„Früher dachte ich, die perfekte Reinkarnation wäre, als Präsident oder Papst wiedergeboren zu werden. Oder als Star-Baseball-Hitter. Aber heute würde ich als der Anleihenmarkt wiedergeboren werden: Man kann jeden einschüchtern.“
Dieses Bonmot des inzwischen weitgehend vergessenen Politikberaters auch der Clinton Ära, James Carville, hat einen wahren Kern. Befällt eine Krise den Anleihenmarkt, dann verblassen auch die größten Aktienverluste. Bond-Crash haben oftmals eine systemische Komponente. Der Kern der großen Finanzkrise war eine Schuldenkrise, auch wenn uns immense Aktienverluste nachhaltiger im Gedächtnis geblieben sind. Und als im März 2020, inmitten des Corona-Crashs, der US-Treasury-Markt stockte und Liquiditätsprobleme auftraten, war dies ein viel größeres Alarmzeichen für Profi-Anleger als die Kursverluste bei DAX, S&P 500 und Co.
Auch heute verblassen die Sorgen über die Überbewertung einzelner Aktien wie Tesla oder einzelner Marktsegmente wie Cloud-Computing Unternehmen angesichts steigender Renditen am Anleihenmarkt.
Die Anleihen-Renditen ziehen weltweit an. In den USA sind in weniger als zwei Monaten die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen von 1,0 Prozent auf 1,7 Prozent gestiegen. In Deutschland stieg die Umlaufrendite öffentlicher Anleihen seit Ende Januar von minus 0,57 Prozent auf minus 0,37 Prozent.
Da sich die Renditen in einem inversen Verhältnis zu den Kursen bewegen, haben viele Anleihen-Investoren in den vergangenen Wochen Verluste hinnehmen müssen. Am schlimmsten erwischte es Anleger in der Morningstar Kategorie EUR Langläufer. Deren Fonds haben seit Jahresanfang im Schnitt Verluste von gut 7,3 Prozent hinnehmen müssen. Fonds für EUR-Staatsanleihen verloren im Schnitt knapp zwei Prozent.
Daher blicken wir in einer Mini-Serie auf den Rentenmarkt. Im ersten Teil wägen wir das Für und Wider sicherer Staatsanleihen ab. Im zweiten Teil blicken wir auf die wichtige Funktion von sicheren Anleihen im Portfolio-Kontext. Im letzten Teil stellen wir einige gut bewertete Fonds vor, die für zwei verschiedene Marktszenarien geeignet sind.
Wie ernst ist die Lage am Bond-Markt?
Droht jetzt der Bond-Crash, den einige Auguren seit Jahren in düsteren Prophezeihungen an die Wand mahlen? Wir wissen es natürlich nicht, halten es aber für wenig wahrscheinlich. Investoren müssen allerdings anhand ihrer persönlichen Investment-Situation und Risikoneigung eine Entscheidung treffen; aber bitte anhand einer klaren Faktenlage.
Zunächst ist es wichtig hervorzuheben, dass es völlig normal ist, dass die Renditen sicherer Anleihen in einer wirtschaftlichen Erholung steigen. Investoren gehen angesichts der Perspektive anziehender Wirtschaftsaktivitäten, die mehr Konsum, mehr Investitionen und steigende Unternehmensgewinne erwarten lassen, ins Risiko und kaufen Aktien. Dafür verkaufen sie sichere Staatsanleihen. Heute steht die Weltwirtschaft nach dem Corona-Tief vor einer ordentlichen Erholung.
Diese Konstellation hat in der Regel nur einen temporären Rücksetzer zur Folge, der ausgesessen werden sollte. Zumal die Notenbanken keinerlei Anzeichen zu erkennen geben, ihre extrem lockere Geldpolitik zu straffen. Die US-Fed hat hier das wohl deutlichste Signal vermittelt. Die US-Notenbank geht von einem durchschnittlichen Zielinflationsniveau von zwei Prozent aus. Es wird also nicht so sein, dass die Fed die Geldpolitik strafft, sobald die Teuerung in den USA die Zwei-Prozent-Schwelle erreicht. Sie wird vielmehr ein Überschreiten der Zwei-Prozent-Marke so lange hinnehmen, bis sie der Meinung ist, dass die früheren Niedriginflations-Phasen nunmehr „ausgeglichen“ seien. Bis dahin bleiben die Zinsen in den USA nahe null, und die Notenbank wird weiter Anleihen am Sekundärmarkt in großem Umfang kaufen.
Kurz- und mittelfristig wenig Anzeichen für eine gallopierende Inflation
Nicht anders sieht es in der Eurozone, in Großbritannien und in Japan aus, wo die Bank of Japan seit 2016 sogar explizit Ziel-Renditen (Yield Control) für länger laufende Papiere ausgab.
Und was ist, wenn den Notenbanken die Inflation davonläuft und sie die Kontrolle verlieren? Natürlich weiß man es nicht genau, aber es gibt gute Gründe, die gegen eine nachhaltige Rückkehr der Inflation sprechen. Kurzfristig sind vor allem steigende Energiepreise für die angesprungene Teuerung verantwortlich: Im Frühjahr 2020 war der Ölpreis kollabiert. Jetzt sorgt dieser Basiseffekt für steigende Teuerungsraten.
Doch auch längerfristig spricht wenig für eine Rückkehr der Inflation. Die Gesellschaften in den Industrieländern altern unweigerlich, was für mehr Sparen und weniger Konsum spricht. Der technologische Fortschritt und die Digitalisierung dauern an, was eher disinflationäre Effekte hervorbringen sollte. Zudem dürfte die Fiskalpolitik der heute spendierfreudigen Regierungen kurz- bis mittelfristig weniger expansiv ausfallen, und so erscheint die Gefahr einer galoppierenden Inflation und eines Ausverkaufs am Bond-Markt unwahrscheinlich.
Und was bedeutet das für Anleger?
Anleger die dem plausibel klingenden Szenario einer zeitlich begrenzten Bond-Korrektur anhängen, können sich entspannen. Die Kurse würden sich - wie auch bei den Rendite-Anstiegen 2013 und 2016 – zügig wieder stabilisieren. Und wenn pessimistische Investoren jetzt einwenden, dass wir in den vergangenen 40 Jahren keinen Renten-Crash erlebt haben und insofern nicht wissen, wie ein Bond-Crash aussieht, denen sei gesagt, dass auch in der US-Bond-Krise 1977 bis 1980 in keinem Jahr der Kurs der richtungsweisenden zehnjährigen US-Anleihen um mehr als drei Prozent (1980) nachgegeben haben.
Eine nüchterne Rechnung müssen Anleger allerdings jetzt aufmachen: Sie müssen sich mit dem Gedanken anfreunden, dass die Renditen auf niedrigem Niveau verharren werden. Das Rendite-Niveau einer Anleihe gibt bei Neu-Investments Klarheit über die zu erwartenden Erträge. Aktuell werden Anleihen mit Null- oder sogar Minuszinsen ausgegeben. Und nicht nur die Karnevalisten unter uns wissen, dass dreimal (oder zehnmal) null…nun ja: null bleibt.
Direktanleger sind von Durationsrisiken immunisiert
Bestandsinvestoren, die ein Direkt-Investment in Anleihen getätigt haben, sind auf der sicheren Seite. Sie haben sich zu Beginn ihres Investments das Rendite-Niveau gesichert, das sie für hinreichend attraktiv hielten. Buy-and-Hold-Anleger sind insofern gegen Durationsrisiken immunisiert. Sie vereinnahmen jedes Jahr ihre Kupons und bekommen am Ende der Laufzeit die 100 Euro zurück. Direktanleger könnten sich bei Neuinvestments auf längere Laufzeiten stürzen, die höhere Kupons bieten – die 100-jährige Anleihe aus Österreich ließe sich ja unter Umständen auch vererben?
Bestands-Investoren in Fonds oder ETFs sind dagegen gegen Kursverluste nicht immun, weil sie zumeist in Vehikeln mit mehr oder weniger fixen Restlaufzeiten angelegt haben. Kursverluste können Fonds-Anleger mitunter schwer zu schaffen machen. Auch wenn kein Crash drohen mag, so könnten sie eine ganze Weile an Kursverlusten zu knappsen haben. Ein indirektes Bond-Investment über Fonds kann also Nachteile gegenüber einer Direktanlage haben.
Sowohl Direktanleger in Anleihen als auch Bond-Anleger über Fonds oder ETFs können sich allerdings auch bei Inflationsschutzpapieren umsehen. Es gibt Anleihen, deren Zinszahlungen an die allgemeine Preisentwicklung gekoppelt sind. Wer sich also mit dem heutigen Inflationsniveau unwohl fühlt bzw. keinen Rückgang der Preise erwartet, kann sein Bond-Investment so absichern.
In der nächsten Folge gehen wir auf die Frage ein, warum es, ungeachtet niedriger Performance-Chancen, wichtig ist, weiterhin auf klassische Anleihen in einem Wertpapierportfolio zu setzen.
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