Ein Interview, das am 22. November auf fundplat.com veröffentlicht wurde. Aus einem geplanten Rückblick auf das zur Neige gehende Jahr entspann sich im Gespräch mit dem News- und Netzwerkportal fundplat.com eine spannende Diskussion über grundlegende Verhaltensfehler vieler Anleger, die bei ihren Investments oft Top-oder-Flop-Strategien einsetzen. Das führt nicht nur zu suboptimalen Renditen. Schlimmer noch: bei vermeintlich selbstkritischen Fehleranalysen wird in erster Linie die Saat für die nächsten Fehler gestreut. Für die Genehmigung der Widergabe des Interviews ein herzliches Dankeschön an Thomas Caduff, CEO der Fundplat GmbH, eine B2B Event- und Media-Plattform mit Präsenz in Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz.
Thomas Caduff: Herr Masarwah, was war in diesem Jahr so ganz anders als im Jahr 2018?
Ali Masarwah: Leider ist alles wie immer, fürchte ich. Es gibt nichts wirklich Neues. Ich könnte jetzt natürlich ganz viele Sachen benennen, die alle angeblich so nie stattgefunden haben, aber das wäre Humbug. Leider referieren wir oft nur über die Störgeräusche am Markt und lassen das wichtige außen vor. Kontinente versinken im Meer, und wir diskutieren über den Wellenschlag an der Oberfläche!
Mit Verlaub, das versteht jetzt keiner.
Wir, und ich meine nicht uns zwei, sondern den allgemeinen Diskurs im Asset Management, beschäftigen uns viel zu sehr mit kurzfristigen Entwicklungen, die nicht von nachhaltiger Wirkung sind. Das klingt zwar alles mächtig schlau, bringt den Anleger aber leider nicht weiter. Damit das klarer wird, gebe ich Ihnen ein Beispiel. Ich könnte jetzt als außergewöhnliches Ereignis hervorheben, dass die Kurse langlaufender Anleihen in diesem Jahr durch die Decke gegangen sind. Fonds für langlaufende Anleihen haben in diesem Jahr im Schnitt 25 Prozent zugelegt. Das hatte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor einem Jahr niemand auf dem Radar. Was ist die voraussichtliche Reaktion der Marktteilnehmer darauf? Entweder sie kaufen jetzt noch Langläufer, oder sie kaufen sie nicht, mit der Erklärung, dass diese Anleihen himmelschreiend überbewertet sind und dass eine Korrektur bestimmt.
Klingt doch logisch.
Vielleicht ist es das, vielleicht aber auch nicht, das geht mir nicht um die Frage an sich, sondern darüber, wie wir zu solchen Urteilen kommen und wie wir sie in die Wirklichkeit in Portfolios übersetzen. Die Ursache der Malaise vieler Strategien ist doch, dass selten grundlegend reflektiert wird, warum etwas schief gegangen ist. Im Nachhinein werden Erklärungen für das Geschehene gesucht und gefunden, aber dann wird das abgehakt und das Spiel geht weiter. Das machen wir immer so, ohne zu merken, dass wir erkenntnismäßig keinen Deut weitergekommen sind. Das ist ein typisches Experten-Phänomen. Ein nicht-Experte könnte vielleicht eher auf die Idee kommen, dass man das Zukünftige eben selten so zuverlässig prognostizieren kann, dass man sich nicht für alternative Entwicklungen wappnen sollte. Eine andere Denke stößt man an, indem man verschiedene Szenarien entwirft und nicht intuitiv den scheinbar naheliegenden Pfad beschreitet.
Denken Sie nicht, dass Fondsmanager, Berater und Analysten vor Beginn des Jahres verschiedene Szenarien entwickelt haben…
Das haben sie sicher, und dann haben sie sich für das vermeintlich naheliegende entschieden. Die Konsensmeinung siegt, die Minderheitenmeinung wird verworfen. Im Anlegeergebnis spiegelt sich dann nur die Konsensmeinung, und wehe, wenn die nicht aufgegangen ist! Das ist auch der Grund, warum Bond- und Mischfondsmanager seit Jahren mit falschen Durationswetten Rendite vernichtet haben. Jedes Jahr wird die Zinswende aufs Neue ausgerufen und die Duration kurz gehalten. Das ist übrigens ein Grund, warum Renten-ETFs, die den Gesamtmarkt abbilden, so gut abschneiden. Sie bilden den Index ab, und der ist tatsächlich ziemlich lang auf der Durationsseite. Mich persönlich wundert, dass Fondsmanager nicht mehr Offenheit und Empfängnisbereitschaft mitbringen, komplexere Szenarien zu entwerfen und stattdessen immer wieder auf den Top-oder-Flop-Ergebnispfaden herumtrampeln.
Sollten also Fondsmanager auch auf Langläufer setzen, wenn sie der Meinung sind, dass die Renditen steigen? Das könnte auf eine mutwillige Zerstörung der Portfolios hinauslaufen, nur um dem Minderheiten-Szenario Geltung zu verschaffen.
Das wäre ja jetzt schon wieder ein binäres Szenario. Es geht darum, unerwünschte Folgen von Entscheidungen abzufedern. Allein die Frage zu stellen: «Und wie verdiene ich Geld, auch wenn meine Hauptwette nicht aufgeht?», wäre ein Anfang. Das könnte mehr Komplexität bei manchen Produkten bedeuten, aber das schließt ja nicht aus, dass die andere Seite der Produktlandschaft eine stärkere Granularisierung erfährt. Heute ist es so, dass eigentlich nur Indexfonds zuverlässige, diversifizierte Bausteine liefern, derweil aktive Fonds zu oft mit direktionalen Strategien unterwegs sind und Beimischungen nur nutzen, um ihre ohnehin binäre Aufstellungen zu verstärken. Das muss nicht so sein.
Sie plädieren für neue Produkte? Das erstaunt mich. Der Markt ist doch ziemlich voll von Produkten.
Warum nicht? Nur weil es 80.000 Fonds in Europa gibt, heißt das noch lange nicht, dass der Fondsmarkt auch vielfältig ist. Da ist jede Menge Me-too-Kram dabei, den kein Mensch braucht. Faktisch schielen die meisten Fondshäuser auf den erfolgreichen Nachbar und versuchen die Strategie zu kopieren, und, um das auch ganz glaubhaft zu machen, werben sie gleich auch den Fondsmanager der Strategie ab. Sie lachen? Aber so passiert es doch immer wieder. Das Extrembeispiel finden wir bei einer zunächst sehr erfolgreichen Multi-Asset-Strategie aus Großbritannien; das Fondshaus hat so viel Geld eingesammelt, dass mehrere Konkurrenten Me-too-Produkte aufgelegt haben. Zunächst hatten die auch Erfolg, aber per heute sind die Ergebnisse doch mäßig. Für die Anleger, wohlgemerkt.
Sind Mischfonds immer noch Selbstläufer oder sehen Sie da nun einen gewissen Sättigungsgrad?
Ich sehe da tatsächlich einen Sättigungsgrad, oder, um es anders zu formulieren, eine Desillusionierung der Anleger. Oft haben Anleger auf Anraten der Berater immer wieder auf die Top-Performer der Vergangenheit gesetzt, und die haben dann oft enttäuscht. Dieses prozyklische Verhalten vernichtet viel Rendite. In diesem Jahr ist die Nachfrage nach Mischfonds geringer, was an der verhaltenen Nachfrage nach vielen ehemaligen Blockbustern liegt. Ob das aber Ausdruck einer nachhaltig kritischeren Haltung gegenüber Mischfonds ist, wird man erst im Nachhinein beurteilen können.
Wenn Sie als intimer Kenner der Branche selbst einen Fonds auflegen müssten, was wäre der Ansatz?
Günstig wäre er, und breit diversifiziert. Ich persönlich habe sehr viel Sympathie mit dem Arero Weltfonds, einem Fonds, der nach einer von Prof. Weber an der Universität Mannheim entwickelten Heuristik gemanagt wird. Der Fonds ist nie ganz vorn dabei, aber weil er günstig ist, breit streut und streng systematisch vorgeht, liefert er à la longue eine solide Rendite. Übrigens kommt der Fonds ganz ohne Marketing aus und hat trotzdem bald eine Milliarden Euro angesammelt. Das zeigt, dass gute Lösungen für Anleger ultimativ auch dem Emittenten zugutekommen.
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