahren in so einer sensationellen Verfassung, da stellt sich die Frage, ob das so weiter gut laufen wird.
Bedauern Sie eigentlich, dass Tesla nicht in Frankfurt gelistet ist? Dann könnten sie das Thema E-Mobilität konzentriert spielen.
Gott sei Dank müssen wir uns mit Tesla nicht auseinandersetzen!
Zu teuer?
Tesla ist ein spannendes Unternehmen, aber wahrscheinlich eine, sagen wir, schwierige Aktie. Die erreichen eine Menge Aufmerksamkeit, verdienen aber kein Geld. Stellt sich die Frage, wie lange kann das gut gehen wird und wo es hingeht. Den Wert kann man einfach nur schwer analysieren.
Investoren haben Amazon auch über Jahre die niedrige Profitabilität vorgehalten, und jetzt machen die den Einzelhandel nicht nur in den USA platt.
Stimmt, aber Amazon hat ein ganz anderes Geschäftsmodell. Es war immer Net Working Capital Positive. Es bietet eine Plattform an, die Kunden zahlen, und hinterher bezahlt Amazon die Lieferanten. Das Unternehmen ist eigentlich nur ein Vermittler. Die Autoindustrie dagegen ist in hohen Maße kapitalintensiv. Das Geld, das sie ausgibt, steckt in Werken. Die brauchen den laufenden Absatz.
Tesla ist ein spannendes Unternehmen, aber wahrscheinlich eine, sagen wir, schwierige Aktie
Sehen Sie nicht die Gefahr, dass die deutschen Autobauer in Sachen E-Mobilität zurückfallen? Es entsteht der Eindruck, als ob da ganz andere Player die erste Geige spielen.
Schon möglich, dass heute andere Konzerne - übrigens nicht unbedingt Tesla - stärker präsent sind bei der E-Mobilität. Aber ich glaube, die deutschen Autobauer werden in dieser hoch emotionalen Diskussion auch unterschätzt. Die bereiten sich schon auf die neuen Zeiten vor. Aber man muss auch sehen, dass das Autogeschäft nach wie vor zu 99 Prozent von der herkömmlichen Antriebskraft bestritten wird. Deshalb halte ich es für eine absolut nachvollziehbare Managemententscheidung, erst zu sehen, wie sich der Markt entwickelt, bevor man sich eindeutig positioniert. Ja, die Märkte werden sich verschieben, aber es geht da nicht nur um E-Mobilität, sondern auch die Frage nach der Rolle der Hybride und neuen Funktionalitäten von Autos. Ich bin überzeugt, dass wir in zwei Jahren eine Reihe an neuen Produkten sehen werden. Das wird sehr spannend!
Der Funke ist offenbar nicht zu den Investoren übergesprungen, Autoaktien zählten zuletzt nicht zu den Anlegerfavoriten.
Anleger mögen Übergangsphasen nicht, denn sie bedeuten Unsicherheit. Das althergebrachte Geschäft wird massiv hinterfragt, das neue wird nur sehr langsam visibel. Alle reden über Schlagworte wie E-Autos, aber so ganz sauber wird der Schnitt nicht sein -- es wird in manchen Regionen der Welt mit Sicherheit überhaupt keine E-Mobilität geben. Die Übergänge sind in solchen Phasen zäh, und es gibt Überlappungen zwischen alt und neu. In solchen Phasen haben Branchen im Übergang nicht das Zeug zum Outperformer.
Beneiden Sie eigentlich ihre Kollegen, die schwerpunktmäßig in US-Aktien investieren? Die wichtigsten Technologie-Weltmarktführer wie Google, Amazon, oder Facebook sind alles US-Unternehmen, in Deutschland dominieren die klassischen Branchen, und außer SAP sind Technologieunternehmen Mangelware.
Einspruch! Das mag damals, als es den Nemax noch gab, so gewesen sein, aber wir haben im TecDAX etliche führende Software-Unternehmen. Heute haben wir in Deutschland nicht nur SAP, sondern Namen wie Data Group, CANCOM, Nemetschek, adesso und United Internet. Und überhaupt sind viele deutsche Konzerne, die man mit alten Industrien verbindet, in Wirklichkeit ziemlich stark im Hochtechnologiebereich unterwegs. Continental ist längst nicht mehr ein Reifenhersteller, sondern software- und technologiegetrieben. Wir brauchen uns in Deutschland absolut nicht zu verstecken.
Die Fragen stellte
Ali Masarwah
Nächste Woche folgt der zweite Teil des Interviews, in dem wir mit Henning Gebhardt über die aktuellen Trends in der Vermögensverwaltung diskutieren und von ihm wissen wollen, wie die EU-Richtlinie Mifid II das Wealth Management verändern wird.
Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.