Die USA Europa driften in vielerlei Hinsicht auseinander, und die Haltung gegenüber ESG-Investments ist hier keine Ausnahme. Eine Gegenüberstellung der jüngsten ESG-Initiativen dies- und jenseits des Atlantiks zeigt, dass die Unterschiede zwischen der EU und den USA groß sind.
Im April dieses Jahres hat das US-Arbeitsministeriums Leitlinien herausgegeben, die informieren, wie Sponsoren von Altersversorgungsplänen Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG) bei der Auswahl der Investitionen in Pensionsplänen berücksichtigen sollen. Auch wenn die Linie des Ministeriums bestehen bleibt, aus fiduziarischer Sicht ESG-Faktoren den Ausschlag für ein Investment geben können, sofern auch wirtschaftliche Überlegungen dafürsprächen, so haben die jüngsten Beschlüsse diese Haltung relativiert. „Die Treuhänder des Pensionsmandats sollten nicht zu eilfertig davon ausgehen, dass ESG-Faktoren auch tatsächlich eine ökonomische Relevanz für ein bestimmtes Investment besäßen“, heißt es.
Viele Beobachter, uns eingeschlossen, können nicht viel mit der Formulierung „zu eilfertig“ anfangen. Die Anbieter von Pensionsplänen lassen ohnehin große Sorgfalt bei der Auswahl ihrer Investments walten. Auch wenn diese neuen Bestimmungen in der Praxis deshalb nicht viel ändern dürften, so macht es das Leben der betroffenen Institutionen: Berater, Consultants und der Asset Manager nicht unbedingt leichter.
Ein gänzlich anders Bild zeigt sich in Europa. Hier überprüfen die Regulierungsbehörden gerade die Rückmeldungen der Marktteilnehmer zu Vorschlägen, die darauf abzielen, den Finanzsektor bei der Erfüllung der Verpflichtungen der EU in der Klimapolitik in den Mittelpunkt zu stellen. Schließlich wurden im Pariser Klimaabkommen von 2015 ambitionierte Ziele formuliert!
Die Vorschläge der EU-Kommission stellen das erste Legislativpaket im Kontext des Aktionsplans einer Expertengruppe, der im März vorgelegt wurde. Der Plan war der Höhepunkt einer mehr als einjährigen Arbeit der hochrangigen Expertengruppe der Kommission für nachhaltige Finanzierungen. Wir erwarten, dass die Auswirkungen der Vorschläge über die Grenzen der EU hinausgehen und direkte Auswirkungen auf Unternehmen haben werden, die Anlageprodukte in der EU vertreiben. Die vorgesehene Taxonomie wird zudem sehr großen Nutzen stiften, vor allem, wenn sie weltweit übernommen werden sollte.
Folgende vier Kernpunkte liegen den Vorschlägen der Europäischen Kommission zu nachhaltigen Finanzierungen zugrunde, die weitreichende Folgen für Anlageberater, Investmentmanager, Index- oder Benchmark-Anbieter und Investoren haben werden:
Eignungsprüfungen für Finanzberater: Nach MIFID II und der EU Versicherungsvermittler-Richtlinie sind europäische Unternehmen bereits verpflichtet, die Anlageziele ihrer Kunden festzulegen, bevor sie geeignete Produkte empfehlen. Die Vorschläge der Kommission werden diese Regelwerke erweitern und von Beratern verlangen, zusätzliche Schritte bei der Festlegung des Risikoprofils zu unternehmen und die ESG-Präferenzen ihrer Kunden bei der Beratung zu bewerten;
Implementierung von ESG-Faktoren im Anlageprozess: Die vorvertraglichen Offenlegungen gegenüber europäischen Investoren entwickeln sich weiter. Nach den Vorschlägen der Kommission müssen die Fondsmanager Angaben darüber machen, wie ESG-Risiken in ihre Prozesse einbezogen werden, inwieweit sie sich auf ihre Performance auswirken können und wie die Vergütung an ESG-Ziele gebunden ist;
Carbon-Emissionen und Benchmarks: Nach dem LIBOR-Skandal und der Manipulation von Zinssätzen trat im Juli eine neue Benchmark-Verordnung in Kraft. Sie erlegt den Anbietern von Benchmarks, die innerhalb der EU verwendet werden, erhebliche Registrierungs- und Offenlegungspflichten auf. Mit den neuen Vorschlägen wird diese Verordnung um eine Reihe von Kriterien für niedrige Karbon-Werte in Benchmarks ergänzt;
Einführung einer Definition über was ökologisch nachhaltig ist: Der Vorschlag sieht eine neue Verordnung vor, die definieren soll, welche Wirtschaftstätigkeiten ökologisch nachhaltig sind und die Anlegern den Vergleich konkurrierender Produkte erleichtern soll.
Die Vorschläge der Europäischen Kommission gehen einen weiten Weg, der ESG-Faktoren zum Haupttreiber der Anlageauswahl zu machen, wenn ein Anleger dies wünscht. Als solche gehen diese Vorschläge viel weiter als die Leitlinien des US-Arbeitsministeriums, in denen die Treuhänder von Pensionsplänen Überlegungen anstellen können, wie ESG-Faktoren für eine Anlageentscheidung genutzt werden können. Ungeachtet der erkennbaren Zurückhaltung gegenüber ESG-Faktoren können die Sponsoren von Pensionsplänen nichtsdestoweniger eine ESG-Investition tätigen, wenn sie die gleiche Performance-Chancen hat wie eine konventionelle Investition.
Die Vorschläge der Europäischen Kommission lässt darauf schließen, dass von Beratern zunehmend erwartet wird, eine Expertise in Sachen ESG zu entwickeln, die mindestens derjenigen entspricht, die sie ihren Kunden in anderen Bereichen ihrer persönlichen Finanzen zur Verfügung stellen. Das ist eine bedeutsame Anforderung und angesichts der bisherigen Relevanz von ESG-Faktoren in den typischen Beratungsprozessen ambitioniert. Wir glauben, dass Berater mehr Leitlinien benötigen, die ihnen helfen, die ESG-Präferenzen ihrer Kunden herauszuarbeiten. Auch benötigen sie Unterstützung, um die Harmonisierung von ESG-Faktoren mit den „harten“ Finanzkennzahlen, wie etwa künftige Einkommensströme, die Gestaltung von Verrentungsplänen oder klassischen Rendite-Risiko-Überlegungen zu erreichen.
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