Mein Chef pflegte zu sagen: „Erfolgreiches Investieren ist das Vermeiden vermeidbarer Fehler", erinnert sich John Rekenthaler, Vice President Research bei Morningstar. Und zu beschließen, in diesem Jahr gezielt erfolgreiche Aktien auswählen zu wollen, könnte einer dieser Fehler sein.
Die letzten anderthalb Jahre "waren für Anleger einfach", sagt Philip Petursson, Chef-Anlagestratege bei IG Wealth Management. "Man konnte so ziemlich alles kaufen und gut abschneiden.“ Im Verlauf des Jahres 2021 waren nur sehr wenige Unternehmen im Minus. Petursson weiter: "Viele Freunde erzählen mir, wie gut es ihnen seit der Pandemie ergangen ist, und ich antworte ihnen, dass mich das nicht beeindruckt, wenn alles nach oben geht. Was mich beeindruckt, ist, auch dann noch gut abzuschneiden, wenn die Spanne der Renditen im Markt zwischen -50% und +50% liegt.“
Petursson verwendet eine Analogie aus dem Sport, um den langfristigen Anlageerfolg zu veranschaulichen: „Beim Tennis geht es nicht darum, die besten Schläge zu machen, sondern darum, die Fehler zu reduzieren", sagt er. „Sorgen Sie einfach dafür, dass Sie den Ball über das Netz bringen. Jemand mit einem harten Aufschlag, wird auf Dauer nicht gewinnen, weil er zu viele Fehler macht. Anleger, die Fehler vermeiden, sind in einer besseren Position, um den Markt zu schlagen."
Der Gegenwind wird rauer
Natürlich können hoch bewertete potenzielle Gewinner verlockend sein, und tatsächlich haben die jüngsten wirtschaftlichen Bedingungen sie stark begünstigt. "Aber der kommende Markt wird schwieriger für hoch bewertete Unternehmen werden", prognostiziert Petursson, „weil hoch bewertete und wachstumsstarke Unternehmen Gegenwind durch höhere Zinsen und Inflation spüren werden.“
Möglicherweise lassen wir den einfachen Markt gerade hinter uns – und das hilft nicht dabei, „die Gewinner auszuwählen", was Petursson auch nicht empfiehlt. "Es gibt so viele Variablen, bei denen etwas es schief gehen kann. Ein Anleger tut vielmehr gut daran, Unternehmen zu meiden, die im Vergleich zu ihren Konkurrenten verblassen.“
Der größte Fehler, den es zu vermeiden gilt, ist die Jagd nach Performance, so Rekenthaler, indem man auf hohe Kurssteigerungen setzt und überstürzt kauft.
Ein "Winner-Picker", so Rekenthaler, "wird beispielsweise Tesla kaufen, aber das kann sich im Moment als gefährlich erweisen." Fehler zu vermeiden, heißt nicht nur, Verluste bei Aktien zu vermeiden, sondern auch eigene "Management"-Fehler, erklärt Rekenthaler – etwa hohe Gebühren zu zahlen, konzentrierte Portfolios zu halten, zu viel zu handeln und die eigenen Steuerkosten in die Höhe zu treiben.
Rekenthaler verweist auf die ARK Funds von Cathy Wood, einer außergewöhnlichen Winner-Pickerin, deren Spitzenreiter ARK Genomic Revolution ETF (ARKG) im Jahr 2020 um 157,4% zulegte. 2021 aber fiel Fonds um mehr als 35%. "Sie ist ein Star", räumt er ein, "aber 2021 kein erfolgreicher, obwohl sie immer noch die Nase vorn hat." Die meiste Zeit des Jahres 2021 verzeichnete der Fonds Mittelabflüsse.
ARK-ähnliche Fonds gibt es nicht in Hülle und Fülle, und unsere Experten sind der Meinung, dass Anleger besser auf langsame, beständig brennende Performer setzen sollten als auf pyrotechnische Virtuosen.
Solide vs zerbrechlich
Tim McElvaine, Gründer und Manager des McElvaine Value Fund, beurteilt Aktien lieber nach ihrer Solidität und Fragilität als nach ihrem Risiko.
Seiner Ansicht nach ist ein Gewinner nicht notwendigerweise ein solider Akteur, und er kann ein hohes Risiko haben, ein Risiko, das sich dann offenbart, wenn sich die Bedingungen verschlechtern. Als klassischer Deep Value-Investor konzentriert er sich nicht auf das Aufwärtspotenzial einer Aktie, sondern auf ihre Widerstandsfähigkeit nach unten.
Deep Value-Investitionen, wie sie McElvaine tätigt, sind nur eine Möglichkeit, Fehler zu vermeiden. Weitere wichtige Kriterien sind Qualität und Stabilität, betont Petursson, wenn Unternehmen eine starke und gesunde Bilanz vorweisen sowie ein starkes und bewährtes Management, einen geringen Verschuldungsgrad, hohe wiederkehrende und vorhersehbare Einkommensströme, einen große Moat – oder strategischen Wettbewerbsvorteil – und eine dynamische Marktpositionierung – Kriterien also, die die Konkurrenz in Schach halten.
Einer der größten Fehler ist es aus Rekenthalers Sicht, die Absicherung nach unten zu vergessen. "Die meisten Investmentfonds schneiden nicht viel besser ab als der Aktienmarkt insgesamt", fasst er zusammen. "Zumindest schneiden einige nicht schlechter ab und einige wenige zeigen eine gute Widerstandskraft." Das deckt sich mit Warren Buffets Kardinalregeln für Investments: 1. Verlieren Sie kein Geld! 2. Vergessen Sie niemals Regel Nummer eins!
Aus den oben genannten Gründen rät Rekenthaler Anlegerinnen und Anlegern, auf Investmentfonds zu setzen. "Früher ging es darum, Gewinner zu finden und risikoreiche Fonds aufzulegen. ARK ist das, was die Fondsindustrie einmal war. Der Hauptunterschied zwischen Stockpickern und Investmentfonds ist der Kapitalschutz. Ein Investmentfonds hält vielleicht ein paar Verlustaktien, aber er wird nie auf null gehen, denn die Manager sind bestrebt, Verluste und Fehler zu vermeiden."
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