Quis custodiet ipsos custodes? Dieser Satz aus altrömischer Zeit bedeutet so viel wie „Wer bewacht die Wächter?" Ursprünglich ging es um die Untreue der römischen Senatoren, doch die Idee dahinter wird über die Geschichte hinweg immer wieder aufgeworfen. Es geht darum, die Machthaber zur Rechenschaft zu ziehen.
Das lateinische Wort „Custodes" schwingt in der Investmentwelt mit, wenn wir über „Custodians" sprechen, eine klar definierte Rolle bei institutionellen Anlagen. Aber das breitere Konzept der „Verwahrung" ist für alle Investoren wichtig, das verdeutlicht das jüngste Krypto-Debakel und im Falle von Betrug.
Wenn ich als Investor mein Geld einer Institution gebe, wer sorgt dafür, dass es „sicher“ ist, und an wen kann ich mich wenden, wenn etwas schief geht? Viele Regierungen garantieren Einsparungen bis zu einer bestimmten Höhe, sofern diese Spar- oder Anlageprodukte reguliert sind. In Deutschland sind das derzeit 100.000 Euro pro Sparer und Bank.
Custody Services
Beginnen wir mit der engen Definition von Custody Services. Fondsmanager wollen sich auf das Investitieren konzentrieren und lagern ihr Backoffice und ihre Verwaltung an multinationale Banken aus.
Zu diesen Verwaltungsaufgaben gehören die Beantragung von Steuergutschriften, die Verwaltung von Barmitteln, die Stimmabgabe bei Aktionärsversammlungen und der Einzug von Dividenden. Dies ist die weniger glamouröse Seite der Vermögensverwaltung, aber eine wichtige, weil sie auf Vertrauen und Kompetenz basiert.
Aus Sicht eines Privatanlegers ist dies eine zusätzliche Sicherheitsebene, da ein Fondsmanager möglicherweise Vermögenswerte in Milliardenhöhe verwaltet, aber dieses Geld nicht auf seinem Bankkonto ist. Und so kann es theoretisch auch nicht in die Karibik oder ein anderes Paradies verschwinden. Man muss bedenken: Betrug ist in der Finanzwelt zwar selten, aber wenn er passiert, kann er enorme Auswirkungen haben. Das zeigen Fälle wie Wirecard und Bernie Madoff.
In vielen Ländern ist die Trennung von Kundenvermögen und eigenen Konten gesetzlich vorgeschrieben. Aber selbst die größten Banken halten sich manchmal nicht an diese Regeln und werden mit Geldbußen belegt (und machen den gleichen Fehler noch einmal).
Die Krypto-Welt: Noch immer Winter
Denken Sie an dieses Konzept, wenn wir uns den jüngsten Fall von Celsius ansehen, ein Krypto-Kreditnetzwerk, das im Juni 2022 die Abhebung der Anleger blockierte und dann im Juli Insolvenz anmeldete. Celsius schuldet diesen Investoren nun 4,7 Milliarden USD. Das Berliner Partnerunternehmen Nuri-Bank folgte im August mit einem Insolvenzantrag.
Celsius' Insolvenzantrag selbst nimmt ausdrücklich Bezug auf den „Celsius Custody Service“, ein Produkt, das US-Benutzern im April 2022 zur Verfügung gestellt wurde. Es wurde als „zentraler Hub ihres digitalen Vermögenskontos“ beschrieben, eine Art digitale Brieftasche mit digitalem Geld, das dort blieb, bevor es für eine Investition verwendet wird – in diesem Fall das „Earn“-Programm, das verlockend hohe Renditen bot.
Unter Berufung auf die Nutzungsvereinbarung des Unternehmens heißt es in dem Dokument: In Verwahrung befindliche Krypto-Vermögenswerte werden ‚zu jeder Zeit bei [dem User] verbleiben‘ und ‚Celsius wird verwahrte digitale Vermögenswerte nicht übertragen, verkaufen, verleihen oder anderweitig übertragen, es sei denn, Celsius werde von dem [User] angewiesen, oder, wenn dies durch einen gültigen Gerichtsbeschluss, eine zuständige Regulierungsbehörde, eine Regierungsbehörde oder geltendes Recht erforderlich ist'.
Zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs von Celsius nutzten 58.000 Menschen diesen Verwahrungsdienst und hielten dort insgesamt 180 Millionen US-Dollar - eine Verbindlichkeit, die durch Vermögenswerte in der Bilanz ausgeglichen wird. Im Mittelpunkt dieser und zukünftiger Krypto-Kontroversen steht die Frage: Wo wird mein Geld aufbewahrt und kann ich es zurückbekommen?
Und eine weitere Frage, die sich Celsius-Benutzer jetzt stellen, lautet: Was haben Sie mit meinem Geld gemacht? Der folgende Satz aus dem Insolvenzantrag verdeutlicht, welche Rechte die User der Plattform übertragen haben: „Sobald die Kryptowährung an Celsius übertragen wird, mit Ausnahme der im Rahmen des Custody Service übertragenen Vermögenswerte, hat Celsius das Eigentum an den Vermögenswerten und die volle Befugnis, die Asset so zu verwenden, wie sie es für richtig hält."
Die Rechtslage ist kompliziert, könnte aber durchaus Aufschluss über das Innenleben eines der größten Krypto-Netzwerke der Welt geben und warum es zusammenbrach. Auch war dies kein Einzelfall. Die börsennotierte Krypto-Plattform Coinbase warnte ihre Nutzer Anfang dieses Jahres, dass ihre Krypto-Assets im Falle einer Insolvenz des Unternehmens gefährdet sein könnten.
Dies war ein Schock für viele, die annahmen, dass das Unternehmen, wie jede andere Handelsplattform, ihr Geld „hostete“ – und somit als Verwahrer und Hüter ihres Geldes fungierte. Anfang August wurden zudem bei einem Hack des Kryptonetzwerks Solano rund 6 Millionen USD aus 8.000 digitalen Geldbörsen gestohlen.
Das Chaos aufräumen
In der Finanzdienstleistungsbranche gibt es eine ganze Reihe von Skandalen, die verständlicherweise das Vertrauen der Nutzer untergraben haben. Bitcoin ist sozusagen ein Kind der großen Finanzkrise und teilweise aus einem Vertrauensverlust in die Zentralbanken und die Wall Street entstanden.
Aber letztlich kommen wir nicht drum herum: Wir müssen Custodians einsetzen, die als Verwahrer unseres Geldes fungieren – vom Bankkonto, auf das Ihr Lohn eingezahlt wird, bis hin zur Pensionskasse, die sich um Ihre Altersvorsorge kümmert.
Selbst wenn regulierte Unternehmen scheitern, erhalten Kunden in der Regel zumindest einen Teil ihres Geldes zurück. Krypto ist an den Rand des Finanz-Mainstreams gerückt, die Branche hat sich als schlechter Hüter des Geldes der Anleger - als schlechter Custodian - erwiesen. Die Behörden warnten davor, dass Krypto-Investitionen mit einem hohen Risiko verbunden sind, und Sie Ihr gesamtes Geld verlieren könnten. Dieser Rat wurde nicht befolgt, was die Finanzaufsichtsbehörden – die ursprünglichen Wächter – zwingt, nun das Chaos zu beseitigen.
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