Investmentfonds entfalten ihren Charme für Anleger, wenn sie langfristig gehalten werden. Die Leser unserer Kolumnen kennen unser Mantra. Langfristige Anlageprozesse erfordern Kontinuität, und wer seinen Fonds – egal, ob es ein aktiv verwalteter Fonds oder ein ETF ist – über mehrere Börsenzyklen hält, dürfte deutlich besser fahren als die meisten taktische Trader, die in mehr oder weniger hoher Frequenz „Fonds-Hoppen“ betreiben. Letztere reagieren häufig auf punktuelle Ereignisse, und sie erzielen mit prozyklischem Trading in der Regel suboptimale Ergebnisse.
Doch auch noble Mantras drohen zu abgedroschenen Phrasen zu degenerieren, wenn sie den subjektiven Erfahrungen von Anlegern zuwiderlaufen. Investoren sind risikoavers, und wer mitansehen musse, wie dramatisch der Wert seines Investments binnen kurzer Zeit in einem Crash zusammenschmilzt, der zieht irgendwann – zur Unzeit! – die Reißleine. Und schwört möglicherweise Aktien danach für immer ab.
Deshalb wollen wir unser Plädoyer für Langfristinvestments mit einem für die meisten Leser vermutlich ungewohnten Blickwinkel variieren. Mit dem Morningstar Investment-Trichter können Anleger nicht nur ein Gefühl für die längerfristige Performance eines Investments entwickeln, sondern auch, wie sehr eine lange Haltedauer die Wogen der Märkte glättet und die Wahrscheinlichkeit extremer Ausschläge reduziert. Unsere Illustration, die wir in lockerer Reihe veröffentlichen, zeigt auch, wie lange ein Investor warten musste, bis sein Investment in der Vergangenheit schwarze Zahlen schrieb. Wir nehmen uns dafür bekannte Indizes vor. Heute blicken wir auf den DAX 30 Index.
Drei Szenarien durch den Morningstar Investment Trichter gejagt
Zur Erinnerung: Unser Trichterdiagramm berücksichtigt verschiedene historische Investment-Perioden eines Investments. Dabei verwenden wir Monats-Renditen von Indizes (in Euro gerechnet). Die Grafik zeigt an, welche Performance im historischen Rückblick im besten Fall und welche im schlechtesten Fall herausgekommen wäre. Zudem zeigt der Investment Trichter ebenfalls den durchschnittlichen Szenario-Verlauf an. Durch die Trichter-Illustration wird deutlich, wie sich diese drei Performance-Szenarien im Zeitablauf zueinander entwickeln.
Nachdem wir zunächst den MSCI World Index durch den Trichter gejagt haben, kommen wir nun zum deutschen Leitindex: Die untere Grafik illustriert die drei DAX-Szenarien für 25 Jahre. Diesen Szenarien liegt eine Datenhistorie von 580 Monaten per Ende März 2018 (also in Summe gut 48 Jahre) zugrunde. Wir haben uns also nicht nur auf die Zeit seit dem DAX-Geburtsjahr 1988 beschränkt, sondern haben auch den DAX-Vorläufer, also eine Pro-Forma-DAX-Rechnung, hinzugezogen.*
Unsere drei Szenarien sind wie folgt illustriert: die blaue Linie bildet den optimalen Verlauf von 25 Jahren ab, die grüne den schlechtestmöglichen, und die graue Linie markiert das durchschnittliche Szenario von 25 Jahren in einer gut 48-jährigen Gesamthistorie. Unterhalb der Grafik finden Sie die dazugehörige Tabelle, welche die Renditeangaben der drei Szenarien in Zahlen widergibt und dabei auch die Sicht auf verschiedene Zeiträume ermöglicht. Wir haben den Schnitt übrigens nach 25 Jahren gemacht, weil unsere Erfahrungswerte zeigen, dass es nicht realistisch ist, mit noch längeren Perioden zu rechnen – in der Vergangenheit haben Kriege, Pech, Kasinobesuche oder, schlicht und ergreifend, der Eintritt in den Ruhestand den Übergang von der Investment- zur Konsumphase bei Anlegern bewirkt.
Grafik: Zwischen Achterbahnfahrt und geglätteter Performance: Szenarien für den DAX 30 Index
Szenario-Renditen in % p.a., Daten per 31.3.2018, Quelle: Morningstar Direct
Die obere Grafik zeigt, dass kurze Zeiträume Achterbahnfahrten mit sich bringen können. Der DAX hätte im besten Fall in der 48-jährigen Spanne eine Zwölfmonats-Performance von sensationellen 77,5 Prozent erzielt. Allerdings fielen im schlimmsten Fall Verluste von satten 55 Prozent in einem Einjahres-Zeitraum an. Bewegt man sich weiter entlang der Zeitachse, wird deutlich, dass sich der Renditekorridor deutlich verengt; sowohl die maximalen Verluste also auch die spiegelbildlichen maximalen Renditen werden geringer. Wer zwei Jahre dabei blieb, erzielte im besten Fall annualisiert 53,5 Prozent (statt 77,5 Prozent), im schlimmsten Fall lag das minus pro Jahr bei 36,4 Prozent.
Und so setzt sich der Trend fort, je weiter man den Blick weiter nach rechts lenkt. Wer zehn Jahre bei der Stange blieb, erzielte bestenfalls ein durchschnittliches Plus von knapp 18 Prozent p.a.; im schlimmsten Fall lag der Verlust pro Jahr bei 3,1 Prozent. Und an dieser Stelle wird es spannend. Denn unser Morningstar Investment Trichter beantwortet auch die Frage, ab wann ein Investment in der Vergangenheit keinen Verlust erwirtschaftet hätte: Beim DAX 30 Index dauerte es maximal 14 Jahre, bis kein Verlust mehr möglich gewesen wäre. Ab dem 14. Investment-Jahr hätte die schlectestmögliche DAX-Performance 0,7 Prozent pro Jahr betragen. Das ist real natürlich extrem mikrig, aber es zeigt, dass Langfristigkeit die beste Medizin gegen Kursverluste darstellt. Unterstellt man einen Break-even von zwei Prozent Inflation, dann hätte man nach 18 Jahren im schlimmsten Fall real einen Gewinn erzielt -- bei einem nominalen Plus von 2,7 Prozent pro Jahr.
Die maximale Periode von 25 Jahren erbrachte im schlechtesten Fall eine Performance von 4,9 Prozent. Das ist, gemessen an den eingegangenen Aktien-Risiken, zwar keine berauschend gute Rendite, entspricht aber auch real einem Plus, wenn man die Inflationsraten in Europa in den vergangenen Jahren voraussetzt.
Tabelle: Was beim DAX 30 nach XY Jahren herausgekommen wäre
*Kritiker werden natürlich einwenden, dass sich die Welt der 1970-er und 1980er-Jahre nicht mit der Welt von heute vergleichen lässt, und sie werden vermutlich die Inflation ins Felde führen. Damit haben sie natürlich Recht: Die Graphik wurde unter der Annahme erstellt, dass die Welt sich nicht verändert: Die tatsächliche Verteilung der Monatsrenditen folgt einer einzigen Verteilungsfunktion, und die Renditen sind unabhängig voneinander. Aber diese Kritik geht insofern ins Leere, als es uns hier nicht darum geht, eine reale Rendite-Historie aufzuführen – dafür hätten wir natürlich die Kosten eines Investments ansetzen müssen. Es geht uns hier vielmehr darum zu illustrieren, was die vielzitierte Tendenz „Reversion to the Mean“, also mithin die Rendite-Glättung im Zeitverlauf, in der Realität bedeutet. Und wer sich die Mühe machen möchte, die realen Renditen zu berechnen, kann dies unter Verwendung der langjährigen Inflationsreihe der OECD recht schnell bewerkstelligen.
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