Das Morningstar Sterne Rating für Fonds ist in aller Munde. Die Kennzahl drückt die risiko-adjustierte Rendite eines Fonds im Verhältnis zu vergleichbaren Produkten aus, egal, ob es aktive Fonds oder Indexfonds sind. Weniger bekannt, doch zunehmend beliebt ist das Morningstar Sterne Rating für Aktien. Dieses Bewertungsmaß unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von unserem Fonds-Rating – es ist das Ergebnis einer qualitativen Analyse von Unternehmen. Es basiert auf einer Discounted Cashflow Analyse und hat das Ziel Aktien zu identifizieren, die mit einem Abschlag / Aufschlag auf ihren intrinsischen Wert an der Börse gehandelt werden.
Zwei wesentliche Bestandteile unserer Aktien-Analyse sind zwei Ratings: Das Moat Rating und das Fair Value Uncertainty Rating. Anhand eines konkreten Beispiels wollen wir diese beiden Ratings unseren Lesern näherbringen. Dafür haben wir alle rund 1.800 Aktien gescreent, die unsere Aktien-Analysten qualitativ bewerten. Ermittelt haben wir die vermeintlich schlimmsten Aktien, für die sich ein Anleger entscheiden kann: Unternehmen mit einem 1-Sterne-Rating, die ein No Moat Rating aufweisen und das schlechteste Fair Value Uncertainty Rating haben. Im konkreten Fall waren das Uncertainty Ratings „Sehr hoch“ – das Rating „Extrem hoch“ gab es nicht. Im Netz sind folgende elf Unternehmen hängen geblieben:
Tabelle: Die Aktien mit No-Moat Ratings und Uncertainty Ratings von „Sehr hoch“
Dass die obere Tabelle einige bekannte und hoch geschätzte Unternehmen enthält, dürfte einige Leser überraschen. Vertreten sind Unternehmen wie Zoom, Spotify, Snap und BioNTech. Diese vier Unternehmen haben schließlich in diesem Jahr die Lichter ausgeschossen, und wer sie im Depot hatte, konnte sich sehr glücklich schätzen. Der Video-Konferenz-Anbieter Zoom war der Star der Covid19-Krise. Der Kurs der Aktie stieg in diesem Jahr (auf Euro-Basis) um gut 460 Prozent.
BioNTech widerum ist der Anbieter des derzeit aussichtsreichsten Impfserums gegen das Covid19. Die ADRs des Mainzer Unternehmens legten an der Nasdaq in diesem Jahr per Stand gestern um 250 Prozent zu. Geringere, aber keinesfalls kümmerliche Renditen waren auch mit Snap (183 Prozent seit Jahresanfang) und Spotify (plus 106 Prozent) drin. Alle diese Aktien haben, wie erwähnt, 1-Sterne-Ratings.
Wie kann das sein, angesichts der extrem guten Performance? (Tesla ist nur deshalb nicht in der Grusel-Liste vertreten, weil es ein Narrow-Moat Rating hat).
Genau da liegt der Hase im Pfeffer. Unser Sterne-Rating für Aktien gibt Auskunft über die künftige Attraktivität einer Aktie; wie diese in der Vergangenheit performt hat, ist hier nur insofern relevant, als der Kurs einer Aktie bei unseren Ratings ins Verhältnis zum intrinsischen Wert des Unternehmens gesetzt wird. Zur Erinnerung: Ein 1-Sterne Rating deutet darauf hin, dass wir glauben, dass eine Aktie mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit über einen mehrjährigen Horizont eine unattraktive risikobereinigte Rendite erzielen wird.
Dass die in der Tabelle vertretenen Unternehmen keine „Moats“ und sehr hohe Unsicherheits-Ratings haben, spielt eine entscheidende Rolle für das Zustandekommen des Sterne-Ratings. Doch eines bedeuten diese Ratings sicher nicht: Dass es sich hier um „schlechte“ Unternehmen handelt, im Sinne von nicht tragfähigen Geschäftsmodellen. Das wollen wir anhand unserer Einschätzung zu BioNTech aufzeigen.
Warum sich BioNTech positiv abhebt
Als aufstrebendes Biotechnologie-Unternehmen ohne kommerzialisierte Medikamente besitzt BioNTech unserer Meinung nach keine nachhaltigen Wettbewerbsvorteile, begründet unser Analyst Damien Conover das No Moat Rating. Zwar hat BioNTech ein starkes Portfolio an immateriellen Vermögenswerten in seiner Pipeline, aber diese befinden sich in einem frühen Entwicklungsstadium. Daher, so Damien, ist die Zulassung höchst ungewiss.
Insgesamt glauben wir, dass das Unternehmen mehrere vielversprechende Kandidaten hat, die eines Tages einen Moat unterstützen könnten, aber sie sind zu früh im Entwicklungsprozess, um ein Narrow Moat Rating zu rechtfertigen. Gegenwärtig geben wir den klinischen Arzneimittelkandidaten des Unternehmens Zulassungswahrscheinlichkeiten zwischen 20% und 50%, wobei diese Therapien erst 2023 zugelassen werden. (Das gilt nicht für den Covid19-Impfstoff, der bereits in Großbritannien eingesetzt wird).
Uns gefällt, dass BioNTech sich auf Indikationen und Wirkstoffklassen konzentriert, die einen Moat rechtfertigen, aber wir müssten erst die behördliche Zulassung sehen, bevor wir ein positives Moat Rating in Betracht ziehen. Allerdings deutet der positive Moat-Trend darauf hin, dass dies bei einem künftigen Update durchaus anstehen könnte. Damit hebt sich BioNTech von den anderen Unternehmen unserer Tabelle ab, welche die Moat Trends „Stable“ oder sogar „Negative“ aufweisen.
Einstiegskurse sind Lichtjahre von den heutigen Niveaus entfernt
Das Beispiel unserer BioNTech-Einschätzung zeigt, dass Unternehmen mit einem 1-Sterne Rating keine schlechten Unternehmen sein müssen. Oft ist sogar das Gegenteil der Fall. Weil sie gute Eigenschaften haben, wurden die Aktien „hochgekauft“. Die aktuellen Bewertungen deuten darauf hin, dass die Kurse inzwischen Höhen erreicht haben, die ein Engagement auf dem aktuellen Niveau nicht nahelegen.
Und was wären Kursniveaus für die oben erwähnten Aktien, die einen Einstieg attraktiv erscheinen lassen würden? Nun, ceteris paribus müssten die Aktien von Zoom von derzeit 412 USD auf einen Kurs von 88 USD fallen. Bei 78 USD wäre bei Spotify ein attraktiver Einstiegspunkt erreicht (letzter Schlusskurs: 332,86 USD), Snap - letzter Schlusskurs: 50 USD - wäre bei 10,50 USD ein Kauf wert, und für BioNTec ADRs (Nasdaq-Schlusskurs: 128,11) taxieren unsere Analysten 32,5 USD als attraktiven Einstiegskurs.
Dass die Einstiegskurse meilenweit bzw. Lichtjahre von den heutigen Niveaus entfernt sind, zeigt, worum es beim Investieren geht: um die Zukunft. Die Börsenstars von heute sind oft derart ambitioniert bewertet, dass kaum realistische Chancen bestehen, dass die Vergangenheits-Renditen noch einmal erzielt werden können. Das mag man bedauern, aber man sollte eben nicht dann investieren, wenn die Hype um ein Unternehmen am größten ist. Und außerdem: Es gibt da draußen noch unendlich viele Unternehmen, deren Stories noch nicht entdeckt wurden oder die attraktiv bewertet sind: Dort winken attraktivere Renditen.
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