Am Dienstag eine Razzia in der Zentrale der Deutschen Bank und der Asset Management-Tochter DWS, in der Nacht zum Mittwoch dann die Nachricht, dass DWS-Chef Asoka Wöhrmann den Hut nimmt. Es war eine unruhige Woche bei der DWS.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main habe am Dienstag unter Beteiligung der Bafin in einem seit Mitte Januar 2022 geführten Verfahren wegen des Verdachts des Kapitalanlagebetrugs (§ 264a StGB) ermittelt. "Das Verfahren richtet sich gegen bislang unbekannte Mitarbeiter und Verantwortliche der DWS", teilte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen mit. An den Untersuchungen waren etwa 50 Personen - Staatsanwälte, Mitarbeiter der BaFin und Mitarbeiter des BKA - beteiligt.
Die Fondsgesellschaft steht schon lange unter dem Verdacht, es in Sachen ESG nicht allzu genau zu nehmen. Die Whistleblowerin und ehemalige Nachhaltigkeitschefin Desiree Fixler hatte den Stein im vergangenen August ins Rollen gebracht und sich zunächst der US-Börsenaufsicht SEC und dem FBI offenbart. Laut Fixler habe DWS behauptet, dass Milliarden der Assets under Management ESG-Kriterien beinhalten – dies führe in die Irre, denn die Portfoliomanager hätten ihren Worten keine Taten folgen lassen.
Seitdem folgten Untersuchungen in den USA und Deutschland wegen des Verdachts des Kapitalanlagebetrugs. "Nach Prüfung haben sich zureichende tatsächliche Anhaltspunkte ergeben, dass entgegen der Angaben in Verkaufsprospekten von DWS-Fonds ESG-Faktoren nur in einer Minderheit der Investments tatsächlich berücksichtigt worden sind, in einer Vielzahl von Beteiligungen jedoch keinerlei Beachtung gefunden haben ("Prospektbetrug")", so Niesen. Der Fall ist ein viel beachtetes Beispiel dafür, dass Banken Konsequenzen für Greenwashing drohen.
Greenwashing: Welche DWS-Fonds sind betroffen?
Ungewiss bleibt, um welche Fonds es sich konkret handelt. Hierzu werden keinen Angaben gemacht, hieß auf Anfrage bei der Staatsanwaltschaft. Auch die DWS ließ eine entsprechende Anfrage unbeantwortet.
„Aus Fixlers Behauptungen schließen wir, dass sich die Untersuchung auf Fonds konzentriert, die die Firma früher als "ESG-integriert" bezeichnete“, so Morningstar-Analystin Natalia Wolfstetter. Dies sei ein Begriff, den die DWS in ihrem jüngsten Jahresbericht schon nicht mehr verwendet. Er bezog sich auf Fonds, bei denen ESG-Faktoren neben anderen finanziell wichtigen Faktoren analysiert wurden, aber die nicht dezidiert als ESG-Fonds ausgewiesen wurden.
„Wir glauben, dass die ESG-Integration sich in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten strategischen Initiativen der DWS entwickelt hat, und das Unternehmen hat an mehreren Fronten Fortschritte gemacht, aber es bleibt noch mehr zu tun, um die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu überbrücken, was zu einem Morningstar ESG Commitment Level von Basic führt“, so die Analystin.
An der ESG-Implementierung der von Morningstar abgedeckten ESG-fokussierten Fonds des Unternehmens sei zu diesem Zeitpunkt nichts auffällig. Diese werden nach den DWS-eigenen ESG-Standards verwaltet mit Ausschlusskriterien auf Grundlage externer ESG-Ratings, CO2-Ratings und Compliance-Normen. Morningstar belässt die Ratings der Fonds, die von uns abgedeckt werden - ESG Dynamic Opportunities, DWS Invest ESG Equity Income and DWS Invest ESG Euro Bonds (Short) - daher zunächst unverändert und beobachtet die Situation weiter.
Stefan Hoops wird neuer DWS-Chef
Seitens der DWS hieß es lapidar, man habe mit den Regulierern und öffentlichen Einrichtungen immer zusammengearbeitet. Die Untersuchungen richten sich demnach an „unbekannte Beschäftigte“ in Verbindung mit Greenwashing-Anschuldigungen.
Eine Konsequenz ziehen die Frankfurter jedoch: Neuer Chef wird zum 10. Juni Stefan Hoops, der bisherige Leiter der Corporate Bank.
Wöhrmann war ohnehin nicht unumstritten. Da war seine enge Verbindung zu Daniel Wruck, einem Frankfurter Geschäftsmann, in dessen Firmen DWS und Deutsche Bank vor allem auf Drängen Wöhrmanns investierten. Hierzu kommunizierte Wöhrmann teils von einem privaten E-Mail-Konto, ein Compliance-Verstoß. Und er bat Wruck, ihm einen Porsche Panamera zu kaufen, wofür er ihm privat 160.000 Euro überwies. Letzteres brachte den beiden den Verdacht der Geldwäsche ein.
Die DWS-Aktionäre zeigten sich in jedem Fall alles andere als begeistert von den jüngsten Entwicklungen.
Quelle: Morningstar
Ein Rückschlag für die ganze Branche?
Ob es noch andere Fälle wie die DWS gibt, bleibt dahingestellt. BNY Mellon Investment Adviser hat gerade einen Vergleich mit der SEC geschlossen und erklärte sich bereit, eine Geldbuße in Höhe von 1,5 Millionen US-Dollar zu zahlen. In dem Fall ging es um „wesentliche falsche Angaben und Auslassungen" - lesen Sie mehr zu dem Fall im aktuellen Analystenkommentar.
In jedem Fall ist Greenwashing ein viel diskutiertes Problem in der Branche - auch deshalb, weil es noch keinen wirklichen Konsens gibt, was nun ESG ist und was nicht.
"Greenwashing ist ein Problem der ESG-Branche, welches Untersuchung benötigt, allerdings scheint der Fall der DWS extrem zu sein. Ich glaube nicht, dass diese Affäre alle ESG-Produkte in Frage stellt, allerdings wird sie die Diskussion sowohl öffentlich als auch zwischen Anbietern und den Aufsichten verschärfen. Auf lange Sicht ist das sicherlich ein positiver Schritt für die Branche", sagt Niklas Kammer, Equity-Analyst bei Morningstar.
Nach Einschätzung des Morningstar-Analysten scheint der DWS-Fall allerdings extrem zu sein. Es lässt sich aber dennoch vermuten, dass nun auch in anderen Häusern Prospekte noch einmal gründlich studiert werden.
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