Ich mache jedes Frühjahr dieselbe Erfahrung: Ich nehme mir vor, nichts zur Dividenden-Saison zu schreiben. Weil im Grunde alles schon gesagt wurde. Dividenden sind eine entscheidenden Erfolgskomponente von Aktien-Investments. Punkt. Aber leider scheint der Mechanismus so zu funktionieren, dass im Frühjahr viele Anleger aufwachen und sich erstaunt die Augen angesichts der immensen Summen reiben, die zur „Dividenden-Saison“ auf die Aktionäre niedergehen.
Dann folgen die obligatorischen „Dividenden sind der neue Zins“-Werbekampagnen von Finanzdienstleistern, und ich werfe meine Überzeugungen über Bord und schreibe etwas über Dividenden-Investments. So auch in diesem Jahr.
Heute hat mich die Werbekampagne einer Bank aufgescheucht, die wieder einmal die falsche Analogie von „Zins heißt Dividende“ gebracht hat. Das ist natürlich Unfug. Die Tatsache, dass in diesem Jahr laut der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) deutsche Unternehmen erneut eine Rekordsumme von Dividenden – es sollten 57 Milliarden Euro sein - auskehren, ist das Eine. Das Andere ist, dass Aktieninvestments riskant sind und Dividenden insofern nichts mit dem Sparkonto zu tun haben. So verständlich es ist, dass Sparer davon frustriert sind, dass sie null Prozent Zinsen auf ihr Sparkonto bekommen und so wundervoll Aktiensparen auch ist, so wenig sollte man Aktien mit Zinsen in Verbindung bringen.
In schlechten Jahren, etwa 2002 oder 2008 haben Aktien – je nach Markt – 60 Prozent und mehr verloren. Und das ist mehr, als Sparbuch-Inhaber (und nicht nur sie) verkraften können.
Damit wäre dieser Artikel eigentlich fertig geschrieben. Aber das wäre zu einfach. Denn auch eingefleischte Aktien-Fans bringen manchmal auf Fonds-Ebene elementare Fakten durcheinander bzw. lassen sich von vermeintlichen Börsenweisheiten irritieren. Daher habe ich eine kleine Checkliste zusammengestellt, die hoffentlich einige Fragen adressiert.
1. Dividenden bzw. Ausschüttungen sind für Anleger, die konsumieren, wichtig. Wer jedoch spart, sollte den Zinseszins für sich arbeiten lassen. Sparen Sie noch, oder konsumieren Sie schon? Das ist die entscheidende Frage, deren Beantwortung ganz am Anfang stehen muss. Befinden Sie sich noch in der Ansparphase, sollen Sie nur dann auf Dividendenfonds oder –ETF setzen, wenn Sie überzeugt sind, dass der Gesamtertrag langfristig höher sein wird als bei einem herkömmlichen Fonds bzw. (marktkapitalisierungsorientierten) ETF. Geht es um einen effizienten Kapitalzuwachs, steht die Güte des Investmentansatzes im Vordergrund. Vergessen Sie also die Informationen zur durchschnittlichen Dividendenrendite -- sie sagen wenig bis nichts über den künftigen Gesamtertrag des Investments aus!
2. Das führt zu dem wichtigen Punkt: Dividenden sind ein elementarer Bestandteil der Aktien-Rendite. Aber das bedeutet spiegelbildlich eben nicht, dass höhere Dividenden zu höheren Erträgen führen. Ein Beispiel: Der MSCI World hat sein Dividenden-Pendant MSCI World High Dividend Yield in fast jeder denkbaren Zeitperiode übertroffen. Auch Risiko-adjustiert, gemessen an der Sharpe Ratio. Das hat den einfachen Hintergrund: Der MSCI World High Dividend setzt sich aus wenig wachstumsstarken Branchen (Energie, Versorger, Telecoms), und die sind deutlich schlechter gelaufen als Wachstumswerte wie zuletzt Technologie-Unternehmen, die deutlich tiefer gewichtet sind im Dividendenindex). Es gilt also, wie gesagt, die Leistungsstärke des Investments im Blick zu behalten.
3. Zu Ende gedacht führt die Definition der beiden Anlegertypen, Investoren und Konsumenten, zu folgenden Fondstypen: Investoren brauchen leistungsstarke thesaurierende Fonds. Die leistungsstärksten Fonds sind für Langfristsparer Aktienfonds. Je mehr der Zinseszins zur Wirkung kommt, desto höher ist die Leistungsstärke eines Fonds. Fondsausschüttungen sind nicht-reinvestierte Dividenden. Sie sind für den Augenblick „nice to have“, aber für die Langfrist-Rendite sogar schädlich.
4. Leider wird es jetzt technisch, aber im Grunde gilt das Motto: Man kann den Euro nicht zweimal ausgeben. Die Rede ist von den Performance-Angaben der Fondsanbieter. Die Performance-Messungsmethode folgt dem so genannten internen Zinsfuß. Sie unterstellt, dass ausgeschüttete Erträge eines Fonds umgehend wieder reinvestiert werden. Das entspricht allerdings nicht der Realität der Anleger-Rendite. Dass ausschüttende und thesaurierende Tranchen eines Fonds eine identische Performance zeigen, heißt nicht, dass Sie den Euro zweimal bekommen. Den ausgeschütteten Euro, den Sie in den Konsum stecken, kann nicht wieder investiert werden – auch wenn der Total Return auf dem Fonds-Factsheet dies suggeriert. Ausschüttung oder Kapitalzuwachs? Hier gilt es, harte Entscheidungen zu fällen!
5. Dividendenfonds, und das gilt speziell für ETFs, können sehr schlecht diversifiziert sein. Wenn ein Dividendenfonds bzw. -ETF 30 Aktien enthält, ist er ziemlich konzentriert. Ein Dividendenprodukt mit nur 15 Holdings kann man mit Fug und Recht als Havarie gefährdet bezeichnen. Gibt es nicht, sagen Sie? Gibt es doch, siehe ETFs auf den DivDAX, die es bereits seit 2005 gibt!
6. Dividendenfonds sollten der Idee nach eine defensive Rolle im Portfolio einnehmen. Das tun sie auch manchmal, aber leider oft auch nicht. Stichwort Energie-Aktien. RWE und E.on galten lange Zeit als Witwen- und Waisen-Papiere. Aber dann kam die Energiewende in Deutschland, und die Aktien bescherten ihren Erfolg verwöhnten Anlegern hohe Verluste (und auch keine Dividende). Das Havarie-Risiko ist natürlich nicht auf Deutschland beschränkt. Wussten Sie, dass die meisten Dividenden-ETFs, die in Schwellenländern investieren, zu großen Teilen am russischen Aktienmarkt unterwegs sind? Und dass 2008 europäische Dividenden-ETFs vollgeladen waren mit Euro-Bankaktien? Vielleicht sind das Achterbahnfahrten, auf die Sie verzichten möchten?
7. Genauso, wie Banken mit dümmlichen Parolen wie „Die Dividende ist der neue Zins“ kommen, neigen Fondsgesellschaften dazu, Anlegern gefällige Geschichten aufzuwärmen. Der Hype um Dividenden und Ausschüttungen findet seine Entsprechung auf Fonds-Seite bei den so genannten Multi-Asset-Income-Funds. Das sind Mischfonds, die hohe laufende Erträge erzielen (und ausschütten). Viele dieser Produkte sind für die allermeisten Anleger nur schwer zu durchschauen, ihnen gemeinsam ist allerdings, dass sie in riskante Papiere investieren, da sichere Staatsanleihen nichts abwerfen. Und Risiko-Assets können nun einmal hohe Kursverluste erleiden. Bei konstant hohen Ausschüttungen zehren solche Fonds unter Umständen an der Substanz. Oder die Ausschüttungen werden gekürzt, wie es in der Vergangenheit mehrfach passiert ist.
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