Nun liegt der Vorschlag der ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme (Gaskommission) vor. Industrielle Großverbraucher sollen demzufolge ab dem 1. Januar 2023 und bis zum 30. April 2023 70% ihres Bedarfs aus dem Jahr 2021 zu 7 Cent/kWh beschaffen können (Gaspreisbremse).
Für die verbleibende Menge des Gasverbrauchs wird der volle vertraglich vereinbarte Marktpreis fällig. "Dadurch wird ein starker Sparanreiz gesetzt. Eine mengenmäßige Obergrenze des zu entlastenden Gasverbrauches wird nicht definiert, da aufgrund der enormen Bandbreite der verbrauchten Mengen eine diskriminierungsfreie Definition nicht möglich ist", heißt es in dem Papier der Kommission.
Hinzu kommen unter anderem noch Abgaben, Umlagen und Steuern, so dass am Ende wie bei den privaten Haushalten und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ein Endkundenpreis von 12 Ct/kWh erreicht werden soll.
Dabei könne ein Unternehmen die geförderte Gasmenge entweder selber nutzen oder am Markt weiterverkaufen. "Die Förderung ist an den Standorterhalt und eine Transformationsperspektive gebunden", heißt es allerdings aus Berlin. Die gewährte Subvention werde dabei über den jeweiligen Gaslieferanten administriert.
Diese Regelung bezieht sich auf Betriebe mit einem Gasbedarf von 1,5 Gigawattstunden pro Jahr (GWh/Jahr). Dies sind so genannte RLM-Kunden - RLM steht für registrierte Leistungsbemessung. Bei diesen Großabnehmern (für Strom gilt ein Jahresverbrauch von 100.000 kWh) erfolgt die Verbrauchserfassung stündlich, für Strom sogar viertelstündlich. Der Vorteil: Der Versorger kann die Liefermengen genauer koordinieren. Die Unternehmen hingegen können ihren Lastgang planen und beim Ausweichen auf Randstunden etwa von geringeren Netzentgelten profitieren.
Privathaushalte und kleinere Unternehmen werden bereits ab Dezember entlastet. Sie erhalten eine Einmalzahlung auf Basis des Verbrauchs, welcher der Abschlagszahlung aus dem September 2022 zugrunde gelegt wurde. Diese Einmalzahlung dient als finanzielle Brücke bis zur regulären Einführung der Gaspreisbremse, so die Kommission.
In einem zweiten Schritt würde die Regierung die Gastarife bereits ab März nächsten Jahres und bis April 2024 subventionieren. Die Subventionen würden für etwa 80% des von etwa 20 Millionen Haushalten und kleinen Unternehmen verbrauchten Gases gelten, erklärte die Kommissionsvorsitzende Veronika Grimm.
Fast die Hälfte des 200 Mrd EUR schweren Abwehrschirms
Das Programm umfasst ein Entlastungen in Höhe von rund 90 Milliarden Euro. Sie sind Teil des von der Ampel-Koalition angekündigten "Abwehrschirms" mit einem Volumen von bis zu 200 Mrd. Euro.
Der deutsche Alleingang ist nicht unumstritten bei den europäischen Partnern. Es bestehe die Gefahr einer Verzerrung des Binnenmarktes, sofern deutsche Unternehmen bei den Energiekosten subventioniert werden, Unternehmen in anderen Ländern aber in die Röhre gucken.
Die Generaldirektion Wettbewerb antwortete auf unsere Emailanfrage wie folgt: "Im Allgemeinen ist es Sache des Mitgliedstaates, zu beurteilen, ob eine bestimmte Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstellt. Stellt eine Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne des EU-Rechts dar, muss sie von dem betreffenden Mitgliedstaat bei der Kommission zur Prüfung angemeldet werden, sofern sie nicht unter eine Gruppenfreistellung fällt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die genauen Einzelheiten der Maßnahmen noch nicht klar. Maßnahmen, die sich an private Haushalte richten, würden normalerweise keine staatliche Beihilfe darstellen. Wir stehen in dieser Angelegenheit mit den deutschen Behörden in Kontakt."
Reaktionen der Großverbraucher positiv
Die Reaktionen der Großverbraucher sind positiv. VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup sagt: „Die Gaspreisbremse ist ein ganz wichtiger erster Schritt, der vielen Unternehmen ein Stück weit die Zuversicht, die Krise meistern zu können, zurückgibt. Unsere Unternehmen sind aber doppelt belastet. Die Strompreisbremse ist jetzt der zwingend notwendige zweite Schritt, damit die Industriestruktur gesichert werden kann.“ Die Details beider Regelungen müssten schnellstmöglich ausgearbeitet werden, da die Unternehmen dringend auf Planungssicherheit angewiesen seien, so Große Entrup weiter.
Vom BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft ist zu hören: "Die Branche hat sich in den vergangenen Monaten sehr intensiv dafür eingesetzt, dass die Kunden bei den außergewöhnlich hohen Preisen kurzfristig entlastet werden. Dies gelingt nur mit einfach umsetzbaren und kurzfristig möglichen Maßnahmen. Es ist gut, dass die Vorschläge der Kommission dies klar berücksichtigen. Die Politik ist jetzt aufgerufen, schnell einfach umsetzbare gesetzliche Regelungen zu verabschieden. Klar ist aber auch: Das Thema Energiesparen wird weiterhin sehr wichtig sein."
Der Verband der Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sieht derweil gute Chancen, dass die Vorschläge der Gaspreiskommission zu einer Entlastung der Unternehmen entlang der Wertschöpfungsketten führen werden. "Das Ergebnis geht in die richtige Richtung: Die Deckelung des Gaspreises für 70% des Verbrauchs ist ein ambitionierter und guter Rahmen. Der in diesem Zusammenhang festgelegte Preis von 7 Ct/kWh plus Umlagen entspricht in etwa der Preisobergrenze von 12 Cent für private Haushalte. Dies ist aus heutiger Sicht als Brücke zu einer neuen Normalität geeignet. Gleichzeitig bleiben die Anreize zum Energiesparen für die Industrie erhalten", sagte VDMA-Präsident Karl Haeusgen in einem Pressegespräch anlässlich des 13. Deutschen Maschinenbaugipfels in Berlin.
BNetzA mahnt Haushalte zum Sparen
Die Bundesnetzagentur mahnt in ihrem täglichen Bericht zur Lage am Gasmarkt weiterhin zu sparsamen Verbrauch. Insbesondere der Verbrauch der privaten Haushalte liegt über dem Schnitt der vergangenen drei Jahre, geht aus den Zahlen hervor.
Zur Steuerung etwaiger Versorgungsreduktionen im Krisenfall hat Trading Hub Europe GmbH (THE) die Sicherheitsplattform Gas online geommen. Hier können die 2.500 größten Gasverbraucher, Bilanzkreisverantwortlichen und Gasnetzbetreiber später aktuelle Daten erfassen. "Unser Ziel ist die durch unser Eingreifen bei den Industriekunden entstehenden volkswirtschaftlichen wie auch betriebswirtschaftlichen Schäden so gering wie möglich zu halten", so Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur.
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