Elon Musk und sein Anwaltsteam gaben in einem am 8. Juli eingereichten Filing an, dass Musk von der Vereinbarung zum Kauf von Twitter (TWR) für 54,20 US-Dollar pro Aktie zurücktritt. Als Grund für die Entscheidung wurden vor allem fehlende Nutzerdaten von Twitter genannt.
Twitter antwortete, dass es rechtliche Schritte gegen Musk einleiten werde, um sicherzustellen, dass der Deal zustande kommt. Während die beiden Parteien wahrscheinlich vor einem langwierigen Kampf stehen, dessen endgültige Entscheidung sehr ungewiss bleibt, glauben wir, dass Twitter die überzeugenderen Argumente haben könnte. Ein denkbares Szenario ist, dass Musk und Twitter eine neue, vorteilhaftere Vereinbarung treffen. Außerdem bleibt zu bedenken, dass die Aktie wieder auf dem dem Niveau gehandelt wird, bei dem Musk ursprünglich einen Kauf angekündigt hatte. Das könnte auch andere Parteien auf den Plan rufen.
Morningstar senkt Fair Value-Schätzung
Wir sind weiterhin zuversichtlich, dass das Unternehmen den Umsatz weiter steigern wird (wenn auch in geringerem Umfang, als wir vor Musks Angebot angenommen hatten) und die Margen ausweiten wird.
Wir senken unsere Fair-Value-Schätzung auf 47,00 USD von 58 USD vor Musks Angebot (damals knapp über Musks avisierten 54,20 USD). Auf Twitter dürften einige Unwegsamkeiten zukommen, die von den Ambitionen hinsichtlich Umsatz- und Margensteigerung ablenken dürften. Unsere Fair Value-Schätzung impliziert immer noch ein attraktives Aufwärtspotenzial, aber möglicherweise ist Geduld erforderlich.
Musk behauptet, dass er nicht auf genügend Daten und Tools zugreifen kann, um die Spam-Konten von Twitter genauer zu zählen, und dies verstößt laut Musk gegen verschiedene Teile der Übernahmevereinbarung. Musk behauptet auch, dass Twitter „seine Geschäfte nicht wie gewohnt geführt“ habe, da es die Zahl der Mitarbeiter reduziert und „hochrangige Mitarbeiter“ entlassen habe, zusätzlich zu anderen Rücktritten auf Führungsebene.
Wir glauben, dass es einige Gründe gibt, warum Twitter ein starkes Argument haben könnte. In Bezug auf die Anzahl der Spam-Benutzer hat die Firma seit Jahren in regulatorischen Filings ausdrücklich erklärt, dass die Spam-Anzahl „unter 5%“ möglicherweise nicht genau ist, da sie auf einer Stichprobe basiert und viel Urteilsvermögen erfordert.
Wir glauben auch, dass es gute Gründe gibt, warum Twitter zögerlich war mit den Daten, die das Unternehmen Musk zur Verfügung gestellt hat - zumindest anfänglich - angesichts von regulatorischen Vorschriften und der erheblichen Verbindlichkeit, die möglicherweise durch voreiliges Teilen dieser Informationen entstünde.
Wir glauben auch, dass Twitter zu Recht befürchtet hatte, dass viele Benutzer negativ auf eine groß angelegte Datenübergabe reagieren würden, was das Wachstum der Benutzerzahlen und/oder der Benutzermonetarisierung verlangsamen würde.
Twitter: Wie hoch ist die Anzahl der Spam-Konten?
Laut einem Artikel im Wall Street Journal vom 28. Juni lieferte die Firma letztendlich die von Musk geforderten Daten. In dem Artikel heißt es auch, Twitter habe Musk und seinem Team gezeigt, wie es die Schätzung der Spam-Konten „unter 5 %“ herleite. Während das Team von Musk erklärte, dass seine vorläufige Spam-Zahl basierend auf den von Twitter bereitgestellten Daten viel höher als 5% sei, legte es aber keine Zahl vor und wird wahrscheinlich seine vollständigen Ergebnisse und den dahinter stehenden Prozess vor Gericht vorlegen müssen.
Angesichts der aktuellen Marktbedingungen kann Twitter auch ein solides Argument dafür vorlegen, dass seine verschiedenen operativen Entscheidungen einen normalen Geschäftsverlauf darstellen. Viele Technologieunternehmen haben begonnen, die Kosten zu senken, indem sie die Zahl der Mitarbeiter reduzierten und/oder die Einstellung neuer Mitarbeiter hinauszögerten. Es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass die Kündigungen von Twitter-Mitarbeitern auf eine Änderung der Arbeitsweise des Unternehmens in Zusammenhang mit der Zustimmung von Vorstand und Aktionären zu Musks Angebot stehen.
Musks Offerte erhöht Risiken für Twitter-Aktionäre
Wir glauben jedoch auch, dass die Entscheidung von Musk kurz- bis mittelfristig zu erhöhten Risiken für Twitter-Aktionäre führt. Zum einen könnte die Aktie weiter fallen, wenn Musk beschließt, seine Aktien zu verkaufen, die immer noch etwas unter 10% des Unternehmens ausmachen. Dies hängt auch davon ab, wie viel Verlust Musk bereit ist zu realisieren. Er kaufte seine Twitter-Anteile für etwa 36 bis 37 USD pro Aktie.
Angesichts der Unsicherheit in Bezug auf einen langwierigen Rechtsstreit, der Musk dazu zwingen könnte, das Unternehmen zu übernehmen, halten wir es für das Beste für Musk, seine Anteile zu halten. Andererseits könnte Musk seine Anteile an eine andere Partei verkaufen, die daran interessiert ist, entweder Twitter zu übernehmen oder eine aktive Aktionärsrolle in der Firma zu übernehmen.
Noch wichtiger ist allerdings, dass das anhaltende Drama den Betrieb von Twitter nur kurz- bis mittelfristig beeinträchtigen dürfte. Die Unsicherheit darüber, wer an der Spitze stehen wird, könnte Werbeeinnahmen drosseln. Das Drama wird andererseits wahrscheinlich aber auch neue Nutzer auf die Plattform locken und das Engagement erhöhen, und hinzu kommen noch die bevorstehenden Midterm-Wahlen in den USA. Diese Aspekte könnten für Werbetreibende wiederum interessant sein.
Twitter bleibt unter den Top 5
Langfristig glauben wir, dass Twitter eine der fünf wichtigsten Social-Media-Plattformen für Werbetreibende bleiben wird. In Bezug auf die Margen erwarten wir im Zusammenhang mit diesem Fall höhere allgemeine und administrative Kosten, hauptsächlich Rechtskosten.
Wir gehen auch davon aus, dass die Marketingausgaben das Umsatzwachstum übersteigen, da das Unternehmen weiterhin in den Ausbau seines Abonnementgeschäfts investieren und Werbetreibende auf der Plattform halten wird.
Wir haben unsere Annahme für das Umsatzwachstum von fast 20% auf 16% CAGR für fünf Jahre reduziert. Darüber hinaus erwarten wir bis 2026 eine durchschnittliche operative Marge von 8% (einschließlich minus 3% in diesem Jahr). Zuvor waren wir von 13% ausgegangen.
Im nachbörslichen Handel verlor die Twitter-Aktie am Freitag 6%.
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