Wenn es um Altersvorsorge geht, bieten die meisten Unternehmen zu viele Fonds an, schreibt mein Kollege John Rekenthaler. 15 bis 20 Auswahlmöglichkeiten schüchtern manche ein und halten sie davon ab, einen Sparplan zu starten, und verleiten andere dazu, die trendigsten und volatilsten Performer auszusuchen.
Weil Richard Thaler den Menschen half, besser für das Alter vorzusorgen, gewann er den Nobelpreis. Er schrieb, es gäbe schon vor der Fondsauswahl zu viele Optionen. Angestellte wurden zunächst gefragt, ob sie einen Sparplan eröffnen wollen oder nicht, und dann, welchen Betrag sie einzahlen wollen. Einfache Fragen, ohne Zweifel, aber Fragen, die etwa 20% der Mitarbeiter davon abhielten, einen Sparplan zu beginnen. Warum sie also überhaupt fragen? Warum Barrieren errichten? Einfach neue Mitarbeiter in einen Pensionsplan mit ausgewählten Fonds und einer fixen Rate stecken und fertig. Wenn diese Investoren Änderungen vornehmen möchten, können sie das tun. Die meisten tun es nicht.
Kann dieses Prinzip auf Investitionen nach Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren, also auf ESG-Investments übertragen werden, die auch verantwortliche oder nachhaltige Investments genannt werden? Warum nicht standardmäßig ESG-Investments durchführen?
In der Theorie könnte es funktionieren. Die meisten jungen Menschen, die heute auf den Arbeitsmarkt kommen, werden erst in Jahrzehnten in Rente gehen. In dieser Zeit werden die Auswirkungen des Klimawandels, die weitverbreitete Boden- und Meeresverschmutzung sowie die Folgen des menschlichen Handelns für die Umwelt sicher noch gravierender und offensichtlicher und werden umgekehrt alle Facetten des Lebens betreffen – Investments auf jeden Fall.
Aber ganz so einfach wie eine Standardeinstellung geht es nicht. Samantha Lamas, Behavioural Researcher bei Morningstar erklärt: “Angesichts des aktuellen Umfelds für ESG-Investments könnte die Idee schwer umzusetzen sein. Im Moment sind nicht so viele ESG-Angebote für Investoren verfügbar. Und in Pensionsplänen dürften solche Optionen noch schwerer zu finden sein. Und wo wir schon dabei sind: Investoren müssen auch die uneinheitlichen Bezeichnungen, Ratings und Definitionen für ESG-Investments berücksichtigen.“
Ian Tam, Director Investment Research bei Morningstar Kanada, weist darauf hin, dass es keinen einheitlichen ESG-Investmentstil gibt: „Nachhaltig investieren kann auf verschiedene Weise geschehen, eine davon ist durch eine ESG-Brille. Nach der Klassifizierung von Morningstar verwenden ESG-Fonds üblicherweise Techniken, um die Höhe des mit Umwelt-, Sozial- und Governance-Fragen verbundenen Risikos in ihren Portfolios zu managen, die alle Arten von Unternehmen umfassen können. Andere Fonds schließen bestimmte kontroverse Branchen (wie etwa Tabak und Energie) grundsätzlich aus oder investieren in einen Umweltsektor wie saubere Energie. Impact-Fonds wiederum widmen sich einem Anliegen in einem speziellen Bereich wie etwa Reduzierung von CO2-Emissionen, städtisches Wohnen, Gender oder Diversität mit dem Ziel, diese Bereiche messbar zu verbessern und gleichzeitig Gewinne für ihre Investoren zu erzielen“, erklärt er.
Anstatt also den Weg zum nachhaltigen Investieren in Trippelschritten zu beginnen, schlägt Lamas vor, eine Checkliste zu erstellen, die hilft, sofort mit dem Investieren zu beginnen und dabei ESG immer im Hinterkopf zu haben.
Eine Checkliste erstellen
Fangen Sie damit an, alle Werte aufzulisten, die in Ihrem Leben wichtig sind, nicht nur beim Investieren. Und knüpfen Sie dann diese Überzeugungen an Ziele.
“Ihre Ziele sollten immer am Anfang Ihres Finanzplans stehen. Entgegen einer landläufigen Meinung stehen diese Ziele nicht immer in direktem Zusammenhang mit Geld. Vielmehr sollten sich Ihre Ziele darum drehen, was Sie mit Ihrem Geld tun wollen. Diese Ziele sollten Ihre Werte zum Inhalt haben. Verwenden Sie daher etwas Zeit darauf, Ihre Werte in einem Brainstorming herauszufinden. Das kann schwerer sein, als man denkt. Um Ihre kreativen Kräfte freizusetzen, machen Sie im Internet eine schnelle Recherche nach Werten und schließen diese in Ihr Brainstorming ein. Gehen Sie dann jeden Wert auf Ihrer Liste durch und streichen Sie diejenigen, die Sie nicht innerlich berühren. Wenn Sie die Liste gekürzt haben, sortieren Sie die verbliebenen Werte nach ihrer Wichtigkeit. Halten Sie die Liste griffbereit, wenn Sie anfangen, Anlageentscheidungen zu treffen“, sagt Lamas
2. Investieren Sie in das, was Sie wertschätzen
Fragen Sie sich: Kann ich in diese Werte investieren? Und wann ja, wie? Es gibt viele Wege, um ESG-konform zu investieren, daher ist es wichtig, den Weg zu finden, der für Sie richtig ist.
“Überlegen Sie etwa, bestimmte Produktgattungen oder Unternehmen aus Ihrem Portfolio auszuschließen? Oder wollen Sie in Initiativen investieren, die für eine grünere Zukunft arbeiten? Oder ist es Ihr Ziel, das Risiko der Unternehmen in Ihrem Portfolio zu managen, mit dem diese wegen ESG konfrontiert sind? Welche dieser Strategien hilft Ihnen, jenen Werten treu zu bleiben, die Sie im ersten Schritt ausgewählt haben?“, fragt Lamas.
Sobald Sie Ihre Strategie festgelegt haben, suchen Sie zuverlässige Ressourcen, die Ihnen helfen, Ihre Optionen einzugrenzen. Ian Tam, Director Investment Research bei Morningstar Kanada hat zu diesem Zweck etwa eine Liste mit den Top-Performern unter den ESG-Fonds und -ETFs erstellt. Auch wenn sich mit Hilfe der Wertentwicklung der Vergangenheit keine zukünftigen Renditen voraussagen lassen, könnten diese Fonds ein guter Ausgangspunkt für Ihr Research sein. Außerdem hat mein Kollege Andrew Willis die 10 ESG-Ideen von Morningstar Sustainalytics für 2021 beschrieben – nur für den Fall, dass Sie wissen möchten, was gerade im Trend liegt.
„Das Erste, worüber Sie nachdenken müssen, ist wie Sie investieren möchten, weil das Ihre Werte unmittelbar betrifft. Es gibt kein homogenes Umfeld, so dass schon ein wenig Research eine ganze Weile dauern kann, um sicherzustellen, dass Ihr Kapital so zum Einsatz kommt, wie Sie es möchten“, warnt Tam.
3. Erkennen Sie den Verlustaversions-Bias und wirken Sie ihm entgegen
Nachhaltig zu investieren, bedeutet nicht, dass Sie auf Performance verzichten müssen.
Mit Blick auf solche Fonds, die ESG wirksam integrieren, stellt Tam fest, dass das quantitative Research von Morningstar keine Hinweise liefert, dass Investoren Rendite opfern müssen, wenn sie in ‚gute‘ ESG-Unternehmen investieren statt in ‚schlechte‘. Grundlage sind die ESG-Ratings von Sustainalytics für Einzelunternehmen in den Jahren 2009 bis 2019.
“Ergänzend fügen wir hinzu, dass im Kalenderjahr 2020 64 der 87 in Kanada beheimateten Fonds, die Morningstar als ‚nachhaltig‘ erachtet, den Durchschnitt ihrer jeweiligen Kategorie auf risiko-adjustierter Basis nach Gebühren geschlagen hat“, sagt er.
Wenn unsere Aufmerksamkeit von zu vielen Dingen in Anspruch genommen wird, dann sollten wir unser Verhalten automatisieren. Je mehr uns da gelingt umso besser. Um Stress und Informationsüberflutung zu lindern, sollten Investoren und ihre Berater nach Wegen suchen, um einige Anlageentscheidungen zu automatisieren. Vordefinierte feste Aufgaben, wie etwa regelmäßige Einzahlungen oder automatische Umschichtungen des Portfolios halten Investoren davon ab, zu viel über ihre Investments nachzudenken.
Es gibt viele Gründe zu automatisieren. Automatismen minimieren Fehler und helfen Zeit und Geld zu sparen. „Automatismen machen sich das Prinzip der Standardisierung zunutze, das Thaler in seiner Arbeit beschrieben hat. Es ist eine machtvolle Methode: Aus dem Auge, aus dem Sinn kann sehr hilfreich sein, wenn es darum geht, unser Geld beiseitezulegen. Währenddessen können wir auf unsere Ziele und Werte hin sparen, ohne darüber nachdenken zu müssen“, sagt Lamas.
5. Setzen Sie feste Kontrolltermine
Das ist eine wichtige Aufgabe, erklärt Christine Benz, Director Personal Finance bei Morningstar: “Investoren machen häufig den Fehler, ihre Portfolios zu oft zu überprüfen oder – noch schlimmer – nur nach starken Marktbewegungen, wenn sie am ehesten dazu neigen, voreilige Entscheidungen zu treffen. Um diese Falle zu umgehen, sollten Sie im Voraus regelmäßige Kontrolltermine setzen. Für die meisten Menschen reicht eine umfassende Überprüfung des Portfolios einmal im Jahr völlig aus. Gegen Ende des Jahres bevor die Weihnachtsfeiertage vor der Tür stehen, ist eine gute Zeit für den jährlichen Check-up, weil Sie dann noch Anpassungen für das Jahr vornehmen können“, sagt sie.
Wie Sie dabei ESG berücksichtigen können? Lamas empfiehlt, eine einfache Frage in die Überprüfung des Portfolios einzubauen: Spiegelt mein Portfolio meine Werte wider? Stellen Sie die Frage während des Kontrolltermins, damit Sie sicher sein können, dass Ihre Investments noch mit Ihren Werten übereinstimmen. Eine vorgefertigte Liste mit den Fragen, die bei der Überprüfung beantwortet werden sollen, gewährleistet, dass dieses wichtige Thema angesprochen wird“, sagt sie.
Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.