Die bunte ETF-Welt jenseits des MSCI World

Eine Untersuchung der ETF-Favoriten der User von morningstar.de zeigt, dass Anleger längst nicht mehr auf die großen Indizes schauen, sondern mit der Zeit gehen. Das ist zu begrüßen, wobei nicht alle Produkte, die im Fokus unserer Leser sind, uneingeschränkt empfehlenswert sind.  

Ali Masarwah 22.01.2021
Facebook Twitter LinkedIn

Eine Auswahl an Schachfiguren mit Währungssymbolen

ETFs sind im Trend, und immer mehr Anleger in Deutschland setzen die günstigen börsengehandelten Indexfonds ein, ja, es hat den Anschein, dass die Selbstentscheider in erster Linie auf ETFs schauen und aktiv verwaltete Fonds abgeschrieben haben. Das ist bedauernswert, verwundert aber nicht, da es hierzulande für Anleger, die das Heft des Handelns in die eigene Hand nehmen, kaum günstige aktiv verwaltete Fonds gibt. Auch dort, wo man nur Fonds kaufen will und keine Beratung braucht, muss man Vertriebsgebühren berappen. Doch wer will für eine nicht-erbrachte Leistung Geld bezahlen, und zwar jedes Jahr aufs Neue? Diese Gebühren, Kickbacks im Jargon genannt, machen bei aktiv verwalteten Aktienfonds gut und gerne 0,5 bis 1,0 Prozent des verwalteten Vermögens aus. ETFs, die zudem oft eine bessere Bilanz aufweisen als vergleichbare aktiv verwaltete Fonds, weisen oft nur ein Zehntel der Gebühren aktiver Fonds auf. 

Doch welche ETFs ziehen Anleger an, welche nehmen sie in Augenschein, welche ETFs kaufen sie? Nimmt man die Favoriten der User von morningstar.de als Proxy für das Anlageverhalten der Masse, dann ist die Welt der ETFs in den vergangenen Jahren sehr viel bunter, heterogener geworden. Noch vor wenigen Jahren setzte sich die Liste der ETFs, die Anleger mit unseren Tools wie Instant X-Ray analysieren, fast ausschließlich aus Klassikern wie Tracker auf den MSCI World oder den FTSE All World Index zusammen. Doch die Zeiten haben sich geändert, wie aus der unteren Liste hervorgeht.  

Zu Beginn jedes Jahres schauen wir nach, welche ETFs die User unserer Website am häufigsten gesucht und analysiert haben. Die untere Liste ist in absteigender Reihenfolge nach den ETFs mit den meisten "Klicks" im Jahr 2020 auf morningstar.de sortiert. Die Portraits dieser Indexfonds wurden am häufigsten von Anlegern analysiert.  

Sie finden neben den Fondsdaten (ISIN, Kosten, Fondskategorie) auch das quantitative Sterne-Rating sowie einige Performance-Daten, unter anderem das Perzentil-Ranking, das zeigt, wie sich die ETFs gegenüber Produkten in der identischen Kategorie – es handelt sich dabei überwiegend um vergleichbare aktiv verwaltete Fonds - im abgelaufenen Jahr geschlagen haben. Bei der Erstnennung haben wir die Namen der ETFs mit einem Hyperlink versehen, der Sie auf das Portrait des Produkts auf unserer Website führt.  

Tabelle: Die am häufigsten aufgesuchten ETFs auf morningstar.de im Jahr 2020Tabelle der am häufigsten im Jahr 2020 angeklickten ETFs auf morningstar.de 

Die Liste der beliebtesten ETFs zeigt einerseits, dass die Klassiker nicht umsonst als Klassiker bezeichnet werden: Der iShares Core MSCI World ETF ist unverändert der beliebteste ETF auf morningstar.de. Es handelt sich um einen so genannten One-Stopp-Shop. Gerade Investoren, die über beschränkte Mittel verfügen, setzen typischerweise auf einen MSCI World Tracker, der die Performance von 1.600 Aktien aus 23 Industrienationen abbildet. Noch breiter ist der Vanguard FTSE All-World UCITS ETF aufgestellt: Der ETF findet sich auf Rang fünf. Er investiert nicht nur in Industrieländer, sondern auch – in Maßen – in Aktien aus den Schwellenländern. Damit ist er noch breiter aufgestellt als der iShares Core MSCI World ETF. 

Auch wenn die Performance der beiden beliebten Welt-Trackern 2020 nahezu identisch (und auch befriedigend) war, so machte die rund zehnprozentige Gewichtung von Schwellenländer in den vergangenen Jahren Anlegern keine Freude: sie underperformten Aktien aus den Industrieländern und – vor allem – Aktien aus den USA. Doch hier sei ein Wort der Warnung angebracht: Wer heute auf den MSCI Welt-Index setzt, landet bei einem Portfolio, das zu 65 Prozent aus US-Aktien besteht. Das ist bedenklich viel und stellt den Diversifikationsnutzen dieses ETFs zunehmend in Frage. Mit einer USA-Quote von 55 Prozent geht es beim Vanguard FTSE All-World ETF ein wenig diversifizierter zu. ETF-Investoren sollten allerdings auch hier kritisch reflektieren, ob nicht eine höhere Gewichtung anderer Welt-Regionen – Europa und Asien – nicht angebracht wäre. 

Auf dem Weg zum Neu Normal: Clean-Energy ETFs 

Die gigantische Hausse von Aktien für alternative Energien manifestiert sich ebenfalls in der oberen Liste. Der Lyxor New Energy ETF bildet die Performance des World Alternative Energy Total Return Index ab, der die weltweit größten 20 Unternehmen des Sektors enthält. Der Index wird von Dow Jones berechnet; die Zusammensetzung wird von SAM (Sustainable Asset Management) vierteljährlich überarbeitet. Um einen zu großen Einfluss von Einzeltiteln zu verhindern, wird das Gewicht auf Einzelaktien-Ebene auf zehn Prozent begrenzt. Die Performance im vierten Quartal belief sich auf hervorragende 21,73 Prozent; im vergangenen Jahr legte der ETF um gut 47 Prozent zu. 

Deutlich spektakulärer ging es beim iShares Global Clean Energy zu, der den Index S&P Global Clean Energy abbildet, der die weltweit größten 30 Unternehmen in diesem Sektor vereint und in dem Nebenwerte stärker vertreten sind. Dieser ETF konnte 2020 um gut 120 Prozent zulegen; im vierten Quartal legte der ETF-Preis um sagenhafte 46 Prozent zu.  Diese Entwicklung ist Anlegern nicht verborgen geblieben: Im vergangenen Jahr flossen dem Lyxor ETF knapp 450 Millionen Euro zu; beim iShares ETF beliefen sich die Zuflüsse sogar auf über 2,6 Milliarden Euro. Ende 2020 brachte der iShares Global Clean Energy 4,4 Milliarden Euro auf die Waage, der Lyxor ETF war immerhin 840 Millionen Euro schwer. 

(Ein Nachtrag zum laufenden Jahr: In den ersten zwei Januar-Wochen gingen dem ETF gut 550 Millionen Euro an Neugeldern zu; bis zum 19. Januar legte der Fonds rund 13 Prozent zu. Etwas bescheidener ging es beim Lyxor ETF zu, der gut 75 Millionen Euro bis zum 15. Januar einsammelte und per 18.1. um gut sechs Prozent zulegte.) 

Hebel-ETFs für den doppelten Nasdaq 

Doch im Vergleich zu Hebel-ETFs, die in Zeiten haussierender Märkte ebenfalls verstärkt ins Visiert von Anlegern kommen, sind Clean-Energy-Produkte fast schon Waisenkinder. Der Lyxor Nasdaq 100 (2x) Leveraged UCITS ETF ist ebenfalls unter den Favoriten unserer Leser vertreten. Es handelt sich um ein Hebelprodukt, das die doppelte Tages-Performance des Nasdaq 100 Index abbildet. Nachdem der ETF im ersten Quartal um gut 21 Prozent einbrach, legte er in der Folgezeit sehr stark zu und stieg 2020 um 74 Prozent. Dieser ETF sollte allerdings mit Vorsicht genossen werden und eignet sich weniger für Privatanleger. 

2020: Auch die Dividenden-Boote steigen mit der Flut 

Ein kleines Zuckerl gab es für die leidgeplagten Anleger in Dividenden-ETFs, von denen drei Produkte in unserem Ranking vertreten sind. Der iShares STOXX Global Select Dividend 100 UCITS ETF (DE)  büßte im abgelaufenen Jahr 8,7 Prozent ein. Er zählte damit zu den 22 Prozent schlechtesten Fonds seiner Kategorie. Noch schlimmer traf es den SPDR S&P Global Dividend Aristocrats ETF;  er musste sage und schreibe Verluste von über 16 Prozent hinnehmen, womit er zu dem schlechtesten Perzentil der globalen Dividendenfonds zählt. Erträglicher waren da die Verluste beim Vanguard FTSE All World High Dividend Yield. Er verlor 2020 9,5 Prozent.  

Die Verluste wundern nicht, da in der Corona-Pandemie viele Unternehmen ihre Dividenden zusammenstrichen, was die Kurse der Dividendenkönige zusätzlich unter Druck setze. Doch es gab ja, wie oben angedeutet, ein Trostpflaster. Im Zuge der Erholung von Value-Aktien in den letzten Monaten des abgelaufenen Jahres konnten alle drei ETFs im vierten Quartal sehr ordentlich zulegen: Mit zweistelligen Zuwächsen könnten die Dividenden-ETFs die schlimmsten Verluste egalisieren. 

Auch bei ETFs gibt es keinen Free Lunch 

Auch der Misch-ETF Xtrackers Portfolio ETF konnte von der Erholung von Value, Emerging Markets und Nebenwerten im vierten Quartal profitieren. Der global investierende ausgewogene Euro-Mischfonds stieg zwischen Oktober und Dezember um neun Prozent und konnte damit das Jahr 2020 mit einem versöhnlichen Plus von 4,2 Prozent beenden, was ihm eine Platzierung unter dem besten Drittel der vergleichbaren Fonds brachte. 

Spiegelbildlich zur Erholung von Value-Aktien im vierten Quartal und der allgemeinen Hausse, geriet der iShares Edge MSCI World Minimum Volatility ETF ins Hintertreffen. Mit einem Mini-Plus von 1,3 Prozent zählte er zu den schwächsten Fonds seiner Kategorie. Er konnte zwar die Verluste im ersten Quartal einigermaßen minimieren, hinkte aber in der Erholungsphase deutlich hinter den breiten Marktindizes hinterher. Auch für Minimum Volatility gilt nun mal das Motto: Es gibt keinen Free Lunch an den Kapitalmärkten. 

Verpassen Sie nichts! Alle Morningstar Analysen können Sie in unseren Research Newslettern gratis mitbekommen. Hier anmelden und immer auf dem Laufenden bleiben! 

Die Analysen in diesem Artikel basieren auf unserem Tool für professionelle Anleger. Weitere Informationen zu Morningstar Direct erhalten Sie hier

 

 

 

 

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich