Ein Interview zur Frage, wie sich die Coronakrise auf die Fondsindustrie auswirkt und welche Bereiche des Investmentmarktes zu kämpfen hatten. Die Dokumentation des Gesprächs wurde das am 30. April auf fundplat.com veröffentlicht . Die Fragen stellte Thomas Caduff, CEO der Fundplat GmbH, eine B2B Event- und Media-Plattform mit Präsenz in Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz. Für die Genehmigung der Widergabe des Interviews ein herzliches Dankeschön!
Herr Masarwah, das waren wohl auch sehr aufregende Zeiten für Sie. Wie kamen Sie über die Runden?
Eigentlich sehr gut. Als Zahlenmensch braucht man ja im Lockdown nur einen Internetanschluss, den Zugang zum Firmennetzwerk samt Datenbank und ein Telefon. War alles vorhanden, da lässt sich das Homeoffice in Zeiten der Coronakrise gut aushalten. Zu tun gab es in diesem Jahr wirklich genug, das war schon eine besondere Zeit und hat mich an die Finanzkrise erinnert, oder an das Platzen der Dot-com-Blase. In volatilen Märkten ist das Informationsbedürfnis der Anleger und der Medien besonders groß. Themen gab es sehr viele, und die stark gestiegenen Zugriffszahlen auf unsere Website haben gezeigt, dass wir da einen Nerv getroffen haben. Kurzum: unterbeschäftigt war ich nicht in den vergangenen Wochen!
Auf den Punkt gebracht: was hat Sie bei den Fondsgesellschaften am meisten überrascht?
Es gab viele bemerkenswerte Ereignisse, etwa die regelrechte Implosion der Fondspalette von H2O, der Londoner Natixis-Tochter, der Knock-out einiger Öl-ETCs, die gigantischen Abflüsse aus Fonds im März. Der europäischen Fondsindustrie sind im März 16 Prozent ihrer Assets durch Abflüsse und Kursverluste an den Märkten verloren gegangen. Ich benutze das Wort „historisch“ ungern, aber das war schon eine außerordentliche Zeit. Das gilt übrigens auch für die nachfolgende Erholung. Wenn ich mich aber für ein Thema in der Krise entscheiden müsste, dann würde ich den Schock der Bond-Korrektur hervorheben. In vielen Standard-Rentenfonds waren Risiko-Assets bemerkenswert stark vertreten wie auch in defensiven und ausgewogenen Mischfonds. Das gab sehr hohe Verluste, die viele Anleger wohl nicht auf dem Schirm hatten. Das hatte einen Run der Anleger auf viele Fonds zur Folge, und entsprechend haben etliche Fondsanbieter vermeintlich sicherer Produkte hohe Mittelabflüsse zu verkraften. War das aber ein nachhaltiger Schock? Das ist vermutlich zu früh zu sagen, aber da inzwischen schon große Teile der Verluste aufgeholt wurden, setze ich da ein Fragezeichen hinter.
Gibt es klare Gewinner oder leiden alle?
Ich würde sagen, dass es im März eigentlich fast nur Verlierer gab. Ob es Fonds für Aktien, Anleihen, einschließlich Langläufer-Fonds, oder Gold-ETFs oder ETCs waren: Alles ist im März auf Tauchstation gegangen. Besonders dramatisch ist meines Erachtens, dass viele systematische Investmentstrategien prozyklisch aus dem Markt gegangen sind, als die Verluste am höchsten waren. Das betrifft in Deutschland fondsbasierte Riester-Renten, aber auch einige Robo-Advisor. Das Wealth Management einiger Banken hat sich auch nicht mit Ruhm bekleckert, da wurde am Tief viel in Bonds umgeschichtet. Unsere ersten Zahlen zum Fondsabsatz im April deuten an, dass nur ein kleiner Teil des Geldes, das aus Fonds im März abgeflossen ist, wieder investiert wurde.
Werden sich einige Fondshäuser nicht mehr erholen oder gar aus dem Markt gedrängt?
Hätten Sie mich vor einem Monat gefragt, hätte ich das bestimmt bejaht und darauf getippt, dass es für einige eng werden wird. Aber Performance-seitig ist im April viel wettgemacht worden, sodass ich nicht so sicher bin. Spannend wird es, wenn die Märkte wieder einen Nasenstüber bekommen sollten und eine zweite Fluchtwelle aus Fonds einsetzt. Momentan sieht es so aus, als ob die Notenbanken und die Fiskalpolitik in den USA und Europa das Schlimmste verhindert haben; momentan spielt der Markt ein sehr optimistisches Szenario, dass nämlich die Interventionen die Zeit nahtlos überbrücken, bis die Unternehmen wieder im Zuge des Herauffahrens der Wirtschaft ihre Geschäftsaktivitäten auf nahe 100 Prozent gesteigert haben. Hoffen wir, dass es so kommt - dann könnten die wenigen Anleger, die wieder eingestiegen sind und die, die ausgehalten haben, die Krise abhaken. Das ist zwar nicht ausgemachte Sache, aber ich halte das schon für plausibel.
Sie halten die Aussichten für nicht so schlecht?
Unsere Aktienanalysten haben auf dem Tiefpunkt der Märkte sehr dezidiert darauf hingewiesen, dass viele Unternehmen dramatisch unterbewertet sind und sie verweisen auch heute auf Unternehmen mit Wettbewerbsvorteilen, ausgedrückt in unseren „Moat Ratings“, die günstig bewertet sind. Es wäre wünschenswert, wenn Anleger sich vom Quartalsdenken lösen und eine langfristige Haltung einnehmen.
Das ewige Thema - aktiv oder passiv. Konnten aktive Manager ihre Trümpfe ausspielen und wie sieht es perspektivisch aus?
Wir weisen immer wieder darauf hin, dass aktive Manager im Durchschnitt sowohl in Aufwärts- wie in Abwärtsmärkten hinter dem Markt liegen werden. Das ist das Gesetz der großen Zahl. Fonds erwirtschaften in toto die Performance des Marktes, abzüglich Kosten. Da die bei aktiv verwalteten Fonds deutlich höher sind als bei Indexfonds, sind Letztere im Vorteil. Ich halte daher die einzelnen spektakulären Erfolgstories während der Turbulenzen für wenig beeindruckend: Im Abwärtstrend bis Ende März haben einige Fonds profitiert, aber das sind zumeist die Fondsmanager, die in der jetzigen Erholungsphase hinten liegen. Natürlich hilft es, wenn ein Fondsmanager in der Lage ist, auf dem Höhepunkt der Krise zu reüssieren, aber was bringt das dem Anleger, wenn er in den Jahren davor kaum performt hat und auch jetzt wieder hinten liegt? Beeindruckend finde ich die Manager, die unter dem marktbreiten Rückgang gelitten haben, bei der Stange geblieben sind, und jetzt viel aufgeholt haben. Im Zweifel sind passive Fonds durch den schnellen Rebound, den viele Manager vermutlich nicht vollumfänglich mitgenommen haben, derzeit noch stärker im Vorteil, als das in normalen Marktphasen sonst der Fall ist.
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