Chaos-Brexit wäre für europäische Unternehmen keine Marginalie

Im zweiten Teil unserer Analyse zu den Folgen eines Chaos-Brexits für Aktiensektoren gehen wir auf die Folgen für die Unternehmen auf dem Kontinent ein.

Alex Morozov, CFA 11.12.2018
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Im ersten Teil dieser Analyse zu einem möglichen chaotischen Brexit haben wir auf die Hauptleidtragenden, die Unternehmen Großbritanniens, geblickt. Jetzt gehen wir auf europäische Branchen und Unternehmen ein, die von einem Hard-Brexit mal mehr, mal weniger betroffen wären. Wie bereits im ersten Teil erwähnt, führt die weitgehende Verflechtung der Ökonomien der Europäischen Union und Großbritanniens dazu, dass eine absolut trennscharfe Analyse zu den Folgen so nicht möglich ist. Allerdings gehen wir davon aus, dass ein Chaos-Brexit Großbritannien mit voller Wucht treffen, die EU dagegen deutlich weniger in Mitleidenschaft ziehen würde.   

BMW übermäßig in Mittleidenschaft gezogen?

Der Automobilsektor wäre eindeutig am stärksten betroffen, und es überrascht nicht, dass die gesamte Branche in unserem Aktien-Universum in unserem ungeordneten Brexit-Szenarios am schlechtesten abschneidet. Die britische Automobilindustrie ist stark mit der EU integriert, einschließlich der Fahrzeugproduktion und der Teilefertigung. Die Handelsbeziehungen der Automobilindustrie sind zwischen Großbritannien und Deutschland besonders stark. Deutschland ist das Hauptziel für den Export von britischen Fahrzeugen und Teilen. Knapp hinter den Vereinigten Staaten ist Großbritannien wiederum das zweitgrößte Ziel für den deutschen Fahrzeug- und Teileexport. Auch der britische Automobilhandel mit Frankreich, Italien und Spanien ist sehr bedeutsam. 

Sollte eine Zollregelung nur für importierte Fahrzeuge gelten, könnten britische Verbraucher zu konkurrierenden Produkten wechseln, die nicht den EU-Zöllen unterliegen. Allerdings stellen die EU-Zölle auf Fahrzeugteile ein Problem dar, das auch bei britischen Fahrzeugen zu Preiserhöhungen führen kann. Dass die Automobilhersteller die Schließung britischer Werke als strategische Option betrachten, liegt nicht nur am Exportvolumen in die EU, sondern auch daran, dass ihre Lieferketten mit der EU integriert sind. Die Hersteller sind besorgt über die Auswirkungen von Preiserhöhungen auf die Nachfrage, aber auch über Verzögerungen in der Lieferkette in den Eingangshäfen sowie über die Investitionen in das Betriebskapital, die erforderlich sein werden, um die in den Häfen „gefangenen“ Bestände auszugleichen. 

Wir sind der Meinung, dass die Nachfrage nach Leichtfahrzeugen in Großbritannien und der EU in einem harten Brexit-Szenario von Preiserhöhungen auf beiden Seiten betroffen wäre, mit dem Risiko größerer Preiserhöhungen bei allen in Großbritannien verkauften Leichtfahrzeugen, unabhängig ihrer Herkunft. Das würde gemäß unserer Cashflow-Modelle zu einer Reduzierung der Fair Value Schätzungen im Automobilsektor von rund 14 Prozent rechtfertigen. 

Im aktuellen Umfeld hat der Markt jedoch mehrere Aktien übermäßig abgestraft. Vor allem hält ein 4-Sterne-Rating. Dieser Narrow-Moat-Autohersteller verfügt über eine aktuelle Marktbewertung, die einen Abschlag von 31 Prozent gegenüber dem Fair Value impliziert.

Investitionsgüter-Hersteller würden von Chaos-Brexit betroffen sein

Neben der Autoindustrie würden in einem harten Brexit-Szenario europäische Investitionsgüterlieferanten das Risiko direkt aus den Zöllen und erhöhtem Bürokratieaufwand tragen. Die direkten Auswirkungen wären zwar die Kosten um fünf bis 20 Basispunkte (bezogen auf den Gruppenumsatz) der betroffenen Firmen erhöhen, aber da britische Markt weniger als zehn Prozent des Umsatzes der europäischen Fertigungssektor ausmacht, wären diese unmittelbaren Kosten beherrschbar. Eine Rezession hätte jedoch deutlich schwerere Folgen, da die Nachfrage nach zyklussensiblen Investitionsgütern wie Automobilkomponenten und Produktionswerkzeugen sowie Gabelstaplern sinken würde. Die Unternehmen mit dem größten Risiko einer Rezession in Großbritannien sind in unserer Berichterstattung die Gabelstaplerlieferanten Kion Group und Jungheinrich, mit einem Abwärtsrisiko von neun bis 15 mit Blick auf den Fair Value. 

Konsumgüterhersteller wären defensive Investments 

Es gibt zwei Gründe, warum Hersteller von Konsumgütern mit einer hohen Marktkapitalisierung eine deutlich bessere Wahl wären als Einzelhändler. Erstens verfügen viele Hersteller über starke Wettbewerbsvorteile. In den meisten Fällen liegen die Gründe für ihre Wide Moats in Wettbewerbsvorteilen in der Lieferkette, aber einige Hersteller verfügen immer noch über eine Preissetzungsmacht. Und zum zweiten sind multinationale Hersteller dadurch im Vorteil, dass sie viel stärker geografisch diversifiziert sind als Einzelhändler. Guten Chancen also für Unternehmen wie Unilever, Nestle und Danone, bei denen das Vereinigte Königreich fünf Prozent und weniger des Gesamtumsatzes ausmacht, so dass die Auswirkungen eines Chaos-Brexits nicht wesentlich sind. 

Nur ein blaues Auge für den Chemie-Sektor? 

Wir sehen ein eher niedriges Risiko für Chemie-Unternehmen vom Kontinent, da der Großteil ihrer Umsätze, Produktionen und Rohstoffeinsätze außerhalb Großbritanniens liegt. Nur wenige geben ihrem Umsatz im Großbritannien-Geschäft bekannt, aber wir schätzen, dass hier vier bis sechs Prozent im Risiko sind. Mit Blick auf mögliche Zölle sehen wir auch ein geringeres Risiko für kontinentaleuropäische Produzenten.  BASF schätzt beispielsweise, dass die Rückkehr zu den WTO-Regeln das Unternehmen jährlich 40 bis 60 Millionen Euro kosten würde. Zusätzlich kamen noch einmal Kosten von 20 Millionen Euro, wenn BASF verpflichtet wäre, Stoffe nach REACH, dem wichtigsten EU-Recht für die chemische Industrie, neu zu registrieren; 60 Millionen Euro entsprechen nur 0,01 Prozent des Gesamtumsatzes von BASF. Für kleinere Unternehmen werden derartige Kosten eine größere Belastung darstellen, aber wir halten es zum jetzigen für unwahrscheinlich, dass die Kosten für die anderen Chemie- und Grundstoffunternehmen wesentlich sein werden.

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Über den Autor

Alex Morozov, CFA  Alex Morozov is the director of the health-care team at Morningstar.