War die Tesla-Aktie bei einem Kurs von 760 Dollar zu hoch bewertet, wie Tesla-CEO Elon Musk Anfang Mai in einem Tweet behauptete? Oder war sie bei einem Kurs von 1.770 Dollar Mitte zum Börsenstart am 13. Juli fair bewertet? Oder gar zum Handelsschluss des gestrigen Handelstages bei 1.500 Dollar unterbewertet?
Die Kapriolen der Tesla-Aktie spiegeln im Kleinen wider, was Investoren insgesamt seit Wochen umtreibt. Seit dem Ende des ersten Quartals sind die Preise von Risiko-Assets rasant gestiegen. Tal- und Bergfahrt erfolgten in diesem Jahr wie im Zeitraffer, daher sind Investoren heute mit einer Tesla-förmigen Frage konfrontiert: Reflektieren die aktuellen Aktienkurse die Unternehmensaussichten, oder befinden sich die Märkte in einer Übertreibungsphase?
Unabhängig von den individuellen Entscheidungen auf Ebene einzelner Aktien gilt im Extrem-Jahr 2020 das Motto: „Kurse laufen lassen“. Was langfristig überwiegend sehr gut funktioniert, funktionierte erstaunlicherweise auch kurzfristig. Das zeigt, wie kurz die Marktzyklen inzwischen geworden sind. Die Märkte wurden im Februar von einer veritablen Baisse erwischt, die dann umstandslos zu einer Hausse mutierte. Investoren, die „bei der Stange blieben“ und nichts taten, waren gut bedient.
Das bringt uns zur Frage, wie sich die Favoriten unserer Leser im ersten Halbjahr entwickelt haben. Bevor wir zur Beantwortung unserer Standardfrage kommen, die sich bei unserer quartalsregelmäßigen Umschau über die am häufigsten gesuchten Fonds auf morningstar.de stellt, müssen wir einen Schritt zurücktreten.
Es gibt nicht mehr „die Favoriten“: In der Vergangenheit war unser Ranking recht statisch, 1-2 neue Favoriten kamen typischerweise zu den Top-10-Fonds hinzu, 1-2 Favoriten des Vorquartals wurden seltener gesucht und fielen aus dem Ranking heraus. Das hat sich in diesem Jahr geändert: Im zweiten Quartal waren 4 von 10 Fondsfavoriten des Vorquartals nicht vertreten. Die Corona-Krise hat also frischen Wind in das Ranking der am häufigsten aufgesuchten Fondsportraits auf morningstar.de gebracht.
Jedes Quartal schauen wir nach, welche aktiv verwalteten Investmentfonds die User unserer Website am häufigsten gesucht haben. Die untere Fonds-Liste ist in absteigender Reihenfolge nach den Fonds mit den meisten "Klicks" zwischen April und Juni auf morningstar.de sortiert. Die Portraits dieser Fonds wurden am häufigsten von Anlegern und Beratern analysiert.
Sie finden neben den Fondsdaten (ISIN, Kosten, Fondskategorie) auch das quantitative Sterne-Rating, das qualitative Morningstar Analyst Rating sowie einige Performance-Daten, unter anderem das Perzentil-Ranking, das zeigt, wie sich die Fonds gegenüber Produkten in der identischen Kategorie im abgelaufenen Jahr geschlagen haben. Bei der Erstnennung der Fonds im Text haben wir die Namen der Produkte mit einem Hyperlink versehen, der Sie auf das Portrait des Fonds auf unserer Website führt.
Tabelle: Die Fondsfavoriten auf morningstar.de
FvS SICAV Multiple Opportunities
Fangen wir mit dem beliebtesten Fonds auf morningstar.de an. Der FvS SICAV Multiple Opportunities liegt erneut unverändert auf Rang eins der beliebtesten aktiv verwalteten Fonds auf morningstar.de. Er zeigt wie kein anderer den Zwiespalt von vielen Aktien-orientierten Mischfonds in diesem Jahr, die zwar prinzipiell das Risiko suchen, aber fundamentale Analysen in den Mittelpunkt stellen und eine flexible Haltung mit Blick auf die Asset Allocation einnehmen – gerade, wenn es darum geht, Risiken für Investoren zu reduzieren.
Diese Flexibilität bewahrte den FvS-Fonds vor einem Einbruch im ersten Quartal, da Fondsmanager Bert Flossbach das Aktienrisiko teilweise abgesichert hatte – wieder einmal hatte Flossbach alles richtig gemacht; der Fondsmanager konnte den Verlust des Fonds zwischen Januar und März auf unter 8 Prozent begrenzen.
Anders im zweiten Quartal. Zwar löste Flossbach die Absicherungen teilweise auf. Aber eben nur teilweise. Und wer nicht ganz auf Risiko umschaltete, war im Nachteil. Der FvS Multiple Opportunities legte zwischen April und Juni nur um 5,6 Prozent zu, was den Fonds zum schwächeren Drittel der flexibel investierenden Mischfonds relegierte. Für das laufende Jahr reichte indes das moderate Minus von 2,7 Prozent für eine Platzierung im besten Viertel der Fonds-Kategorie.
Auch der von Thomas Schüssler verantwortete DWS Top Dividende sah sich mit einem gespalteten Halbjahr konfrontiert. Im ersten Quartal konnte er die Verluste begrenzen und sich gegenüber vielen Konkurrenten behaupten. Doch im zweiten Quartal bremste die defensive Ausrichtung des Fonds die Aufwärtsbewegung deutlich aus. Mit dem mageren Plus von knapp 4,5 Prozent zählte der DWS Top Dividende zu den schwächsten 2 Prozent der global anlegenden Dividendenfonds zwischen April und Juni.
Das lag unter anderem an der Untergewichtung von Technologie-Aktien und der Übergewichtung defensiver Werte, vor allem aus dem Pharma-Sektor, der im zweiten Quartal viel an Momentum einbüßte. Auch die 10-prozentige Cash-Position erwies sich als Bremsklotz. Im laufenden Jahr per 30. Juni landete der Fonds mit einem Minus von knapp 13 Prozent im 55. Perzentil vergleichbarer Fonds.
Ganz anders das Bild beim Acatis Gané Value Event Fonds. Der ausgewogene Mischfonds brach im ersten Quartal mit einem Minus von knapp 16 Prozent für einen Aktien-Renten-Fonds deutlich ein. Der von Henrik Muhle und Uwe Rathausky verantwortete Fonds blieb jedoch bei seiner Linie. Auch per Ende Juni lag die Aktienquote bei knapp 70 Prozent, und die Tatsache, dass US-Technologiewerte prominent vertreten sind, konnte die knapp 20-prozentige Cash-Quote im Acatis-Fonds locker ausgleichen.
Natürlich stimmen viele Investoren ein hohes Lobeslied auf den Acatis-Fonds an - zu Recht. Allerdings sollten sie auch berücksichtigen, dass es im zweiten Quartal auch hätte anders kommen können. Die erhöhten Risiko-Werte des Fonds hätten bei einem zweiten miesen Quartal in Folge den Mischfonds vermutlich zu einem anderen Ergebnis geführt. Andere Fondsmanager, insbesondere die von Mischfonds, waren vorsichtiger, und wer wollte ihnen einen Vorwurf daraus stricken?
Kommen wir nun zu Fonds, die neu in das Quartals-Ranking hinzugekommen sind.
Der BB Adamant Asia Pacific Healthcare
Der BB Adamant Asia Pacific Healthcare spiegelt das wachsende Interesse von Investoren an Gesundheits-Aktien in Zeiten des Coronavirus wider. Der erst Ende April 2017 lancierte Fonds wird von Oliver Kubli, Leiter Portfoliomanagement Healthcare bei der Schweizer Bellevue, verantwortet. Mit einer Performance von über 27 Prozent im zweiten Quartal konnte der auf asiatische Pharma-Aktien spezialisierte Fonds auch für diese Branchen-Fonds eine gute Performance erzielen.
Das Anlageuniversum wird eher breit gefasst. Dazu zählen die Bereiche Generika, Medizintechnik, Biotechnologie, Pharma und Gesundheitsdienstleistungen. Die Nebenwerte-Quote ist mit rund 40 Prozent hoch; das Gros der Fondsgelder ist in China (41 Prozent) und auch in Japan (30 Prozent) investiert. Apropos Fondsgelder: Die waren bis vor kurzem recht gering: Das aktuelle Vermögen von knapp 360 Millionen Euro wurde zu fast einem Drittel durch die Mittelzuflüsse im zweiten Quartal gespeist, die sich auf gut 115 Millionen Euro beliefen.
Prägend für die vergangenen Monate war die gigantische Nachfrage nach Fonds für Pharma-, Technologie- und Wachstums-Aktien allgemein. Anleger vermuten hinter diesen Sektoren bzw. dem Growth-Stil die Gewinner der Corona-Zeit. Auch das will man ihnen nicht verdenken.
Morgan Stanley INVF Global Opportunity
Auch der Morgan Stanley INVF Global Opportunity zählt als Wachstumsfonds zur Fonds-Gruppe, die in diesem Jahr besonders viel Aufmerksamkeit erfährt. Natürlich war auch hier die Performance der wichtigste Grund für die erhöhte Aufmerksamkeit der Leser von morningstar.de. Der Fonds legte im abgelaufenen Quartal gut 27 Prozent zu; im laufenden Jahr belief sich das Plus auf gut 15 Prozent. Damit zählt er zu den besten Fonds der Kategorie der weltweit investierenden Wachstumsfonds.
Fondsmanager Kristian Heugh setzt klassische Growth-Kennzahlen ein bei der Aktienauswahl. Er hat Unternehmen im Blick, die das Potenzial haben, in starkem Maße freien Cashflow zu generieren, und die zum Zeitpunkt des Kaufs als unterbewertet gelten. Heugh beruft sich in der Definition, was ein gutes Unternehmen auszeichne, auf Warren Buffett, der schon sehr früh das Thema „Moats“, also nachhaltige Wettbewerbsvorteile, entdeckt hat. Neben anderen klassischen Wachstums-Kennzahlen sucht Heugh nach Merkmalen von disruptiver Veränderung. Der Fonds zählt bereits seit fünf Jahren zu den besten global anlegenden Wachstumsfonds. Titel wie Amazon, Mastercard oder Facebook sind schon seit Jahren die favorisierten Aktien.
Sein Erfolg hat dem Fonds nicht nur viel Aufmerksamkeit, sondern auch hohe Mittelzuflüsse beschert. Inzwischen zählt er mit einem Vermögen von 11,3 Milliarden Euro zu den Schwergewichten seiner Kategorie. Allein in diesem Jahr sammelte der Fonds gut 1,1 Milliarden Euro an Neugeldern ein. Die Größe spiegelt sich auch in der Portfolio-Struktur wider: knapp 90 Prozent des Portfolios wird mit Standardwerten bestückt, wobei die USA mit gut 60 Prozent am höchsten gewichtet sind. Hoch gewichtet sind allerdings auch chinesische Unternehmen und andere asiatische Schwellenländer, die knapp 20 Prozent des Fondsvermögens auf sich vereinen.
Komplettiert wird unsere Liste mit einem weiteren Newcomer, an dem sich die Geister scheiden. Der Dirk Müller Premium Aktien ist der Idee nach ein weltweit investierender Fonds für Wachstumsaktien. Er hält der Idee nach auch jede Menge Wachstums-Aktien, verhält sich indes nicht wie ein Aktienfonds. Es ist müßig, auf das Portfolio zu schauen, in dem sich Apple, Microsoft, Amazon und Alphabet sowie zahlreiche andere Growth-Aktien tummeln. Er ist nach Angaben des Initiators des Fonds seit Februar 2020 vollumfänglich abgesichert. Doch Absicherung bringt hohe Kosten in diesen Zeiten, in denen die Volatilität hoch ist. Mit einem Minus von gut 7 Prozent zählt der Dirk Müller Premium Aktien zu den schlechtesten Fonds seiner Kategorie in diesem Jahr.
Auch in den vergangenen fünf Jahren befindet sich der Fonds im 1 Prozent der schwächsten global anlegenden Wachstumsaktienfonds. In einer sehr guten Aktienphase trat der Fonds mit minus 0,01 Prozent pro Jahr seit Mitte 2015 auf der Stelle. 2020 war also keinesfalls ein Ausrutscher. Der Fonds wird offenbar häufig gegen erwartete Verluste abgesichert.
Das wirft die Frage auf, warum Investoren, die an der Entwicklung der Aktienmärkte partizipieren wollen, auf einen Fonds setzen sollten, der offenbar auch langfristig nicht die Chancen am Aktienmarkt wahrnimmt. Doch in gewisser Weise agiert das Fondsmanagement konsequent: Dirk Müller, ein ehemaliger Börsenhändler, erwartet seit Jahren regelmäßig lautstark und – leider – öffentlichkeitswirksam einen „großen Crash“. Er ist damit den Crash-Propheten zuzuordnen und nicht der Gilde der Portfolio-Manager.
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