Interview: Anleger können bis zu 70 Prozent der Kickbacks sparen

Ein Interview mit Michael Weisz, Betreiber der Vertriebsplattform envestor.de, über sein Geschäftsmodell, das Anlegern hilft, viel Geld zu sparen. 

Ali Masarwah 02.10.2019
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Für Selbstentscheider sind Kickbacks mehr als nur ein Ärgernis. Viele Anleger hadern damit, dass sie für Fonds auch dann fortlaufend Vertriebsgebühren berappen müssen, wenn sie ihre Bank nicht berät. Online-Banken und die meisten Vertriebsplattformen im Internet kassieren Vertriebsgebühren (Kickbacks), obwohl sie beratungsfrei als Abwickler im Fondsvertrieb tätig sind. Doch selbst im Fondsvertrieb in Deutschland ändern sich die Zeiten. Einige wenige Vertriebsplattformen bieten inzwischen Transaktionsdienstleistungen an und erstatten den Kunden dafür einen Teil der Kickbacks. Wir sprachen mit Michael Weisz, Geschäftsführer der Envestment Services GmbH in Frankfurt am Main. Er betreibt die Vertriebsplattform envestor.de. Weisz berät Privatkunden seit zwei Jahrzehnten und entwickelt zudem Beratungs-Tools sowie Investmentlösungen für Finanzdienstleister. Aktuell verantwortet er auch das Fonds-Research beim Maklerpool Fondsnet Vermögensberatung und –verwaltungs GmbH.

Herr Weisz, Sie sind Finanzberater, haben allerdings auf Ihrer Plattform envestor.de zwei „Eingänge“; Anleger können entscheiden, ob sie eine Beratung benötigen, oder ob sie Fonds ohne Beratung kaufen wollen. Letzteren erstatten Sie einen Teil der Vertriebsprovisionen. Wie sind Sie auf dieses Geschäftsmodell gekommen? 

Ich habe bereits vor der Gründung von Envestor Kunden beraten und als Gegenleistung für die Beratung die Bestandsprovision vereinnahmt. Es kamen aber mehr und mehr Anfragen von Investoren, die ihre Anlageentscheidungen selbständig treffen und mich nur als „Einkaufsplattform“ nutzen wollten. Mir erschien es logisch, dass für Kunden, die explizit auf eine Beratung verzichten, ein anderes – günstigeres – Preismodell gelten muss. 

Sie Erstatten in dem Modell die Kickbacks bis auf 19 Basispunkte. So viel kostet Ihre Transaktionsdienstleistung. Was sparen Anleger bei Ihnen im Schnitt, sagen wir, bei einem Aktienfonds? 

Das ist von Fonds zu Fonds und von Depotstelle zu Depotstelle unterschiedlich. Wenn ein Fondsanbieter für einen Aktienfonds 0,60 Prozent jährlich an Kickbacks an den Vertrieb zahlt, erstatte ich die Differenz zwischen 0,60 und 0,19 Prozent. Insgesamt können Anleger bei Envestor bis zu 70 Prozent der Bestandsprovision sparen. 

Bei einem Anlagezeitraum von 15 Jahren sind das bei einem Anlagebetrag von 100.000 Euro über 6.000 Euro, die Anleger bei Ihnen sparen können. Das ist nicht schlecht - bei einem Sparkonto gibt es null Prozent Zinsen. Kann man als Anleger auch auf Ihrer Website diesen Spareffekt nachvollziehen? 

Ja, wobei Ihre Rechnung keine Wertentwicklung unterstellt. Im Kundenbereich von Envestor haben wir einen Spareffekt-Rechner, mit dem man den Spareffekt bei unterschiedlichen Renditesätzen berechnen kann. Hier ergeben sich teils überraschende Kosteneffekte. Denn der Zinseszins-Effekt gilt auch für gesparte Kosten. 

Online-Banken kassieren Vertriebsprovisionen obwohl sie zumeist ausdrücklich nur „Execution Only“ Dienstleistung anbieten, also nur Transaktionen im Auftrag von Kunden ausführen. Sie erstatten dagegen einen großen Batzen der Vertriebsprovisionen. Rennen Ihnen jetzt die gefrusteten Online-Banken-Kunden die Bude ein? 

Wir sind mit Envestor zuerst mit einem rudimentären Funktionsumfang – so zu sagen für Friends & Family - live gegangen und haben erst sukzessive alle geplanten Features fertig gestellt. Unser Modell wird offensichtlich bereits weiterempfohlen, denn obwohl wir noch nicht in die Werbung gegangen sind, können wir uns bereits über ein sehr dynamisches Wachstum freuen. Im nächsten Schritt werden wir aktiv mit unserem Angebot werben. 

Müssen Anleger auf die erstatteten Kickbacks Steuern zahlen? 

Ja. Es handelt sich um eine Zahlung aus einem Sondervermögen. Dem Fiskus scheint es hierbei egal zu sein, wie diese Zahlung zustande kommt. 

Was sind die typischen Fragen, die Anleger loswerden? 

Häufig wird gefragt, wie die praktische Umsetzung aussieht. Also zum Beispiel in welchem Turnus rückerstattet wird und wie die Abrechnung aussieht. Interessanterweise kommt auch häufig die Frage, ob die gesparten Kosten gleich wieder reinvestiert werden können. Die Idee finden wir sehr charmant. Wir haben aber leider noch keine Möglichkeit, das umzusetzen. 

Bereits seit Inkrafttreten der ersten europäischen Finanzmarktregulierungs Mifid I im November 2007 basiert die Vereinnahmung von Kickbacks auf einem Ausnahmetatbestand. Aber der hält sich verdammt hartnäckig. Praktisch alle Vertriebsstellen für Finanzprodukte, egal, ob es sich um Banken, Versicherungen oder Online-Fondsplattformen handelt, kassieren weiterhin für bloße Fondstransaktionen weiter munter Kickbacks. Was meinen Sie, wie lange dieses Spielchen aus Sicht der Industrie noch gut geht? 

Die Finanzanlagenvermittlerverordnung, die in Kürze in Kraft treten wird, regelt ja nun erst mal, dass Vermittlungsfolgeprovisionen weiterhin vereinnahmt werden dürfen. Dies schafft aus unserer Sicht für die nähere Zukunft eine gewisse Rechtssicherheit im Vertrieb. Wie lange diese Bestand haben wird, ist schwer einzuschätzen. Ich gehe aber davon aus, dass perspektivisch auch in Deutschland Produktions- und Vertriebs-Kosten glasklar voneinander getrennt werden müssen. 

Sie bieten neben dem bloßen Fondsverkauf, bei dem Sie die Kickbacks größtenteils erstatten, auch eine klassische Fondsvermittlung an, die auf dem Rendite-Risiko-Profil von Investoren basiert. Wie verteilt sich Ihr Neugeschäft auf diese beiden Stränge? Sind die Kunden eher beratungshungrig oder kostenbewusst? 

Der Löwenanteil der Bestandskunden sind aktuell Beratungskunden. Ich habe durchaus den Eindruck, dass Anleger nach wie vor Betreuung suchen. Wenn ich mir aber das Neugeschäft - sagen wir über die letzten sechs Monate - ansehe, dann überwiegt eher die Schiene "Envestor- Direkt". Ich glaube, es wird immer Kunden geben, die eine kompetente Beratung wünschen und Anleger, die selbst ihre Entscheidungen treffen.

Die Fragen stellte Ali Masarwah

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich