Kurz nachdem Russland am Montagabend die von Rebellen gehaltenen Gebiete in der Ostukraine als unabhängige Staaten anerkannt hatte, begannen russische Streitkräfte in einer "friedenserhaltenden Operation" in das Gebiet vorzudringen.
Dieser Schritt beantwortet die Frage der Anleger, ob Putins Truppenaufstockung der letzten Monate nur ein Bluff war. Sie war es nicht und die Märkte haben begonnen, die Tatsache einzupreisen, dass die Bemühungen um eine Deeskalation der Situation gescheitert sind.
Die Verlierer
In den Stunden nach Putins Ankündigung schwächte sich der Rubel gegenüber dem Dollar um 3% ab, so stark wie seit Anfang 2020 nicht mehr. Der russische Aktienindex MOEX setzte am Dienstagmorgen seine monatelange Talfahrt fort, fiel um bis zu 11% und weitete seine Verluste im bisherigen Jahresverlauf auf 28% aus, wirtschaftlich sensible Sektoren wie Banken, Bergbau und Bauwesen gaben am stärksten nach.
Die Nervosität war auch in Westeuropa zu spüren: Der S&P 350 Europe Index verlor zunächst 2%, konnte seine Verluste jedoch ausgleichen, weil die Anleger abwarteten, wie weit die westlichen Sanktionen tatsächlich gehen.
Zu den größten Verlierern der Region gehörten Energieunternehmen, die in Verbindung stehen mit dem Gazprom-geführten Nord Stream 2-Pipelineprojekt. Dazu gehören Uniper (UN01) und Fortum (FORTUM). Vorausgegangen war, dass Deutschland die Zertifizierung der Pipeline gestoppt hatte.
Europäische Banken, die in Russland engagiert sind, gehörten ebenfalls zu den schlechtesten Werten des Tages. Dazu zählt etwa die österreichische Raiffeisen (RBI). Sorgen über das Russland-Engagement der SocGen (GLE) wurden dagegen durch Medienberichte abgefedert, wonach ihre russische Einheit Rosbank in der Lage sei, anderen Kreditgebern bei russischen Transaktionen zu helfen.
Die Outperformer
Der nächtliche Schock brachte indes nicht nur Verlierer hervor. Rohöl-Futures der Sorte Brent kletterten auf ein Siebenjahreshoch von fast USD 100 pro Barrel und brachte europäische Großunternehmen wie Shell (SHEL), BP (BP) und Eni (ENI) an die Spitze des Feldes.
Die Outperformance des Sektors wurde im vorbörslichen Handel in den USA noch deutlicher: Exxon (XOM), ConocoPhillips (COP) und Chevron (CVX) profitierten von der Rallye der Rohölpreise. Dies deckt sich mit der Vorhersage des Morningstar-Strategen Allen Good von Ende Januar, dass die US-Energiekonzerne aufgrund ihrer stärkeren Ausrichtung auf Rohöl eine Wette auf steigende geopolitische Risikoprämien sind.
Eine Rückkehr zu bewaffneten Konflikten in Europa erhöht die Wahrscheinlichkeit steigender Verteidigungsausgaben im Westen. "Die wachsende Bedrohung dürfte die Ausgaben für das Militär der NATO-Mitglieder nach oben treiben", schrieben Berenberg-Analysten um Ross Law letzte Woche in einer Mitteilung.
Die drohende Verteuerung von Rohstoffen infolge geringerer russischer Lieferungen mildert den Rückenwind für Rüstungsaktien etwas ab. Dennoch gehörten am Dienstag alle großen europäischen Rüstungsunternehmen zu den Outperformern. In seiner Notiz hob Berenberg BAE Systems (BA), Airbus (AIR) und Rheinmetall (RHM) als besonders gut positioniert hervor, um von der konfliktgetriebenen Nachfrage zu profitieren.
Verbleibende Zweifel
Es ist nach wie vor unklar, ob der Einmarsch Russlands in zwei abtrünnige Gebiete das Ziel Putins war oder nur ein Vorläufer einer viel größeren Kampagne gegen die Ukraine. Die Auswirkungen des Konflikts auf die Märkte hängen in hohem Maße von der Strenge der westlichen Wirtschaftssanktionen ab, die am Dienstag noch im Entstehen begriffen waren.
"Wir bezweifeln, dass die vom Westen angedrohten Sanktionen in vollem Umfang umgesetzt werden", schrieb UBS-CIO Mark Haefele in einer Notiz nach den jüngsten Entwicklungen. "Dies wird es der internationalen Gemeinschaft ermöglichen, die Tür für diplomatische Bemühungen offen zu halten und den Kollateralschaden für die europäische und globale Wirtschaft zu minimieren."
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