Es war eigentlich klar, dass bei Vanguard eher früher als später etwas passieren musste. Als der US-Indexfondsgigant 2012 an den europäischen ETF-Markt kam, konnte er mit Kampfkonditionen aufwarten. Seitdem hat sich das Pricing der Vanguard ETFs nicht verändert. Rasant hat sich in den vergangenen sieben Jahren allerdings die ETF-Branche weiterentwickelt: Immer neue Akteure kamen und kommen an den Markt, und die meisten Neulinge treten mit Kampfkonditionen an. Die Platzhirsche wiederum reagierten früher oder später ihrerseits mit Gebührensenkungen auf die neuen Herausforderer.
Bei Vanguard kommt die Gebührensenkung eher später. Die Gebühren für 13 ETFs und 18 Indexfonds wurden am heutigen Mittwoch teilweise deutlich gesenkt. Die Gebührensenkungen reichen von zwölf Prozent für die ETFs in den Kategorien Aktien Welt und Aktien Emerging Markets bis hin zu 42 Prozent für ETFs für Staatsanleihen aus Großbritannien und der Eurozone. Die Details der Gebührensenkung finden Sie in der unteren Tabelle. (Die Gebührensenkungen bei nichtbörsennotierten Indexfonds, die deutlich höher gepreist waren, fallen signifikant höher aus, wobei die Gebühren dieser Produkte nach wie vor höher sind als bei vergleichbaren Vanguard ETFs.)
Tabelle: Wie stark Vanguard die Kosten bei welchen ETFs gesenkt hat
Doch was bedeutet dieser Schritt für Anleger, Vanguard und den ETF-Markt?
Für Anleger ist dieser Schritt eindeutig positiv. Vanguard ETFs zeichnen sich durch ein sehr gutes Tracking aus, und entsprechend dürften sich die sinkenden Gebühren unmittelbar auf die Performance auswirken. Allerdings werden sich die Auswirkungen teilweise jenseits des Wahrnehmbaren bewegen. Beim Vanguard FTSE All World, der rund 3,4 Milliarden Euro schwer ist, gehen die laufenden Gebühren von 0,25 auf 0,22 Prozent zurück. Das ist zwar ein Schnitt um zwölf Prozent, aber drei Basispunkte sind, nun ja, drei Basispunkte. Auch um ganze drei Basispunkte geht es beim Vanguard FTSE Emerging Markets runter. Bei den beiden großen Aktienkategorien hält sich die „ETF-Aldisierung“ bei Vanguard also in Grenzen.
Deutlich stärker sinken die Gebühren bei Bond-ETFs. Angesichts des Rendite-Absturzes an den Bond-Märkten seit 2012 Bestand bei dieser Asset-Klasse eindeutig Handlungsbedarf. Bond-Anleger freuen sich hier über sehr ordentliche Rückgänge bei den Kosten. So sind der Vanguard USD Treasuries Bond ETF und der Vanguard Eurozone Government Bond ETF nunmehr für jeweils 0,07 Prozent jährlich zu haben statt zuvor jeweils 0,12 Prozent. Diese Gebührensenkungen werden Investoren stärker wahrnehmen als die Anleger in den oben erwähnten Vanguard-Aktien-ETFs.
Es bleibt darüber hinaus festzuhalten, dass Vanguard ETFs zu den günstigeren Produkten am Markt zählen. Wie die untere Tabelle zeigt, ist der Unterschied zwischen Vanguard und den anderen ETF-Anbietern in der Kategorie Aktien Asien-Pazifik ex Japan am größten. Hier ist der Vanguard FTSE Developed Asia Pacific ex Japan mit Kosten von nunmehr nur noch 0,15 Prozent der mit Abstand billigste ETF in dieser Kategorie. Der zweitbilligste ist mit 0,3 Prozent doppelt so teuer, und im Schnitt bringen es diese ETFs (ohne das Vanguard-Produkt) auf durchschnittlich 0,5 Prozent an Gebühren. Bei anderen Produkten sind die Unterschiede zwar nicht ganz so groß, aber Vanguard liegt bei allen ETFs, deren Gebühren gesenkt wurden, nunmehr deutlich unter dem Durchschnitt vergleichbarer ETFs.
Tabelle: Wie günstig sind Vanguard ETFs im Vergleich zur Konkurrenz?
Bei den anderen beiden Akteuren, Vanguard und dem ETF-Markt als solcher, sind die Folgen nach dem heutigen Stand der Dinge eher ambivalent. Fangen wir mit Vanguard an. Zunächst steht fest, dass die Erträge des Hauses in Europa deutlich sinken werden. Und zwar umgehend. Denn Vanguard ist nicht den Weg anderer Anbieter, wie etwa iShares oder Amundi, gegangen und hat nicht neue, günstige Produkte aufgelegt und die großen Cash Cows geschont. Vanguard hat sich vielmehr entschlossen „den Hit“ direkt und ohne Umschweife zu nehmen. (Was aus Anlegersicht sehr löblich ist!)
Die Überlegung hinter der Gebührensenkung ist klar: Das US-Haus will in Europa Marktanteile gewinnen. Schon heute ist die Größe Vanguards mit einem verwalteten Vermögen von knapp 170 Milliarden Euro, die überwiegend nicht in ETFs investiert sind, beachtlich. Das Haus liegt auf Platz sieben nach dem in Publikumsfonds (ohne Geldmarktfonds) investiertem Vermögen in Europa; hinter BlackRock/iShares, Amundi, UBS, PIMCO, Credit Suisse und JPMorgan. Der Abstand zu PIMCO, Credit Suisse und JPMorgan dürfte dabei zügig aufholbar sein.
Bei ETFs besteht sogar noch mehr Handlungsbedarf. Hier zählt der Vanguard mit einem Vermögen von rund 40 Milliarden Euro zur Riege der mittelgroßen Häuser in Europa und liegt auf Rang sechs, weit hinter dem Triumvirat aus iShares, Xtrackers und Lyxor.
Doch ob diese Rechnung kurz- oder auch mittelfristig aufgehen wird, ist fraglich. Anleger sind -aus verschiedenen Gründen - träge, und wer noch nicht von teuren ETFs in günstige ETFs umgeschichtet hat, wird es nicht unbedingt für eine Handvoll Basispunkte tun, die er nunmehr mit Vanguard-Indexfonds sparen kann.
Zudem ist der Wettlauf um den günstigsten ETF aus Anbietersicht ein trügerisches Unterfangen. Die untere Tabelle zeigt, dass Vanguard-ETFs nach der Gebührensenkung zwar relativ günstig sind im Durchschnitt, aber fast überall teurer als der günstigste ETF der identischen Kategorie. Nur in der oben erwähnten Asien-Kategorie setzt Vanguard bei den Kosten Maßstäbe; bei den zwölf anderen ETFs, deren Kosten gesenkt wurden, gibt es deutlich billigere ETFs.
Besonders krass ist der Unterschied zwischen dem Vanguard FTSE All World ETF, der nunmehr 0,22 Prozent kostet. Der günstigste ETF der Kategorie Aktien Welt Standardwerte kostet dageben nur 0,05 Prozent. Der Vanguard ETF ist also noch immer viermal so teuer wie der billigste global anlegende Aktien-ETF (der von Amundi jüngst aufgelegt wurde).
Tabelle: Vanguard ETFs im Vergleich zu den günstigsten ETFs
Womit wir bei den Folgen dieser Gebührensenkung für den ETF-Markt wären. Unkenrufe wollen bereits seit geraumer Zeit einen ruinösen Wettbewerb im ETF-Markt ausgemacht haben, der ETF-Anbieter vom Markt drängt. Die Folgen dieser Konsolidierung, so die Pessimisten, seien auch für Anleger mittelfristig negativ, da im Extremfall eine Art Oligopol entstünde, das Anlegern die Preise diktieren könne.
An dieser Diagnose ist etwas dran. Zumindest teilweise. Die Konsolidierung ist tatsächlich voll im Gange. ComStage ist bereits Teil von Lyxor ETFs, Source ETFs wurde 2017 von Invesco übernommen, ETF Securities hat sein europäisches Indexfondsgeschäft im selben Jahr an WisdomTree veräußert, und Van Eck kaufte 2018 den niederländischen Anbieter Think ETF. Und regelmäßig schießen Spekulationen über bevorstehende Übernahmen ins Kraut – entsprechendes Marktgeflüster gab es jüngst sogar mit Blick auf Lyxor.
Doch es ist verfrüht, von dieser Konsolidierung, die vor allem mittelgroße Häuser betrifft, das bevorstehend Ende des Wettbewerbs im ETF-Markt abzuleiten. Denn es kommen immer wieder neue Akteure an den Markt, die von der Aussicht auf überdurchschnittliches Wachstum angelockt werden. Jüngst startete kein Geringerer als Goldman Sachs sein europäisches ETF-Geschäft. Auch der ETF-Antritt des Giganten JPMorgan in Europa ist gerade einmal 18 Monate her.
Auch wenn immer wieder Fragezeichen hinter die Nachhaltigkeit von Gebührensenkungen gesetzt werden, können größere Häuser durchaus bis auf die Nulllinie bei den Kosten runtergehen, zumindest bei einigen Angeboten. In den USA hat etwa Fidelity 2018 mit gratis Indexfonds Schlagzeilen gemacht, und auch in Europa ist Fidelity mit sehr günstigen (nichtbörsennotierten) Indexfonds unterwegs.
Derartige Angebote werden natürlich von anderen Produkten und Geschäftsfeldern typischerweise quersubventioniert, oder es handelt sich um zeitig befristete Aktionen, wie etwa die spektakuläre Aktion des auch in den USA weitgehend unbekannten Managers Salt Financial. Seit April 2019 zahlt der Anbieter Anlegern annualisiert fünf Basispunkte, also 0,05 Prozent des investierten Vermögens, wenn sie in den Salt Low TruBeta U.S. Market ETF investieren. Allerdings ist diese Aktion befristet, bis der ETF ein Vermögen von über 100 Millionen Dollar aufweist - und spätestens im April 2020 ist ohnehin Schluss. Dann werden reguläre Gebühren von 0,29 Prozent erhoben.
Dass nicht alle ETF-Anbieter am Hungertuch nagen, zeigen übrigens auch die Gesamtmarktstatistiken. Im Schnitt kosten Aktien-ETFs in Europa 0,37 Prozent an Gebühren pro Jahr. Das ist weit entfernt von den Null-Gebühren-Schlagzeilen. Mit durchschnittlich 22 Basispunkten sind Renten-ETFs ebenfalls nicht gerade spuckebillig, ganz zu schweigen von Rohstoff-Index-Produkten, die im Schnitt 0,55 Prozent an Kosten jährlich auf die Waage bringen. Das Ende der Fahnenstange ist also bei den ETF-Kosten noch längst nicht erreicht.
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